Bei Schwerkranken müssen wir an die Gefahr der Selbsttötung denken!


Der Gedanke an Selbstmord 
hilft über manche Nacht hinweg.

Friedrich Nietzsche (1844-1900), deutscher Philosoph

Sie können eine Diagnose nur stellen, wenn Sie an die Diagnose denken!

Hans Erhard Bock, ehemaliger Direktor der Medizinischen Universitätsklinik Tübingen

14.1 Daran denken! 
„>Schon allein die Angst vor einer schweren Krankheit kann beim Patienten in der Panik den Wunsch auslösen, seinem Leben aktiv ein Ende zu setzen. Wir müssen in jeder Phase der Krankheit an eine mögliche Selbstgefährdung des Patienten denken. Gleichzeitig gilt die Tatsache, dass das Suizidrisiko36 bei chronisch Kranken genau so hoch oder genau so niedrig ist wie bei Gesunden!

Im ersten Halbjahr 1996 haben sich in ganz Deutschland 6 164 Menschen selbst getötet, davon mehr als doppelt so viele Männer wie Frauen. Zum Vergleich: Im selben Zeitraum kamen 4 000 Menschen bei Verkehrsunfällen ums Leben. Wie auch im Vorjahr lag der Häufigkeitsgipfel der Selbsttötungen nicht, wie häufig vermutet wird, in den dunklen Monaten des Jahres, sondern im Mai. Im Januar 1996 waren es 887 und im Mai 1 138 Menschen, die sich das Leben nahmen.FN

14.2 Darüber sprechen!

Dabei ist es sehr wichtig, diese Gefahr anzusprechen! Dadurch steigt die Suizidgefahr nicht! Es besteht auch nicht die Gefahr, dass wir einen Menschen durch das Gespräch auf die Idee bringen, er könne jetzt sich selbst töten. Die Psychiater und Suizidforscher sind sich einig, dass es eine Art der Vorsorge darstellt, über Suizidgedanken zu sprechen anstatt den Patienten mit seinen Phantasien allein zu lassen. Wir müssen im Gespräch darauf hinweisen, dass Gedanken an eine Selbsttötung normal sind. Meist äußern Patienten ihre Gedanken deshalb nicht, weil sie Angst haben, als „verrückt“ eingestuft und sofort in die Psychiatrische Klinik eingewiesen zu werden. Diese Angst können wir Ärzte und Sie als Angehörige ihnen zum Beispiel mit den folgenden Sätzen nehmen: „Es ist normal, dass Menschen in Ihrem Zustand darüber nachdenken, ihr Leben selbst zu beenden. Geht es Ihnen auch so?“

Wir sollten das Wort Selbstmord im Gespräch vermeiden, da es in unserer Gesellschaft moralisch sehr negativ belegt ist und bei den Menschen, die darüber nachdenken, sich umzubringen, im allgemeinen große Schuldgefühle auslöst.

14.3 Die Entwicklung kennen! 
Um Menschen mit Suizidgedanken besser zu verstehen, möchte ich kurz darstellen, wie es meistens zu dieser Entwicklung kommt. Im allgemeinen stehen Kränkungen37 des Säuglings ganz am Anfang des Dramas. Das kleine Kind hat zum Beispiel den Wunsch, gefüttert zu werden und wird abgelehnt. Es empfindet diese Ablehnung als Kränkung und wehrt sich mit Geschrei. Wenn die Mutter ihre Art von Aggression beziehungsweise Zurückweisung weiterführt, entsteht eine neue Kränkung. Solche Beispiele reihen sich im Laufe eines Lebens aneinander, und das Kind und der Heranwachsende erleben immer wieder Aggression und Gegenaggression. Dabei ist wichtig, wie jeder ein-zelne Mensch diese Verweigerungen empfindet und ob er lernt, eine gewisse Frustrationstoleranz zu entwickeln, die ihm erlaubt, mit einem normalen Maß an unvermeidlichen und zumutbaren Zurückweisungen umzugehen, ohne daran Schaden zu leiden. Dazu ist ein gesundes Selbstwertgefühl notwendig.

