Beginn der ersten Reise als Schiffsarzt

Eine meiner eindrucksvollsten Reise erlebte ich, weil ich während meiner meist eintönigen Wehrpflichtzeit bei der Marine rasch entschlossen die Gelegenheit ergriff, als Arzt auf dem Forschungsschiff Meteor über vier Monate lang in den tropischen Atlantik und etwas mehr als einen Monat in die winterliche Nordsee zu fahren.

Ich flog mit ein paar Besatzungsmitgliedern mit einer Linienmaschine nachts nach Dakar im Senegal, weil das Schiff dort im Hafen lag, als mein Auftrag begann. Auf der Meteor traf ich Heinz, meinen Vorgänger, der mir in drei gemeinsamen Tagen an Bord alles Wichtige zeigte und erklärte, bevor er selbst nach Deutschland zurückkehrte.

Zuerst führte er mich durch das sehr kompakt wirkende Schiff mit den vielen Antennen an Bord. Ein Hubschrauberlandeplatz war zum Sonnen und Tischtennisspielen umfunktioniert, da wir keinen Helikopter an Bord hatten. Im Inneren des Schiffes waren die Mannschaftskabinen und die Kajüten des zugestiegenen Forschungspersonals und die Instrumentenräume für die wissenschaftlichen Versuche untergebracht.

Dann lernte ich in mein zukünftiges Zuhause kennen, ein „Medizin-Appartement“ mit mehreren Räumen. Da gab es für mich eine holzverkleidete Kajüte mit speziell angefertigten Nußbaummöbeln. Ein genügend großer Schreibtisch ermöglichte Arbeit am Tageslicht unter den großen Fensterluken. Die eingebaute Eckbank lud zum gemütlichen Gedankenaustausch ein. Und in dem geräumigen Einbauschrank und den vielen Schubladen unter dem erhöhten Bett in der Koje hatte ich reichlich Platz für meine Kleider und Wäsche zur Verfügung. Alle Einrichtungsgegenstände waren so eingebaut oder befestigt, daß auch bei hohem Wellengang nichts durch das Zimmer flog. Sogar an dem kleinen Bücherregal sorgte eine Sicherheitsleiste dafür, dass die Bücher dahinter sturmfest verstaut waren. Der Raum war bis auf den letzten Zentimeter sinnvoll genützt. Wie wichtig diese sorgfältig geplanten und ausgeführten Kleinigkeiten waren, sollte mir später bei einem Orkan in der Nordsee erst sichtbar werden. Das war also meine Wohnung für die nächsten sechs Monate! Ich empfand sie als sehr einladend, praktisch und gerade groß genug. Ich fühlte mich sofort wohl.

Nebenan war das Krankenzimmer eingerichtet. Zwei Betten standen da, eines davon konnte bei hohem Seegang aus der seitlichen Verankerung gelöst werden, sodass seekranke Besatzungsmitglieder nicht so sehr vom Schaukeln des Schiffes betroffen waren, weil das Bett relativ zum Wellengang an einer Längsachse mitschwang und der Patient einigermaßen still liegen konnte. Das allerdings setzte voraus, dass die Wellen immer von der Seite kamen. Es war also nicht für jede Form von Seegang geeignet. In diesem Raum stand auch das kleine Röntgengerät, das als handlicher Tischapparat bei Knochenbrüchen recht passable Aufnahmen lieferte, wie Heinz mir gleich zeigte, als wir meine Hand als Probebeispiel röntgten.

Im dritten Raum, dem Sprechzimmer, stand in der Mitte ein nach allen Richtungen verstellbarer Operationstisch, den ich je nach Bedarf für Untersuchungen und Eingriffe benützen konnte. Ich war ganz verwundert, welche Überraschungen hier in diesem Raum eingebaut waren, alles auf kleinstem Raum und sehr praktisch angeordnet.

