Wie können die Kranken neue Ziel anstreben?

 

Der Weg ist das Ziel.

Lao-tse, chinesischer Philosoph

Suche nicht den Schuldigen. Löse das Problem.

Japanisches Sprichwort

Wissen und nicht danach handeln heißt noch nicht wissen.

Buddhistische Weisheit

13.1 Einleitung 

Jede Krankheit hat auch positive Seiten, wie wir im Kapitel 5 besprochen haben. Dazu kommen noch andere Gesichtspunkte, die entscheidend für den weiteren Verlauf der Krankheit sind. Jede Krankheit stellt eine Chance dar, Bilanz zu machen und neue Prioritäten zu setzen, neue Aktivitäten zu beginnen und andere Dinge zu lassen. Entscheidende Fragen hierzu können weiterhelfen, um Klarheit zu gewinnen. Diese Fragen sind auch sehr aufschlussreich für Schwerkranke, die wieder gesund werden, denn die daraus folgenden Erkenntnisse führen meist zu einem völlig veränderten Lebensstil und neuen Lebensziel nach der Genesung.

Ein Mensch, der sich in einen Herzinfarkt hinein getrieben hat, wird mit großer Wahrscheinlichkeit nach ehrlicher Beantwortung der folgenden Fragen sein Leben nach der Krankheit ändern. Das gilt auch dann, wenn die Änderung nur darin besteht, dass er sich in Zukunft wenigstens seiner Fehler bewusst ist, wenn er sie wieder macht.

13.2 Praktische Übungen 

Wenn Sie Ihre Überzeugungen hinterfragen wollen, die Ihr Denken und Handeln, also Ihr Leben prägen, empfehle ich Ihnen, in einer ruhigen Stunde die folgenden Testfragen zu beantworten. Dr. Simonton hat sie 1992 bei dem Kongress für Holistische33 Medizin in Garmisch-Partenkirchen vorgestellt. Ich habe sie häufig in der Praxis mit Patienten besprochen und bin mit diesen dabei auf sehr interessante, gewichtige und weiterhelfende Erkenntnisse gekommen.

Schreiben Sie sich wesentliche Überzeugungen auf, die Ihr Leben geprägt haben, nach denen Sie in der Vergangenheit gelebt haben und die Sie heute noch haben. Versuchen Sie, möglichst klare und kurze Sätze zu formulieren.

Zum Beispiel:

– Ich bin erfolglos.
– Ich bin hässlich.
– Ich falle in Prüfungssituationen durch.
– Ich bin ein guter Partner.
– Ich bin in Krisen unzuverlässig.
– Ich bin in meinem Beruf sehr gut.
– Meine Partnerin steht auch in der Not zu mir.

Dann gehen Sie jede Überzeugung mit den folgenden Fragen durch.

Testfragen für Patienten über ihre wesentlichen pathologischen34 Überzeugungen

1.    Beruht diese Überzeugung auf Tatsachen?
(nicht bei religiösen und spirituellen Überzeugungen)

2.    Schützt diese Überzeugung mein Leben und meine Gesundheit?

3.    Hilft mir diese Überzeugung, meine Kurz- und Langzeitziele zu erreichen?

4.    Hilft mir diese Überzeugung, meine schlimmsten Konflikte zu lösen oder zu
vermeiden?

5.    Hilft die Überzeugung, mich zu fühlen, wie ich mich fühlen will?

Mindestens 3 Fragen müssen bei jeder Überzeugung mit „ja“ beantwortet werden, sonst ist es eine ungesunde Überzeugung.

Wenn Sie feststellen, dass Sie pathologische Überzeugungen haben, sollten Sie neue, gesunde und positiv formulierte Überzeugungen an deren Stelle entwickeln, aufschreiben und deren Umsetzung mindestens dreimal täglich in entspanntem Bewusstseinszustand visualisieren. Dazu empfehle ich Ihnen die Bücher und Kassetten von Simonton.

Wie solch eine Visualisierungsarbeit praktisch abläuft, habe ich am Beispiel von Achim Krüger in meinem Buch „Wenn der Herbst zum Frühling wird“ ausführlich beschrieben.

Der Begriff positiv formuliert bedeutet, dass Sie sagen, was Sie wollen und nicht, was Sie nicht wollen. Also nicht: „Ich will nicht mehr krank sein!“ sondern „Ich will gesund sein!“ Das setzt voraus, dass Sie wissen, was Sie wollen. Sehr viele Menschen wissen aber nur, was Sie nicht wollen. Das ist ein grundlegender Unterschied der Erziehung und der Denkweise. Wenn Sie wissen, was Sie wollen, sind Sie gewohnt, die Verantwortung für sich zu übernehmen. Wenn Sie wissen, was Sie nicht wollen, haben Sie sich in der Vergangenheit meistens oder immer von Respektpersonen leiten lassen und selten oder nie wirklich die Verantwortung für ihr Leben übernommen. Hilfreich für diesen geistig-seelischen Entwicklungsprozess besonders bei der Bewältigung des Sterbeprozesses sind auch die folgenden Fragen35:

–     Was für ein Gefühl hätte ich über mein Leben, wenn ich heute sterben würde?
–     Was ist mir wirklich wichtig gewesen?
–     Wen habe ich geliebt?
–     Was habe ich erreicht?
–     Was wird von mir bleiben, wenn ich tot bin?
–     Was werde ich ändern, wenn ich gesund werde?

Die ehrliche Beantwortung dieser Fragen ergibt neue Perspektiven, neue Lebensqualität und neues Lebensbewusstsein und Anregungen für Aktivitäten, gleichgültig, wie lange Sie noch zu leben haben. Diese Überlegungen können aber nur konstruktiv sein, wenn der Kranke bereit ist, klare Vorstellungen zu entwickeln, selbst aktiv etwas für sich zu tun und dann erst die letzte Entscheidung zu übergeben.



33 holistisch = ganzheitlich

34 pathologisch = krankhaft, schädlich

35 Simonton: Heilung in der Familie, Rowohlt-Verlag

 

Copyright Dr. Dietrich Weller

Der Artikel steht in meinem Buch „Wenn das Licht naht“

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