Wenn aber immer mehr Kränkungen empfunden werden, auf die der Mensch nicht angemessen reagieren darf, er also seine eigene Aggression nicht zeigen darf, bleibt seine Aggressionsenergie sozusagen in ihm stecken. Und da Energie nicht verschwinden, sondern sich nur umwandeln kann, richtet sich schließlich die Energie gegen den gekränkten Menschen selbst. Man nennt das eine Aggressionsumkehr. Der Mensch wird „sauer“ und bekommt zum Beispiel ein Magengeschwür, weil auf Grund der inneren Erregung eine vermehrte Menge Magensäure produziert wird. Er „frisst alles in sich hinein“ und wird dabei von der eigenen Säure, dem Symbol für Aggression, aufgefressen und „ärgert sich ein Loch in den Magen“. In diesem sauren Magenmilieu gedeihen die Bakterien besonders gut, von denen wir seit einigen Jahren wissen, dass sie das Geschwür auslösen. Neu daran ist, dass das Magengeschwür eine Infektionskrankheit ist!

Je mehr ein Mensch sich gegen sich selbst wendet, um so mehr wird er alle Signale seiner Umwelt im Sinne einer Ablehnung deuten39 und diese auf Grund seines verminderten Selbstwertgefühles auch als gerechtfertigt empfinden. Weil er sich als nicht mehr lobenswert sieht, glaubt er auch, nicht mehr liebenswert zu sein. Schließlich konzentrieren sich seine Gedanken so sehr auf diese Einschränkungen und Kränkungen, dass er an nichts anderes mehr denken kann. Das bezeichnen wir als Einengung. Die Gedanken drehen sich im Kreis und werden immer enger und auswegloser. Der Mensch kann nur schwer wieder aus dieser Denkspirale herausfinden. Deshalb ist es problema-tisch für ihn, Hilfe zu erbitten, weil er sich selbst für viel zu wertlos hält, um der Hilfe wert zu sein.

Das ist auch der Grund, warum es so wichtig ist, den Menschen auf seine möglichen Suicidgedanken anzusprechen, um ihm sein Schuld- und Minderwertigkeitsgefühl wenigstens zu verringern und eine Gelegenheit zu geben, aus seinem Gedankenkarussell heraus zu finden und einen neuen Weg zu sehen.

Wenn zu der Einengung noch ein akutes Ereignis in Form einer zusätzlichen Kränkung auftritt, kann es zu intensiven Suizidgedanken und deren prompter Umsetzung kommen. Denn der Mensch erlebt sich jetzt nicht nur als nicht lobenswert und nicht liebenswert, sondern auch als nicht lebenswert. Er ist dann bereit, die Aggression, die er immer gespürt hat, gegen sich selbst anzuwenden. Deshalb muss man bei jedem Suizid fragen, wem denn der Mord wirklich gegolten hat. Dabei ist zu berücksichtigen, dass viele Gründe, viele Tropfen sich addieren, um das Fass zum Überlaufen zu bringen. Und dabei ist der erste genau so wichtig wie der letzte.

Der Patient sehnt sich danach, in die absolute Ruhe zurückzukehren, in der er glaubt, sich wohlzufühlen und vor Angriffen und Kränkungen sicher zu sein. Und er stellt sich vor, all das im Tode zu finden. Das ist eine besondere Form der Regression, also des Rückschritts in ein sehr frühes Entwicklungsstadium.

Mir fällt dabei Frau Schneider ein, eine alte Dame, die ich über mehrere Jahre im Altenheim betreut habe. Sie war aus den ehemaligen Ostgebieten geflohen, hatte im Krieg und auf der Flucht ihren Mann und alle fünf Kinder verloren und lebte jetzt mit einer typischen Altersdepression vor sich hin jammernd im Heim. Sie klagte nie über ihre Vergangenheit, sprach nicht über die vielen Verluste, sondern stellte ihre körperlichen Beschwerden wie Gelenkschmerzen, Kopfschmerzen und Schlafstörungen in den Vordergrund. Auch bei mehreren Gesprächen, in denen ich versuchte, an die Ursachen ihrer Depression zu kommen, erzählte sie nie etwas von der Tragik, die sie durchgestanden hatte. Obwohl ich jahrelang ihr Hausarzt war, erfuhr ich ihre Leidensgeschichte erst nach ihrem Tod. Die Depression war eine Möglichkeit für sie, ihre Aggression zu leben, die sie auf natürliche Weise nicht nach außen zeigen konnte, weil sie immer gelernt hatte, Erniedrigungen zu dulden und Kränkungen zu ertragen. Ihr schweres Schicksal lastete auf ihr, und keiner ahnte, welche explosive Kraft sich in ihr angestaut hatte.