Heinz öffnete den großen Medikamentenschrank: „Schau mal, hier sind alle nötigen Medikamente und Verbandmittel, die du brauchen könntest. Auch die Ampullensammlung in dieser Schublade und die Betäubungsmittel hier im Giftschrank habe ich überprüft. Da liegt das Buch für die Verwendung der Morphiumampullen.“ Es war für alles gesorgt. Heinz erklärte weiter: „Das Narkosegerät arbeitet mit Lachgas und ist auf Rollen beweglich. Jetzt siehst du, wie es mit dem Gurt wegen des Wellengangs an der Wand befestigt ist.“ Heinz wandte sich zu einem tischhohen Schubladenschrank und zog nacheinander die Fächer auf: „Da sind die Kästen mit den Instrumenten für Eingriffe aller Art. Ich hab sie alle neu sterilisiert mit dem Steri, den du hier stehen siehst.“ Er deutete neben den Schrank. „Und sie sind so beschriftet, dass du schnell die passenden Päckchen findest, die ich für typische Operationen gepackt habe.“ Ich staunte, welch eine Vielfalt an kleinen und großen Instrumenten hier lagen, eine ausreichende und von einem Kenner zusammengestellte Sammlung für alle denkbaren Noteingriffe.

„Schau, und da ist die Zahnausrüstung!“ Ich spürte, wie Heinz stolz war auf seine Ausrüstung, die er gepflegt hatte und mir jetzt übergab. „Da liegen alle Bohrer, Zangen, Häkchen, Mundspiegel, die du brauchst. Und hier ist die Bohrmaschine.“ Er nahm das faustgroße Gerät in die Hand und hängte es mir mit einer kleinen Gurte um den Hals. „Sie ist zwar nicht ganz so modern, aber sie funktioniert prima. Die Bohrer sind ganz einfach auszuwechseln.“ Mit ein paar gezielten Griffen nahm er einen Bohraufsatz aus der Leiste in der Schublade und setzte ihn in die Halterung. „Halt, lass mich auch mal“, sagte ich und wiederholte den Bohrerwechsel. „Ich muss das selbst machen, dann lerne ich es schneller.“

Dann gingen wir in den vierten Raum, das Badezimmer mit WC und Waschbecken. Hier gab es sogar eine Badewanne und einen eingebauten Schrank mit den wichtigsten Laborgeräten. „Donnerwetter, welch ein Luxus!“ Ich war begeistert.

Nachdem wir das ganze Appartement angeschaut hatten, besprachen wir im „Wohnzimmer“ an Hand der Karteikarten die einzelnen Personen an Bord. Eigentlich gab es keine besonderen Vorkommnisse oder Komplikationen zu erwarten, da alle Mitglieder der Stammbesatzung und die Wissenschaftler vor der Reise sorgfältig auf Seetauglichkeit untersucht worden waren und keine gesundheitlichen Probleme hatten. Es ging also jetzt nur noch darum, unerwartet auftretende Ereignisse zu behandeln.

„Was könnte das sein?“ fragte ich. „Na ja,“ meinte Heinz, „da ist natürlich alles drin vom harmlosen Unfall bis zum akuten Blinddarm. Während meiner zwei Monate hier an Bord gab es nur einen einzigen Unfall, aber der hat mir schwer zu schaffen gemacht. Der Chief, das ist der Leitende Maschineningenieur, wollte eine große Batterie öffnen, und dabei ist ihm die Säure ins Gesicht gespritzt. Seine Gesichtshaut konnte ich ja relativ schnell reinigen, aber seine Augen machten mir große Sorgen.“ Heinz zeigte eine bedenkliche Miene und sprach dann weiter: „Er lag ein paar Tage mit verbundenen Augen hier im Lazarett, und ich hatte wirklich Angst, er würde beidseitig erblinden. Glücklicherweise ist es gut gegangen, er sieht wieder normal. Du wirst ihn kennen lernen.“

Bei dieser knappen Schilderung der bangen Tage spürte ich, wie mir heiß wurde. Solche Notsituationen sind auch für den Arzt sehr schlimm, nicht nur für den Patienten! Welche Chancen würde ich haben, rasch kompetente Hilfe zu bekommen, wenn ich allein nicht mehr weiter weiß? Denn es war geplant, dass das Schiff auf hoher See zweimal jeweils für vier Wochen vor Anker liegt, um meteorologische Forschungsdaten zu sammeln, also gar nicht zu einem nächstliegenden Hafen fahren kann.

