Öffentliches Manifest: Psychotherapeuten gegen Trumpismus (Übersetzung von Dr. Dietrich Weller)

Ein öffentliches Manifest

Psychotherapeuten gegen Trumpismus

(Quelle: www.citizentherapists.com/manifesto)

Dieses Manifest wurde von über 3900 amerikanischer Psychotherapeuten unterschrieben. Die Namen stehen unter dem Originaltext.

Als Psychotherapeuten, die in den USA arbeiten, sind wir alarmiert durch das Anwachsen der Trumpismus-Ideologie, die wir als Bedrohung für das Wohlbefinden der Leute betrachten, um die wir uns sorgen, und für die amerikanische Demokratie an sich.

Wir können nicht still sein, da wir Zeuge eines Aufstieg einer amerikanischen Form von Faschismus sind.

Wir können uns diese Phase der Krise zunutze machen, um unser Bekenntnis zur amerikanischen Demokratie zu vertiefen.

Was ist Trumpismus?

Trumpismus ist eine Ideologie, nicht eine Einzelpersönlichkeit, sie kann sehr wohl andauern und nach der amerikanischen Wahl wachsen, selbst wenn Donald Trump die Wahl verliert. (Varianten können über ganz Europa beobachtet werden.)

Trumpismus ist eine Sammlung von Gedanken über das öffentliche Leben und eine Sammlung von öffentlichen Verhaltensweisen, die charakterisiert sind durch:

  • Gruppen von Menschen zum Sündenbock zu machen und zu beschimpfen, die als Bedrohung angesehen werden, einschließlich Einwanderern und religiösen Minderheiten
  • Absetzen, lächerlich machen und erniedrigen von Rivalen und Kritikern
  • Stärken einer Kults des Starken Mannes, der
    • Angst und Wut bewirkt,
    • verspricht, unsere Probleme zu lösen, wenn wir ihm vertrauen
    • die Geschichte neu erfindet und sich wenig um die Wahrheit schert
    • sich nie entschuldigt oder Fehler zugibt, die Konsequenzen haben
    • keinen Bedarf sieht für vernünftiges Zureden
    • Frauen unterdrückt, während er behauptet, sie zu idealisieren.
    • öffentliche Institutionen wie Gerichte verachtet, wenn sie sich nicht dienstbar zeigen
    • nationale Macht höher bewertet als internationales Recht und Respekt für andere Nationen
    • öffentliche Gewalt von Unterstützern entflammt und entschuldigt

Auf der politischen Ebene ist Trumpismus eine aufstrebende Form des amerikanischen Faschismus. Diesen Standpunkt vertreten Sozialkritiker über das ganze politische Spektrum hinweg, einschließlich Robert Reich, Robert Kagan und Andrew Sullivan. Wie der Journalist Adam Gopnik ausführt, ob der Begriff Faschismus vollständig passt oder nicht, ist es klar, dass die amerikanische Republik einer klaren und gegenwärtigen Gefahr gegenüber steht, wenn der Kandidat einer großen politischen Partei eine antidemokratische Ideologie ergreift.

Auf der kulturellen Ebene hat das Urban Dictionary Trumpismus definiert als „das Glaubenssystem, das überhebliches, narzisstisches Benehmen ermutigt als einen Weg, um Geld, Ansehen und Macht zu erhalten“.

Was sind die Effekte des Trumpismus?

  1. Angst und Entfremdung in Gruppen, die zu Sündenböcken gestempelt wurden, angefangen mit Latino-Einwanderern und Moslems, und weiter andere Gruppen, die als Bedrohung ausgemacht wurden.
  2. Übersteigerte Männlichkeit als kulturelles Ideal, mit besonderem Einfluss auf jungen Menschen und wirtschaftlich unsichere Männer.
  3. Verrohung des öffentlichen Lebens durch persönliche Angriffe auf diejenigen, die anderer Meinung sind.
  4. Auflösung der amerikanischen demokratischen Tradition, die die Wirksamkeit des Wir-das Volk betont hat anstelle der Tradition der Macht des starken Mannes.

Woher kam der Trumpismus?

Diese Frage ist größer als Donald Trump. Die nächste öffentliche Person, die die Welle des Trumpismus ergreift, kann wenig clownig sein und eine bessere Veranlagung von Fähigkeiten haben, um eine Bewegung aufzubauen, und kann dadurch noch gefährlicher sein. Die folgende unvollständige Liste von Kräften bildet die Grundlage des Trumpismus:

  • Wirtschaftliche Unsicherheit, besonders unter Amerikanern aus der Arbeiterklasse
  • Die Bedrohung des Terrorismus seit dem 11.09.
  • Angst vor Einwanderern (bezogen auf wirtschaftliche Unsicherheit und Bedrohung durch Terrorismus)
  • Misstrauen gegenüber der Regierung und Politikern in einer Zeit von polarisiertem Stillstand
  • Rascher kultureller Wandel, der viele Menschen verwirrt und entfremdet zurückgelassen hat.

Warum Therapeuten sich äußern müssen.