Eines Tages sprang Frau Schneider aus dem vierten Stock des Heims in die Tiefe. Erst bei näherem Befragen des Pflegepersonals wurde deutlich, dass für sie die letzte und entscheidende Kränkung darin bestanden hatte, dass die Schwester ihr nicht sofort die Haare waschen konnte, als die Patientin es verlangte, sondern freundlich um einen Moment Geduld bat, weil zuerst eine andere Heimbewohnerin versorgt werden musste. So konnte ein kleiner Funke eine große Bombe zünden, weil sich genügend Sprengstoff angesammelt hatte.

Dieses Ereignis führte dazu, dass die Pflegedienstleiterin des Heimes mich bat, eine Reihe von Fortbildungsveranstaltungen für das Personal zum Thema Suizid und Suizid-Vorsorge abzuhalten.

14.4 Eine grundsätzliche Frage 
Ist es richtig, einen Prozess künstlich zu beenden, der nicht auf natürliche Weise beendet ist? Ich denke, jeder Einzelne muss seine Entscheidung selbst für sich treffen. Unsere Aufgabe als Mitmenschen besteht darin, Hilfe in der Verzweiflung anzubieten. Auch wenn wir die Probleme der schwer kranken Patienten nicht lösen können, stellt ein Gesprächsangebot schon eine Möglichkeit der Erleichterung dar. Dabei sollten wir bedenken, dass wir niemanden zum Gespräch zwingen können und respektieren müssen, wenn wir in einer gut gemeinten Unterhaltung nicht als Partner angenommen werden.

Ganz sicher bewirkt aber ein hoffnungsvolles Gespräch mit einem suizidgefährdeten Menschen eine Minderung der Suizidgefahr. Solange wir im Kontakt bleiben und miteinander reden, besteht Hoffnung, den schwerwiegenden Entschluss zum Suizid abzuwenden und dem Verzweifelten neue Perspektiven zu eröffnen.

Wir müssen uns klar darüber sein, dass wir einen Suizid nicht verhindern können, wenn der Patient wirklich entschlossen ist, seinem Leben ein Ende zu setzen. So tragisch das ist, und so viele Schuldgefühle in den Angehörigen nach solch einer Katastrophe entstehen mögen, müssen wir letztlich akzeptieren, dass wir auch mit modernsten medizinischen und psychotherapeutischen Mitteln nur begrenzte Möglichkeiten der Be-handlung und wirklichen Einschätzung der Gefährdung besitzen.

14.5 Das tragische Beispiel 
Ich habe als Klinikarzt im Notarztwagendienst Herrn Brenner kennengelernt, einen schwer depressiven Mann, der selbst das Rote Kreuz alarmiert und in seiner Verzweiflung um Hilfe gebeten hatte. Als wir in seiner Wohnung ankamen, trafen wir einen tief niedergeschlagenen und hilflosen Mann, der große Messer und eine bereits geknüpfte Schlinge auf den Tisch gelegt hatte. Der schwarze Anzug hing am Schrank. Über der Brust und den Armen von Herrn Brenner bluteten einige oberflächliche Schnitte, die er sich zugefügt hatte. Nach einem längeren Gespräch, das wegen seiner Depression von seiner Seite sehr zäh und langsam ablief, erreichte ich schließlich, dass er freiwillig in die Psychiatrische Klinik mitging, um sich dort behandeln zu lassen. Drei Wochen später sprach mich ein Rettungssanitäter an, der an jenem Sonntag alles miterlebt hatte. Er berichtete, er habe heute Herrn Brenner aus der Klinik abgeholt, weil dieser von den Ärzten als nicht mehr gefährdet eingeschätzt wurde und auch selbst um seine Entlassung gebeten hatte. Eine Stunde nach seiner Ankunft zu Hause stürzte sich Herr Brenner vom Balkon seiner Wohnung und war sofort tot.

14.6 Die Lehre daraus
Es ist ein Fehler zu glauben, wer immer über Suizid redet und ihn androht, begehe ihn nicht. Und es ist ebenso falsch, davon auszugehen, wer nichts rede und nach außen von seinen inneren Kämpfen nichts zeige, sei nicht gefährdet.

Ich denke, jeder Leser kennt die wahren Geschichten von Menschen, die immer so freundlich, völlig unauffällig und ausgeglichen gewirkt haben und deshalb eines Tages um so unerwarteter irgendwo tot aufgefunden wurden. Die nähere Erforschung der Todesursache ergab eine Selbsttötung.