„Das ist relativ einfach!“ meinte Heinz und erklärte mir die Lage: „Stell dir vor, in ein paar Tagen, wenn ihr alle wieder auf dem Posten seid, liegen da draußen etwa tausend Kilometer von hier entfernt die zehn Schiffe aus den verschiedenen Ländern, die du hier im Hafen siehst, so beieinander.“ Er malte mit seinem Finger ein Achteck auf die Tischdecke und setzte zwei Punkte in die Mitte. „Eines dieser Schiffe hier in der Mitte ist die Meteor.“ Ich fragte: „Und welche Entfernungen liegen zwischen diesen beiden Schiffen?“ Er antwortete: „Auch das ist einfach: Es liegt gerade hinter dem Horizont. Aber der Funkkontakt ist gut, und mit dem Motorboot, das draußen an der Reling hängt, ist man rasch da. Die anderen Schiffe auf den Eckpunkten sind wesentlich weiter weg, etwa zwei bis drei Stunden Fahrt.“

Das war interessant, und ich wollte mehr wissen: „Und welche Kollegen sind an Bord der anderen Schiffe, was sind das für Schiffe, woher kommen sie, welche Ausbildung haben die anderen Kollegen, was machen die Forscher bei diesem Unternehmen alle zusammen? Ich bin nicht genau informiert worden, wie dieser Forschungsverbund hier arbeitet.“ Plötzlich brachen alle meine Fragen hervor, die ich mir bis jetzt nicht beantworten konnte.

Heinz lächelte und meinte: „Das sind aber viele Fragen auf einmal. Ich will mal sehen, ob ich dir in Kürze einen Überblick geben kann. Also, es gibt GARP.“ Er schrieb mit dem Zeigefinger die Buchstaben auf die Tischdecke und erklärte: „Das heißt Global Atmospheric Research Programme, das ist wie der Name sagt, ein weltumspannendes Forschungsprogramm der UNO, um über Jahre hinweg die meteorologischen Zusammenhänge in der Atmosphäre besser kennen zu lernen. Ein Teil dieses GARP heißt GATE.“ Er schrieb diesen Namen daneben, und in der Tischdecke blieben leichte Eindrücke bestehen. „Das ist die Abkürzung für Global Atmospheric Tropical Experiment. Dabei werden von Forschungsschiffen verschiedener Nationen meteorologische Daten hier im tropischen Atlantik erfasst. Und so weit ich das weiß, läuft zur Zeit ein ähnliches Programm im Pazifik.“

Ich fragte: „Und welchen Sinn verfolgt das ganze Unternehmen?“ Heinz sagte: „Die Untersuchungen sollen dazu dienen, die Wetterentwicklung langfristiger vorausberechnen zu können. Man erwartet davon genaue Informationen, um zum Beispiel Schiffe und Flugzeuge sicherer um die entstehenden Gewitter herumleiten zu können.“

Heinz war in Fahrt gekommen und erzählte weiter: „Für Deutschland sind zwei Schiffe dabei, die Meteor vom Deutschen Hydrographischen Institut, dem DHI in Hamburg, und das Fischereiforschungsschiff Planet, auf dem überwiegend meeresbiologische Forschung betrieben wird. Die anderen Schiffe kommen aus der Sowjetunion, Brasilien, Frankreich, England und den USA.“

„Und warum gibt es auf diesem zivilen Schiff Militärärzte wie wir beiden?“ Diese Frage wollte ich schon lange beantwortet haben. „Na ja,“ meinte Heinz schmunzelnd, „du weißt ja sicherlich, dass die Bundeswehr von dem DHI um Amtshilfe gebeten wurde, weil der Reeder, und das ist das DHI selbst, eigentlich private Schiffsärzte vom freien Markt einstellen müsste. Aber damit hatten sie wohl in der Vergangenheit immer Pech, und deshalb fahren jetzt abkommandierte Stabsärzte wie du und ich mit. So entsteht die etwas kuriose Situation, dass der Doc hier an Bord Soldat im Dienst unter lauter Zivilisten ist.“

Heinz rutschte ein Stückchen auf der Bank nach vorn und sagte: „Übrigens, ganz wichtig: Du wirst sicherlich Gelegenheit haben, die anderen Ärzte kennen zu lernen. Da sind sehr nette Kollegen dabei, die ich bei meinem letzten Treffen hier in Dakar vor einem Monat kennengelernt habe. Die Vanguard ist übrigens auch da.“

Er machte einen Moment Pause, um die Wirkung seiner letzten Worte auf mich zu sehen. Ich fragte ganz verblüfft: „Ich kenne den Namen nicht. Ist das ein besonderes Schiff?“ „Aber ja,“ meinte er und erklärte, „das ist eines der Schiffe, von denen aus die Mondladung gesteuert wurde, ein riesiges schwimmendes Laboratorium mit einer unvorstellbar aufwendigen technischen Ausrüstung an Bord. Die NASA hatte damals rund um den Erdball ein paar Schiffe aufgestellt, die mit dem entsprechenden Personal an Bord das gesamte Mondprojekt hätten leiten können, wenn in Houston etwas ausgefallen wäre. Die Vanguard liegt jetzt im Militärhafen von Dakar, da kommst du nur rein, wenn du Beziehungen hast. Ruf den Arzt dort an, er kann dich mitnehmen.“

