Fotos von Ronald Steckel, Berlin
Der verletzte Baum
Er trägt geduldig lebenslange Wunden,
die von den Jahren langsam sind gedeckt,
und obwohl er grausam ward geschunden,
hat er zum Licht sich unbeirrt gereckt.
Die Rinde hat er knorrig hart verdickt,
und aus des Bodens feuchtem Grund
Leben angesogen, damit er nicht erstickt.
Die Dunkelheit erwies sich als sein Mund.
Auch die Stille mancher Sternenacht
schenkte Ruhe ihm und dauerhafte Stärke.
Leiden wird durch Schicksalsmacht
zur Basis aller mühevollen Lebenswerke.
Die Weisheit fließt durch diesen Baum
und lacht aus seinen grünen Zweigen,
damit wir seinen kühlen Schattenraum
beehren dankerfüllt mit Schweigen.
Die ew´ge Botschaft trägt er durch die Jahre:
Unglück wird zum Glück, wenn wir es akzeptieren
und von der Wiege bis zur Bahre
unser Ziel nicht aus dem Aug´ verlieren:
Nach oben streben, auf dem Boden stehen,
im Innern stets lebendig fließen,
Wände dichten, neue Ringe drehen
und die Ruhezeit mit Dank genießen.
PS: Die Bilder aus der Toscana hat mir Christoph Rinneberg geschickt.
Sie haben mich animiert, das Gedicht zu schreiben.