Mein Beitrag zur Lesung bei dem BDSÄ-Kongress in Wismar 2018 über das Thema „Wenn du Gott zum Lachen bringen willst, erzähle ihm von deinen Plänen“
Ich schreibe diesen Essay in dem großen Zweifel, dass es überhaupt einen Gott gibt. Es fällt mir sehr schwer zu glauben, dass es ihn gibt. Zu viel spricht dagegen. Trotzdem will ich mal für diesen Text annehmen, es gäbe ihn.
Leben ist das, was abläuft, solange wir etwas anderes planen.
Vielleicht ist das –ketzerischer Gedanke!- der Moment, in dem Gott richtig lacht, weil er uns reingelegt oder – wie wir erst viel später merken- auf den rechten Weg geführt hat. Es gibt das hypothetische Bild, dass seine Handlungsfäden wie bei der Rückseite eines Teppichs verschlungen und von vorn – von unserer Sicht aus – nicht erkennbar sind. Darauf berufen sich die Gläubigen, wenn sie ein trauriges oder schockierendes Ereignis nicht erklären können. Haben dann die Gebete nicht gewirkt, oder wollte Gott es anders? Wir müssen es sicherlich so annehmen, wenn wir es nicht ändern können. Aber sind wir dann ein Opfer unseres oder Gottes Handelns? Oder haben wir dann einfach „eine neue Herausforderung“? –
Klar ist mir: Das Leben kann uns viel aufbürden, aber es kann uns nicht dazu zwingen, wie wir darauf reagieren.
Klar ist mir auch: Wir können unser Leben oft erst im Rückblick verstehen -wenn überhaupt!-, aber leben müssen wir es vorwärts.
Wenn Gott uns nach seinem Bild geschaffen hat, muss er auch unsere negativen Eigenschaften haben und kennen, sonst kann er diese nicht in uns einpflanzen. Wie bei einem Schauspieler, der nur spielen kann, was in ihm angelegt ist. Ich denke, wir Menschen haben uns einen Gott als Ideal nach unserem Bild geschaffen! Deshalb hat er auch so viele menschliche Züge.
Es klingt sehr böse, und wenn es stimmt, ist es sehr böse: Vielleicht hat Gott mit sehr sarkastischem und malignem Humor Morde, Völkervernichtungen, Religionskriege und all die anderen scheußlichen Folgen von Hass als Bevölkerungsregulativ eingeplant und sitzt im Universum und lacht sich ins Fäustchen, wie wir Primitivlinge auf seinen Plan reinfallen. Friedensforscher haben errechnet, dass mehr Menschen durch Religionskriege in irgendeines Gottes Namen umgekommen sind als durch politisch und durch Landraub motivierte Kriege.
Das funktioniert(e) nur, weil sich die Menschen (oder Gott in ihnen?) eine wirksame Glaubensmär in die Welt gesetzt haben, die sie zum Hassen anstachelt. Das nennt man Propaganda, die in den Dienst einer so genannten „hohen Idee“ gestellt wird. Anders sind die vielen Gewalttaten im Namen Gottes oder einer anderen Ideologie nicht zu rechtfertigen.
Vielleicht hat Gott oder haben die Menschen die verschiedenen Religionen angeblich in seinem Auftrag mit einem Missionsgebot ausgestattet, um unter dem Vorwand, Frieden zu bringen, ihre Macht zu vergrößern.
Blaise Pascal sagte: „Nie tun Menschen Böses so gründlich und glücklich wie aus religiöser Überzeugung.“
Vielleicht haben wir Menschen aber seine Friedensbotschaft falsch verstanden und zimmern sie uns zurecht, wie es uns geschickt ist, um unsere Ziele zu erreichen.
Seit der Mensch Maschinen erfindet und weiterentwickelt, nimmt er immer mehr Einfluss auf die Umwelt, in der er lebt. Die Wissenschaftler nennen unser jetziges Zeitalter das Anthropozän, weil wir Menschen die Umwelt zunehmend beeinflussen und gestalten. Der Kampf um Geld und Macht auf der einen Seite und Erhaltung der Natur auf der anderen Seite ist noch nie so folgenschwer entbrannt wie zurzeit. Ich gehe davon aus, dass wir Menschen die Erde unbewohnbar machen. Aber ich bin mir auch sicher, dass die Natur selbst den letzten Atomkrieg überleben wird.
Ob Gott darüber lachen kann? Oder ist genau das sein Plan? Heißt sein Motto: „Die Menschen haben ihre Chance vertan, also fangen wir noch einmal von vorn an.“?
Bert Brecht hat gesagt: „Das Schicksal des Menschen ist der Mensch.“
Ich denke, das Schicksal der Erde ist der Mensch.