Wir müssen uns einsetzen für das Wohlergehen der Menschen, die wir behandeln und um die wir uns in unserer Arbeit kümmern. Trumpismus wird die seelische Gesundheit derjenigen untergraben, die als „das andere Amerika“ betrachtet werden –sowohl historisch verunglimpfte Gruppen und solche, die noch dran kommen. Und es wird die Unversehrtheit derer umfassen, die von der Illusion verführt worden sind, dass echte Amerikaner nur dann Gewinner werden können, wenn andere Verlierer werden. Die öffentliche Redeweise des Trumpismus erklärt zur Normalität, wogegen Therapeuten in unserer Arbeit streben: Den Hang, andere in unserem Leben die Schuld aufzuladen für unsere persönlichen Ängste und Unsicherheiten und dann gegen diese zu kämpfen anstatt den gesünderen, aber schwierigeren Weg der Selbst-Bewusstseins und der Selbst-Verantwortung zu wählen. Trumpismus erklärt auch eine Art von Über-Männlichkeit zur Norm, die das Gegenteil ist von einem erprobten Leben und gesunden Beziehungen, zu denen die Psychotherapie den Menschen verhilft. Einfach gesagt: Trumpismus passt nicht zu einer emotional gesunden Lebensweise – und das müssen wir öffentlich erklären.

Wir müssen uns für das Wohlergehen unserer Demokratie aussprechen, die sowohl eine Lebensform darstellt als auch ein Miteinander-Handeln und eine Form der politischen Institutionen. Therapeuten haben es für gesichert gehalten, wie unserer Arbeit sich auf eine demokratische Tradition verlässt, die den Menschen ein Gefühl der persönlichen Handlungsfähigkeit gibt, um neue Darstellungsformen zu schaffen und persönliche und kollektive Verantwortung für sich selbst, ihre Familie und ihre Gemeinden zu übernehmen. Das Vertrauen auf den starken Mann, der unsere Probleme löst und mit internen und externen Feinden umgeht, stellt eine direkte Bedrohung der demokratischen Grundlagen der Psychotherapie dar. Therapie gedeiht nur auf demokratischem Boden.

Warum äußern wir uns gemeinsam?

Unsere Reaktion war bisher vorwiegend persönlich und zu oft begrenzt auf Stammtisch-Diagnosen über Donald Trump.  Aber eine kollektive Krise konfrontiert unsere Nation, ein Rückblick auf unsere wirtschaftliche Depression und Demoralisierung in den 1930-er-Jahren (die den europäischen Faschismus genährt hat!) und der Aufruhr über Jim Crow und die Bürgerrechte der Schwarzen in den 1950-er-Jahren. Glücklicherweise führte die Lösung dieser Krisen zu einer Vertiefung der amerikanischen Demokratie und nicht zu ihrer Abschaffung. Martin Luther King, beeinflusst von seinem Mentor Bayard Rustin und von dem Theologen Reinhold Niebuhr hat nicht einfach ungerechte Systeme von außen kritisiert. Er rief nach strategischer kollektiver Arbeit, um eine amerikanische Demokratie zurückzugewinnen, die dem ganzen Volk gehört.

Als Therapeuten hat uns die Gesellschaft mit kollektiver Verantwortung betraut im Bereich der geistigen Gesundheit und der Gesundheit von Verhalten und Beziehungen. Wenn es eine öffentliche Bedrohung unserer ureigenen Verantwortung gibt, müssen wir uns miteinander äußern, nicht nur um zu protestieren, sondern um unser Bekenntnis zu genau dieser Gesellschaft und einem demokratischen Lebensstil zu bekräftigen. Das bedeutet, Psychotherapeuten zu sein, die sowohl um das Wohlergehen der Gemeinschaft als auch um das persönliche Wohlergehen besorgt sind, da beide untrennbar miteinander verbunden sind.

Wo wir stehen als Psychotherapeuten

Wir verstehen den Anreiz des Trumpismus, und wir anerkennen, dass einige unserer Bürger und unserer Klienten für Trump gestimmt haben, nicht nur weil sie alle Aspekte des Trumpismus akzeptieren, sondern weil sie über ihre Umstände frustriert sind und das gegenwärtige politische System satt haben. Wir sind gegen Trumpismus und seine Architekten, nicht gegen diejenigen, die geneigt sind, ihm eine Chance zu geben, um die Richtung unseres Landes zu verändern.

Aber wir weisen die falsche Gleichung zurück zu sagen, weil es Unehrlichkeit und Demagogie auf allen politischen Seiten gibt, warum sollte man dann nicht jemand von außen unterstützen. Trumpismus ist qualitativ anders. Um es zu wiederholen: Trumpismus untergräbt den Kern der amerikanischen Demokratie durch Unterstützung der Idee eines einzelnen Führers, der Größe der Nation bringen wird, indem er Jene Leute bekämpft. Demokratie erfordert persönliche und kollektive Handlungsfähigkeit, sodass wir miteinander über Differenzen hinweg arbeiten können, um Probleme zu lösen und eine geteilten Lebensform zu entwickeln. Psychotherapeuten müssen fest auf der Seite der Demokratie stehen und in Solidarität mit den Gruppen arbeiten, die durch gegenwärtige und zukünftige Formen des Trumpismus bedroht werden. Diese Arbeit endet nicht mit der Wahl. Der Weckruf wurde empfangen. Unsere erste Antwort ist dieses Manifest. Mehr folgt.

Deshalb stehen wir als Psychotherapeuten vereint gegen die gefährliche Ideologie de Trumpismus, und wir ermutigen andere, sich uns anzuschließen in einem vertieften Bekenntnis zu einer demokratischen Lebensweise, die die Talente, Wünsche und Fähigkeiten aller Menschen umfasst.

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