Ich halte es für falsch, solche Menschen für ihre Tat zu verurteilen. Ich kann gut nachvollziehen, dass wir Überlebenden enttäuscht, verbittert, ratlos wütend und traurig über eine solche tödliche Entscheidung eines nahestehenden Menschen sind. Aber ich denke, wir haben kein Recht, weder ein moralisches noch ein religiöses, ihn deshalb menschlich abzulehnen. Aufgrund unserer Eigenverantwortung wird jeder Mensch auch die Konsequenz erleben und erfüllen müssen, gleichgültig, ob es eine Wiedergeburt gibt oder nicht.

Leider ist es auch so, dass wir letztlich einen Suizid nicht verhindern können, wenn ein Mensch fest entschlossen ist, sein Leben wirklich aktiv zu beenden. Wir müssen das akzeptieren, auch wenn es uns noch so schwer fällt und wir alles tun, um eine solche Tat zu verhindern.

Ich denke, es führt nie zu einem guten Ergebnis, wenn wir einem anderen Menschen Schuld aufladen. Die „Motivation“ mit Schuld ist eine der gemeinsten und wirkungsvollsten Methoden, einen Mitmenschen klein und unselbständig zu halten. Er hat keine Chance, aus eigenem Antrieb konstruktiv zu sein. Wenn Sie einen Menschen mit Schuld unterdrücken, machen Sie sich selbst zum Unterdrücker. Wollen Sie, dass das bekannt wird?

Welches Motiv hat ein Beschuldiger, dem Mitmenschen Schuld aufzuladen, die diesen niederdrückt und ganz bestimmt nie aufrichtet? Meiner Meinung nach stellt die Verteilung von Schuld immer eine Machtbestrebung dar, in der ein Beschuldigter der Unterlegene ist und der Beschuldiger sich manchmal sogar unter dem zynischen Vorwand, es ja nur gut zu meinen, über den angeblich Schuldigen stellt.

Aus einer schuldbeladenen Seele können keine freien Gedanken und keine echte Eigeninitiative wachsen. Ich bin in der täglichen Praxis und in privaten Begegnungen immer wieder erschüttert über die katastrophalen Folgen, die eine Schuld aufbürdende Erziehung für das ganze Leben hervorruft. Statt dessen halte ich es für viel angemessener, darüber nachzudenken, welche Qualen und peinigenden Überlegungen in einem Menschen abgelaufen sein müssen, der sein Leben selbst beendet hat. Es steht fest, dass die meisten Menschen, die Suizid begehen, wirklich gerne leben wollen, aber eben nicht unter den Bedingungen, die sie bedrücken.

Ich will nicht darüber diskutieren, ob ein Mensch das Recht hat, sich das Leben zu nehmen. Denn das ist meines Erachtens eine Glaubensfrage, und jeder sollte für sich entscheiden. Ich finde es auch nicht richtig, wenn wir versuchen, unsere eigene Meinung einem anderen Menschen aufzuzwingen, und schon gar nicht mit der Last der Schuldgefühle. Ich glaube, es ist auch unehrlich, einem Menschen Vorwürfe über seine Suizidgedanken oder Suizidversuche zu machen. Diese Vorhaltungen entspringen häufig der eigenen Erschütterung und Hilflosigkeit oder der Betroffenheit, sich selbst für Versäumtes schuldig zu fühlen. Denn ich glaube, es gibt keinen Menschen, der nicht schon darüber nachgedacht hat, wie es denn wäre, wenn er sich selbst das Leben nehmen würde. Das ist normal.

Wichtig ist, wie wir mit diesen Gedanken umgehen, wie wir wieder zum Leben zurückfinden und die Kraft spüren, weiterzuleben und den Mut zu haben, dem nächsten Tag wieder offen zu begegnen. Das können wir schaffen, wenn wir einem gefährdeten Menschen in dem dunkelsten Moment seiner Existenz wenigstens einen kleinen Schimmer vom Licht der Freundschaft, der Liebe oder des Glaubens vermitteln.

Die Chinesen haben das Sprichwort: „Ein Wort, das von Herzen kommt, macht dich für drei Winter warm.“ Dazu genügt es manchmal, einfach da zu sein und nicht zu kritisieren und nicht zu den vielen bereits erlittenen Kränkungen noch die Erniedrigung der Verständnislosigkeit und der Vorwürfe hinzuzufügen.