Das waren ja spannende Aussichten! Ich nahm mir vor, bei der nächsten Gelegenheit die Kollegen der anderen Schiffe kennen zu lernen. Aber vielleicht konnte ich jetzt noch mehr Informationen bekommen, die nützlich sein würden. „Kennst du einige der Kollegen?“ fragte ich Heinz. Er schüttelte den Kopf: „Leider nicht viele. Aber ich kann dir sehr raten, mit den Sowjets Kontakt aufzunehmen. Auf der Professor Wiese ist ein sympathischer Chirurg dabei. Den habe ich kurz kennengelernt. Aber mir ist jetzt wichtig, dich hier an Bord gut einzuführen und morgen noch einen Ausflug ins Land zu machen. Hast du Lust mitzufahren?“

Ich war gleich dabei: „Ja, gerne, ich war noch nie im Senegal, klar fahr ich mit. Hast du was Bestimmtes geplant?“ Wir hatten nur noch zwei Tage im Hafen, und die wollte ich nützen, um ein bisschen von Land und Leuten zu sehen. Heinz sagte: „Ich habe keinen Plan, aber ich denke, wenn wir uns ein billiges Taxi nehmen und von dem Fahrer ein paar Sehenswürdigkeiten zeigen lassen, sind wir wahrscheinlich ganz gut bedient. Das sehen wir morgen, jetzt bringe ich dich noch zum Kapitän, damit du dich vorstellen kannst. Dann fahren wir in die Stadt und essen was.“

Er stand auf und wollte auf den Flur hinausgehen. Da deutete er auf die Wand zum Krankenzimmer nebenan und sagte: „Übrigens, die beiden nächsten Nächte kannst du in einem der Lazarettbetten nebenan schlafen. Ich muss nur noch dem Steward sagen, dass er dir ein Bett beziehen soll.“ Ich war total verblüfft: „Wie bitte? Er bezieht mein Bett? Ich denke, das mache ich selbst.“ Heinz lachte: „Aber nein, hier an Bord haben wir einen exzellenten Service. Der Steward putzt hier und räumt auf, er macht die Betten und schrubbt dir auch die Badewanne, wenn du sie benutzt hast. Wenn du ihm ab und zu ein Bier spendierst, klappt das hervorragend. Und dann ziehst du hier ein, wenn ich weg bin.“ Er machte eine einladende Geste und bot mir seine komfortable Kajüte an.

Heinz hatte schon die Türklinke in der Hand, aber ich stellte noch eine Frage: „Ja, und wie ist das mit Uniform? Wir sind doch beide Bundeswehrsoldaten. In Wilhelmshaven haben sie mir gesagt, ich solle Tropenuniform mitnehmen, und der Spieß hat extra für mich einen Soldaten mit Auto freigestellt, mit dem ich einen Tag lang nach Hamburg in die Sonderkleiderkammer gefahren bin, um eine Tropenkleiderkiste zu packen. Ich habe noch ein paar Bücher und meine Schreibmaschine reingelegt, damit ich hier gut arbeiten kann. Die Kiste müsste übrigens irgendwo hier sein, ich habe sie vor dem Auslaufen in Hamburg an Bord bringen lassen und hier noch nicht gesehen.“

Heinz beruhigte mich: „Ja, die Kiste steht nebenan im Lazarett unter einem Bett. Und die Uniform kannst du vergessen. Hier an Bord trägt keiner Uniform, höchstens bei einem offiziellen Anlass. Bei der tropischen Sommerhitze sind tagsüber die Badehose und vielleicht ein leichtes Hemd deine Kleidung, abends hast du eine kurze Hose und ein kurzärmeliges Hemd an, das ist alles. Du bist der einzige Soldat an Bord. Da machst du dich mit einer Uniform nur lächerlich.“

Das leuchtete mir ein, und ich war froh, es so unkompliziert zu haben. Wenn ich daran dachte, wie kurios wir Ärzte und die Gefreiten uns immer vorkamen, in der Sanitätsstaffel morgens vor der Sprechstunde in voller Uniform auf Kommando des Spießes den Frühsport absolvieren zu müssen, ging es mir hier ja richtig bequem.