Aber wir können auch mal annehmen, es gäbe keinen Gott. Dann ist dieses Universum durch den Urknall entstanden, und vieles aus seiner Entwicklungs-geschichte kennen wir noch nicht. Das Universum dehnt sich in immer größerem Tempo aus. Stephen Hawking hat in seiner Weltformel die Allgemeine Relativitätstheorie, die die Gesetze der unendlich großen Dimensionen wie Sterne und Galaxien erfasst, verbunden mit der Quantentheorie, die die Gesetze der unendlich kleinen Dimension wie Urknall und Schwarze Löcher beschreibt.
In seiner letzten Arbeit, die Hawking und sein belgischer Kollege Hertog kurz vor Hawkings Tod zur Veröffentlichung eingereicht haben, kommen sie zu dem Schluss, dass unser Universum nicht unendlich und viel einfacher ist, als viele Urknalltheorien es darstellen. Die neuen Aussagen über die Struktur des Universums könnten mit Gravitationswellendetektoren oder kosmischer Hintergrundstrahlung, dem sogenannten Urknall-Echo, nachgewiesen werden.[1]
Die Polaritäten heiß und kalt, hell und dunkel sind ein wesentliches Prinzip der Naturgesetze. Aber wer entscheidet, was gut und böse ist? Das ist kein Naturgesetz. Wir entscheiden das in unserer jeweiligen Gesellschaft. Es kommt darauf an, aus welchem Blickwinkel wir es betrachten und beurteilen.
Der Drang nach Macht ist allgegenwärtig. Der Stärkere gewinnt meist vorder-gründig und kurzfristig. Zu einem etwas weiteren Blick ist der Mensch zwar fähig, aber seine Handlungen werden überwiegend durch kurzfristige Vorteile begrenzt und bestimmt. In diesem Spannungsfeld stehen die Friedenswilligen den Kriegswilligen gegenüber. Die Überzeugungen, ob es eine Klimaerwärmung gibt oder nicht, trennt die Menschheit.
Dass bei der Evolution oder täglichen Entscheidungen von Menschen oder bei einem Zufall oder Effekten der Synchronizität ein Gott seit Beginn seiner Existenz bis jetzt und für alle Ewigkeit gleichzeitig und das Universum umspannend an allen Orten bei jedem Tier, jedem Mensch und jedem Molekül!- seine regulierenden Hände (wie viele?) im Spiel hat, halte ich für völlig unrealistisch.
Wo bleibt der Humor? Ich denke, Humor ist das Gleitmittel im Getriebe der Welt, die wunderbare Eigenschaft, Unerträgliches auszuhalten und sich über viele kleine und große Geschenke der Natur und des Lebens zu freuen.
Ich bin fest überzeugt: Wir machen uns Himmel und Hölle hier auf Erden selbst. Das Jenseits mit dem belohnenden Himmel und der strafenden Hölle brauchen wir dazu nicht. Ich halte es für einen meist machtinduzierten und realitätsfernen Manipulationsversuch der Kirchen, einem Menschen für das Jenseits etwas Böses anzudrohen oder Gutes zu versprechen und von ihm deshalb im Diesseits ein bestimmtes Verhalten abzuverlangen.
Ich finde es zu einfach zu sagen, weil Adam und Eva sich falsch benommen haben, seien wir alle zu Fehlern und Sünder verdammt. Und wenn wir genügend Ablass bezahlen, kämen wir in den Himmel. Das ist eine gigantische Geldsammelidee, die man heute religionsunabhängig Crowd-Funding nennt und die bis heute u.a. in der katholischen Kirche vortrefflich wirkt. Aber mit Vergebung und innerem Frieden hat das nichts zu tun, sondern mit bewusster Irreführung der Gläubigen. Sogar Kardinal Marx hat den Ablasshandel als Betrug am Gläubigen bezeichnet.
Wenn es einen Gott gibt, mag er lachen über meine Gedanken. Wenn er mich gemacht hat und immer da ist und mich steuert, sind es ohnehin seine Gedanken. Dann lacht er über sich und seine Geschöpfe.
Wenn es ihn nicht gibt, freue ich mich, dass ich allein denken kann. Ich bin dankbar für das Schöne und Gute und Vollkommene, für die Liebe und die Musik, für die Orchideen und die Bienen. Ich lache gern, wenn mich ein fröhliches Kind mit seiner unverstellten Freude beschenkt. Aber mir bleibt das Lachen im Halse stecken, wenn ich an die von Gewalt dominierte Welt denke.
Unbezweifelbar gilt dieser Gedanke, den ich bei dem amerikanischen Psychiater Ron Smothermon („Drehbuch für das Leben“) gefunden habe: „Entweder gibt es einen Gott, oder es gibt keinen Gott. Das ist unabhängig davon, was ich glaube.“
[1] N-tv 02.05.2018
Copyright Dr. Dietrich Weller