Besonders kurze Kurzgeschichten (2)

Der Sinn dieser Geschichten liegt darin, mit möglichst wenigen Worten einen Film im Kopfkino und Gefühle im Gemüt des Lesers entstehen zu lassen.

Kindliche Logik

Die Familie fuhr an einer Autobahnbaustelle vorbei, wo eine große Teermaschine einen neuen Straßenbelag verlegte. Der Fünfjährige sagte: „Das ist aber eine große Maschine! Wie groß muss die Maschine sein, die diese Maschine macht!“

Tattoo, Piercing und Co.

Ich wundere mich, wie viel Geld und Zeit manche Menschen aufwenden und wie viel Schmerzen sie ertragen, um hässlich und unnatürlich zu werden.

Hilfsbereitschaft

Mein Vater, ein niedergelassener Kinderarzt, machte spät abends noch einen Hausbesuch beim Enkelkind eines sehr reichen Bauern, der aus Geiz Fußlappen trug.
„Doktor, wenn Sie jetzt noch einen Besuch machen, verdienen Sie aber einen Haufen Geld!“ –
„Ach, wissen Sie“, sagte mein Vater lachend, „ich habe nicht einmal Zeit, es auszugeben.“
„Dann bringen Sie es mir! Ich mach´ Überstunden!“

Erfahrung

Als der vernichtende Schlag bis auf zwei Menschenaffen alles Leben ausgelöscht hatte, sagte der eine Affe: „Dieses Mal sollten wir uns nicht weiterentwickeln!“

Tatsache

Es gibt keine Spezies außer dem Mensch, die Angehörige der eigenen Spezies absichtlich massenhaft vernichtet. Und dann behauptet sie auch noch, sie mache das, um den Frieden zu wahren.

Undank ist der Welt Lohn – Eine wahre Geschichte aus der Sprechstunde

Eine Frau mittleren Alters kam nach einem längeren Klinikaufenthalt zu mir. Sie brachte einen langen Arztbrief mit, in dem ein sehr komplizierter und lebensgefährlicher Krankheitsverlauf beschrieben war.
Ich sagte anerkennend: „Da haben Sie aber viel durchgemacht! Und die Ärzte haben Ihnen wirklich geholfen!“
Sie entgegnete wütend: „Herr Doktor! Das ist ein Scheißkrankenhaus!“
Ich verblüfft: „Warum das denn?“
Sie: „Da hat doch tatsächlich die Schwester morgens vergessen, mir einen Löffel zum Joghurt zu bringen!“

Einfache Frage

„Papa, wenn du Mama und Peter und mich hauen darfst, warum dürfen wir dann dich nicht hauen?“

Ein Witwer erinnert sich

„Das Schlimmste an den letzten beiden Jahren mit meiner krebskranken Frau war, dass wir nicht ehrlich zueinander waren. Ich habe ihr vorgespielt, dass sie wieder gesund wird, obwohl ich wusste, dass sie sterben wird. Und sie tat so, als glaube sie das. Wir wollten uns gegenseitig nicht wehtun. Unsere letzten Monate waren von der Lüge gezeichnet. – Das ist ein Fehler, den ich mir nicht verzeihe – der schwerste meines Lebens. Dabei hatten wir vorher so eine glückliche und ehrliche Ehe. Während der Krankheit hätten wir die Chance gehabt, sie unter den erschwerten Bedingungen zum Gipfel zu führen, sie inniger, aufrichtig und mit erhobenem Haupt zu einem erfüllten Ende zu bringen. So, wie es jetzt ist, werde ich immer ein Schuldgefühl mit mir schleppen und das Gefühl, als Partner versagt zu haben.“

Japanisches Sprichwort

Wer nichts zur Lösung eines Problems beiträgt, ist wahrscheinlich ein Teil des Problems.

Ein wichtiger Lehrsatz für mich

Als junger Arzt kurz vor meiner Niederlassung in der eigenen Praxis hatte ich das Glück, in der Chirurgischen Klinik des Kreiskrankenhauses Leonberg mit Herrn Dr. Ernst Haaf zusammenarbeiten zu dürfen. Er war Oberarzt und hatte eine Spezialsprechstunde für Brustkrebs-Patientinnen eingeführt. Später war er Mitbegründer des Leonberger Hospizes. Außerdem war er ein Schriftstellerarzt und veröffentlichte großartige Bücher über die Zeit, in der er als Arzt in Afrika gearbeitet hatte, und über die Geschichte der Krankenhäuser im Kreis Leonberg. Sein letztes Buch über das Leonberger Hospiz stellte selbst noch vor  – wenige Wochen, bevor er in diesem Hospiz starb.

Eines Tages fragte ich ihn in seiner Sprechstunde: „Sagen Sie allen Frauen die Wahrheit?“

Er blickte mich sehr ernst an und antwortete: „Ja, ich sage allen Frauen die Wahrheit. Erstens bin ich Christ und denke schon deshalb, dass ich nicht lügen darf. Und zweitens habe ich so ein schlechtes Gedächtnis, dass ich morgen nicht mehr wüsste, welcher Frau ich die Wahrheit gesagt und welche ich angelogen habe.  Die Patientinnen wissen ohnehin intuitiv, was die Stunde geschlagen hat. Sie sind enorm empfindsam. Und ich nehme mir Zeit, auf die Reaktion der Frauen  einzugehen. Damit bin ich bis jetzt am besten gefahren.“

Diese Antwort ist für mich einer der wichtigsten Leitsätze meines Lebens und meiner Arbeit geworden.

 

Der Banker beim Arzt

„Sie wollen ja Fakten hören. Ich muss Ihnen leider sagen, dass Sie eine sehr schwere Krankheit haben, die auch mit der modernsten Medizin nicht geheilt werden kann. Sie werden daran bald sterben!“
„Machen Sie was, Doktor, Sie wissen doch: Geld spielt keine Rolle!“-
„Richtig: Bei dieser Krankheit spielt Geld keine Rolle. Deshalb sollten Sie die bleibende kurze Zeit nützen, sich auf die Dinge vorzubereiten, die mit Geld nicht zu regeln sind.“

 

Copyright Dr. Dietrich Weller

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