Es kann hilfreich sein, dem niedergedrückten Menschen zu zeigen, dass wir ihn annehmen mit all seinen Schwächen und Unzulänglichkeiten und versuchen, ihm bedingungslose Liebe zu zeigen. Denn die wahre Liebe kennt keine Bedingungen, sondern nimmt den Menschen, wie er ist.

Gerade in diesen Verzweiflungssituationen kann aus diesem Funken Vertrauen und Zuwendung eine neue Hoffnung erwachsen, dass wir von Mitmenschen angenommen und von einer höheren Macht getragen werden und dass schwierige Lebenslagen immer auch eine Quelle für Neuentwicklungen darstellen.

14.7 Die Entscheidung, die Sichtweise zu wählen 
Das griechische Wort krisis bedeutet Wendepunkt, Höhepunkt, Entscheidung. In der chinesischen Schrift wird das Wort aus den beiden Wörtern Chance und Gefahr zusammengesetzt. Es sieht also aus wie eine Gleichung:

Krise = Chance + Gefahr

Wenn wir darüber nachdenken, stellen wir fest, dass sich dahinter eine einfache und richtige Philosophie verbirgt. In jedem Konflikt stecken immer die Möglichkeiten zur Weiterentwicklung, zum inneren Wachs-tum und zu neuen weiterführenden Erkenntnissen. Im ganzen Universum gibt es keine Entwicklung, die ohne eine Herausforderung, eine Krise, ein Problem entstanden ist. Alle Eigenschaften, die Pflanzen, Tiere und Menschen im Laufe der Jahrtausende entwickelt haben, sind aus Krisen entstanden, zum Beispiel aus der Notwendigkeit zu überleben, sich gegenseitig zu unterstützen, sich zu verteidigen, miteinander zu kommunizieren.

So können wir unter diesem Gesichtspunkt überlegen, dass die Krise, in der wir stecken, mit Sicherheit eine solche Chance birgt. Dann stellt sie eine lösbare Aufgabe, eine lohnende Herausforderung, eine Gelegenheit zum Gewinn dar. Wenn wir aber die Gefahrenseite in unserer Vorstellung überwiegen lassen, sehen wir den drohenden Untergang, die vernichtende Lage, die hoffnungslose Katastrophe.

14.8 Das Gefühl gewinnt!
Wie wir uns einstellen, wird es geschehen. Ich will auch bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen, dass Angst eine hervorragend wirksame Beeinflussung des Unterbewusstseins darstellt, dass genau das geschieht, wovor wir uns fürchten. Denn unser Unterbewusstsein speichert die stark gefühlsbeladenen Bilder, die wir uns von der gefürchteten Situation machen und führt uns genau dahin.

Es ist auch eine bekannte Tatsache: Wenn Gefühl und Verstand miteinander streiten, gewinnt letztlich immer das Gefühl. Auch wenn es erst sehr spät und dann zum Beispiel mit körperlichen Symptomen siegt. Es ist also wichtig, dass wir darüber nachdenken, was wir wollen und nicht uns vorstellen, was wir nicht wollen. Auch in der verzweifelten Lage eines Schwerkranken, der mit Suizidgedanken belastet ist, weil er keinen Ausweg sieht, kann es gelingen, Hoffnung aufzuzeigen.

In der täglichen Sprechstunde und am Krankenbett hilft mir immer wieder das Gesetz des Glücks, das ich an den Beginn des Buches gestellt habe. Auch wenn es schwerfällt, etwas zu ändern oder etwas als unveränderbar anzunehmen und die Einstellung zu verändern, sind dies die einzigen wirklichen -wirkenden! – Möglichkeiten, sinnreich und wirkungsvoll mit einer konfliktbeladenen Situation umzugehen.


36 Suizid kommt von lat. sui caedere und bedeutet wörtlich: „sich selbst fällen“

FN Deutsches Ärzteblatt, 21. März 1997, zit. nach Satistisches Bundesamt

37 Beachten Sie bitte die wörtliche Bedeutung: Kränkung heißt Krankmachung!

39 Sie erinnern sich: Unsere Wahrnehmung verändert unsere Wahrnehmung!

Copyright Dr. Dietrich Weller

Dieses Kapitel steht in meinem Buch „Wenn das Licht naht“

Dieser Beitrag wurde unter Prosa abgelegt und mit , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.