Reaktionsfehler in Krisensituationen

Was Menschen tun, um ein Problem zu lösen, ist oft genau das, was das Problem hervorruft. (Paul Watzlawick)

Dazu ein Beispiel: Ein Arzt sieht in einem bestimmten Verhalten seiner Patientin etwas, das der Beziehung abträglich ist. Er versucht deshalb ganz vorsichtig, dieses Verhalten zu korrigieren, wann immer es auftritt. Die Frau sieht aber in diesem Korrekturverhalten etwas, was ihrer Meinung nach besser vermieden werden sollte, da auch sie die Beziehung erhalten will. Sie beginnt deshalb auch ganz vorsichtig mit ihrem Korrekturverhalten. Damit beginnt die Eskalation.

Ein klassisches Beispiel lässt sich anhand von Suchterkrankungen aufzeigen. Jemand, der unter Stress ein bisschen Alkohol zur Entspannung trinkt, kann dazu neigen, immer mehr und häufiger zu konsumieren, um den Effekt zu erhöhen. Er wird süchtig. Und seine Ehefrau könnte die drohenden Konsequenzen am Arbeitsplatz des Ehemannes verhindern wollen. Deshalb deckt sie den Mann, wenn er morgens betrunken ist und nicht zur Arbeit gehen kann. Sie entschuldigt ihn in der Firma wegen Krankheit, verleugnet ihn am Telefon, bringt ihm möglicherweise sogar noch den Alkohol ans Bett. Sie sieht ihre Aufgabe darin, den Mann zu schützen und erreicht damit genau das Gegenteil: Er wird in seiner Sucht bestätigt und unterstützt, und sie wird zur typischen Co-Alkoholikerin.

Typische Reaktionsfehler

Belehrungen erinnern, wie schon früher gesagt, an den alten Oberlehrer in der Schule und verschlechtern die Kommunikation, weil der Angesprochene sich entwertet und gekränkt fühlt. Das gilt besonders für moralisierende Belehrungen.

Unhöflichkeit war noch nie ein Mittel, um echten Erfolg zu haben. Schon kleine Unhöf-lichkeiten sind ein sehr zuverlässiges Mittel, die Patientenzahl und das Ansehen einer Praxis und Klinik rasch zu reduzieren. Es werden wesentlich mehr Patienten wegbleiben, als Sie beleidigt haben. Daran merken Sie, wie wirkungsvoll der Außendienst Ihrer Patienten arbeitet.

Verallgemeinerungen widersprechen jeder individuellen Behandlung. Die individuelle Betreuung ist der allerwichtigste Wunsch des Patienten an das ganze Praxis / Klinikteam. In einer Zeit der wieder zunehmenden Rassendiskriminierung und nationalistischen Gesinnungsäußerungen sind ethnische und andere völkerbezogene verallgemeinernde Bemerkungen besonders gefährlich und schädlich für das Ansehen der Praxis / Klinik. Auch Verallgemeinerungen in Bezug auf Krankheitsbilder, Beschwerden und Verhaltensweisen verraten viel über Ihre Meinung.

Abwertende Vergleiche über Kollegen sind eine Form von Unhöflichkeit: Es macht ein sehr schlechtes Bild, wenn Sie versuchen, mit schlechten Äußerungen über Ihre Kollegen sich in irgendeiner Situation zu profilieren. Die Patienten sind häufig offen für solche Bemerkungen, können Sie weiter tragen (natürlich ein bisschen verschärft!), und schon haben Sie den Prozess oder zumindest einen erheblichen Ärger am Hals. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Diffamierungen oder geringfügige schlechte Äußerungen letztlich nur dem Angegriffenen helfen.

Es macht einen ausgeprägt schlechten Eindruck auf die Patienten, wenn sie erleben, wie Sie einen Kollegen, Ihre Helferin oder gar Ihre eigene Ehefrau abkanzeln. Das können Sie nur noch steigern, indem Sie vor dem Patienten über Ihre Ehefrau in deren Abwesenheit herziehen. (Das gibt es!) Diese Eindrücke haften sehr gut und werden oft als besondere Erlebnisse weitererzählt mit allen Ausschmückungen, die eines Stammtisches würdig sind.

Lassen Sie es nicht zu, dass Patienten bei Ihnen über einen Kollegen schimpfen. Sie wissen nicht, ob Sie selbst bald Zielscheibe des Unmuts sind. Wenn Sie dem Patienten auch noch beipflichten und abfällige Bemerkungen über den anderen Arzt machen, kann sich der Patient zwar im Moment bestätigt fühlen, er weiß aber auch, dass Sie indiskret sind und vielleicht bald auch über ihn selbst bei anderen Mitmenschen reden. Diese Blöße sollten sie sich nicht geben. Ich habe mir angewöhnt, negative Bemerkungen von Patienten über meine Kollegen lächelnd zu unterbrechen mit dem Satz: „Da bin ich gespannt, ob Sie mit meiner Betreuung zufrieden sein können.“ Dann lenke ich das Gespräch sofort auf die im Moment anstehende medizinische Frage und arbeite dort sachlich weiter.

Wenn Sie mit dem Verhalten des Kollegen nicht einig oder persönlich betroffen sind und die Angelegenheit wirklich wichtig ist, rufen Sie ihn an, bitten Sie ihn um ein Gespräch, und klären Sie die Angelegenheit unter vier Augen.

Auch bei abwertenden Vergleichen in Bezug auf Medikamente, die von Kollegen verordnet worden sind, sollten wir sehr zurückhaltend sein, denn manche Patienten identifizieren sich mit „ihren“ Heilmitteln und fühlen sich persönlich angegriffen, wenn ihr Kräutlein und ihr Arzt herabgesetzt werden. Ich denke, der Paracelsus-Satz „Wer heilt, hat Recht“ stimmt immer noch.

Gegenbeschuldigungen dienen nicht der Überzeugung des Gesprächspartners, sondern allenfalls der Eskalation. Besonders wenn Sie dem Anderen alle Schuld aufbürden und sich selbst die weiße Weste anziehen wollen. Damit erreichen Sie dieselbe emotionale Situation wie bei einer Scheidung, bei der die schmutzige Wäsche gewaschen wird.

„Ja, und …“ ist besser alsJa, aber …“. Darüber haben wir schon geredet. Nützen Sie die
Ideen und Energie des Partners für ein gemeinsames Projekt.

Diesen Artikel habe ich in dem Buch Ich verstehe Sie! Verständigung in Praxis, Klinik und Pflege veröffentlicht.

 

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