Zeichensprache in der Apotheke

Am nächsten Morgen ließ ich mich zuerst von einem Taxi in die Stadt bringen, weil ich in der Apotheke Isopropylalkohol zum Desinfizieren besorgen wollte. Da ich in der Schule kein Französisch gelernt hatte, dies aber im Senegal Umgangssprache ist, hoffte ich auf einen englisch sprechenden Apotheker. Aber ich hatte kein Glück. Mein französisch zusammengestoppelter Satz: „Je suis le docteur de le batteau Meteor“ war völlig ungenügend für den gezielten Einkauf.

Deshalb versuchte ich meine Aufgabe mit Zeichensprache zu bewältigen und erlebte mehrere sehr interessierte und amüsierte Angestellte in der Apotheke, die mir begeistert und ratend zuschauten und mich überhaupt nicht verstanden. Auch das Wort „Isopropylalkohol“ verstand wohl keiner.

Aber für diesen Fall war ich vorbereitet. Ich nahm ein Blatt Papier, zeichnete mit ein paar Strichen ein Schiff mit dem Namen Meteor, einen Mann mit einem Äskulap-Stab und deutet auf mich. Dann malte ich mit einem Pfeil versehen ein Pharmacie-Schild in das Schiff. Aha, jetzt leuchteten die Augen des Apothekers! Das war ja schon mal gut! Dann deutete ich auf die vielen Flaschen, die hinter ihm im Regal standen und sagte “Isopropylalkohol“. Ich hatte erwartet, daß er das versteht, denn es handelt sich schließlich um einen international wohlbekannten Namen.

Der Mann in seinem weißen Kittel machte große Augen, die mir zeigten, dass er mich gerne verstehen und sicherlich mir auch helfen würde, wenn er nur wüsste, womit. Also, neuer Versuch: Ich zeichnete die chemische Formel von Isopropylalkohol auf, die ich glücklicherweise noch vom Studium wusste, und er schaute interessiert darauf: „Oh, le composition chemical!“ Er überlegte kurz und strahlte plötzlich. Jetzt hatte er endlich begriffen!

Er drehte sich zum Regal um, holte zielsicher eine Flasche heraus, stellte sie auf den Tisch und schaute mich fragend an. Das Etikett darauf zeigte, dass er meine Botschaft richtig verstanden hatte. Ich lachte zuerst, dann lachten wir beide, und ich hatte den Eindruck, dass er sich über unseren gemeinsamen Erfolg ebenso freute wie ich. Alle Menschen um uns herum, die unser fast wortloses Schauspiel verfolgt hatten, klatschten. Ich bezahlte und verließ dankbar den Laden. „Merci!“ wusste ich, und das sagte ich ihm bei meiner Abschiedsverbeugung. Dieses Verständigungsspiel hatte richtig Spaß gemacht!

Ich brachte die Flasche zum Schiff zurück und bat den Taxifahrer, kurz auf mich zu warten, um dann gemeinsam zur Vanguard weiterzufahren.

 

Diese Geschichte habe ich in dem Buch Als Schiffsarzt unterwegs – und andere ärztliche Kurzgeschichten veröffentlicht.

 

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