Heinz setzte sich wieder hin, und ich spürte, dass ich ihn aufhielt. Er wollte mich zum Kapitän bringen. Aber er erzählte trotzdem bereitwillig weiter: „Noch was: Der wichtigste Mann für dich ist der Funker, er hat nämlich die Kasse, aus der du dein Geld bekommst. Der Steward bringt dir das Bier hierher, wenn du es willst. Und deine Wäsche gibst du Wu, dem chinesischen Wäscher, der im Untergrund seine Wäscherei hat. Er ist sehr nett, spricht nur gebrochen deutsch, besser englisch, aber er kommt selten an Deck. Er versorgt deine Kleider hervorragend und sehr preiswert.“

„Gibt es etwas, was ich besonders beachten muß, so einbestimmtes Fettnäpfchen, in das ich nicht tappen darf?“ wollte ich wissen. Heinz überlegte kurz, dann sagte er mit gespieltem Ernst: „Ja, ganz wichtig ist, daß du am Sonntag hierher an diesen Tisch die Leitenden zum Frühschoppenbier einlädst, also den Kapitän, den Ersten Offizier, den Chief und den Professor, der das Forschungsprogramm leitet. Das ist ein ungeschriebenes Gesetz, so etwas wie der Ersatzgottesdienst beim Doktor.“ Heinz erhob den Zeigefinger, so als wollte die enorme Bedeutung dieses Ereignisses unterstreichen. Dabei sprach er weiter: „Sie erwarten das, wollen aber jeden Sonntag wieder neu eingeladen werden. Wenn du es vergisst, sind sie bestimmt beleidigt.“

„Na, das kann ich ja gerne machen!“ lachte ich. „Wenn das meine einzige Pflicht ist, geht´s mir ja gut. Also jetzt würde ich gerne den Kapitän kennen lernen.“

Wir verließen das Arztappartement und stiegen zur Kapitänskajüte hinauf. Dort begrüßte uns der Kapitän sehr freundlich und lud uns zu einem kleinen Drink ein. Wir plauderten eine Weile und fuhren dann mit einem Taxi in die Stadt zu einem Bummel.

Außerhalb der klimatisierten Schiffsräume traf uns die glühende Hitze des senegalesischen Hochsommers wie ein kräftiger Keulenschlag und ein heißer, nasser Waschlappen, der von einem warmen Föhn angeblasen wurde und doch nie trocknete. Die malerisch bekleideten Menschen bewegten sich in der unnachahmlichen Geschmeidigkeit der Schwarzen durch das Straßengewimmel von schrottreifen Autos, hupenden Taxis, kreuz und quer daher schießenden Fahrrädern, schreienden Kindern und feilschenden Markthändlern, die im Staub ihre Waren feilboten.

Wir ließen uns in dem lebhaften Alltagstrubel treiben, blieben da und dort stehen, schauten uns Auslagen an und fanden schließlich in einem sehr gepflegten Hotel einen lauschigen Platz unter Palmen im Garten, wo wir uns niederließen und gepflegt zu Abend aßen. Dabei erfuhr ich auch, daß Heinz jetzt am Ende seiner Wehrdienstzeit war und im nächsten Monat in München seine Weiterbildung zum Kinderarzt beginnen würde.

Ein Taxi brachte uns zu später Stunde zum Schiff zurück. In der vergangenen Nacht hatte ich im Flugzeug wenig geschlafen, und ich sank jetzt müde und erschöpft von den vielen neuen Eindrücken und dem ungewohnten Tropenklima rasch in den Schlaf.

Am nächsten Tag fanden wir für unseren Ausflug tatsächlich einen Taxifahrer, der uns für einen vorher vereinbarten Festpreis einen Tag lang die Landschaft zeigte. Als wir ihm sagten, dass wir auch gerne schwimmen würden, brachte er uns zu einem Neckermann-Urlaubszentrum südlich von Dakar, wo wir ein paar Stunden Ferien genossen.

Heinz musste noch packen, denn sein Flugzeug war für morgen geplant. Und ich nützte die Zeit, um mich auf und in dem Schiff umzuschauen und mit den Räumen und Wegen vertraut zu machen. Dabei lernte ich die Menschen an Bord kennen, und ich ließ mich gerne da und dort auf eine Unterhaltung ein.

Copyright Dr. Dietrich Weller

Ich habe die Geschichte in meinem Buch Als Schiffsarzt unterwegs – und andere ärztliche Kurzgeschichten veröffentlicht.

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