Die drei seelischen Stadien des Todes

 

Der Tod ist kein schreckliches Ereignis. Wenn wir wissen, was dabei geschieht, können wir uns darauf freuen.

Elisabeth Kübler-Ross, amerikanische Psychiaterin schweizerischer Abstammung, Begründerin der psychologisch-medizinischen Erforschung der Nahtodes-Phänomene

Sollte es drüben nicht auch einen Tod geben,  dessen Resultat irdische Geburt wäre. Wenn ein Geist stirbt, wird er Mensch, wenn der Mensch stirbt, wird er Geist.

Novalis (1772-1801), eigentlich Friedrich von Hardenberg, deutscher Dichter

30.1 Allgemeine Bemerkung

Übereinstimmende und dokumentierte Forschungsergebnisse an über 40.000 reanimierten oder spontan zum Leben zurückgekehrten Menschen aus aller Welt haben bewiesen, dass es drei Stufen des Todes gibt.

In der ersten Stufe ist das Wachbewusstsein nicht mehr vorhanden, aber es bestehen noch Hirnfunktionen. Wenn die Hirnfunktionen durch die starken Hirnschädigungen aufhören, beginnt die zweite Stufe. Die Seele erhebt sich aus der körperlichen Hülle und schwebt über dem körperlichen Geschehen. Der vorher durch Unfall oder Krankheit verletzte Körper wird wieder als vollständig intakt erlebt. Dabei ist auffallend, dass Menschen, die im Leben Glieder amputiert hatten, in dieser Phase des Sterbens wieder alle Extremitäten haben und sich als ganz erleben. Ebenso können Blinde wieder sehen, Stumme sprechen und Taube wieder hören. Der Mensch hat keine Schmerzen mehr.

Die Seele beobachtet und hört alles und kann nach der Reanimation das gesamte Geschehen erzählen, auch die Gedanken und Aussagen der Beteiligten bis hin zur Autonummer des fahrerflüchtigen Autos bei einem Verkehrsunfall. Solche Ereignisse sind sehr zahlreich in der Literatur von betroffenen Opfern beschrieben. Ich verweise nur auf das lesenswerte autobiografische Buch von Stefan von Jankowitsch: „Ich war klinisch tot“ 74, in dem der Autor nachweislich richtig schildert, wie er nach einem Verkehrsunfall auf der Straße wiederbelebt wurde und was er dabei erlebt hat.

In diesem zweiten Stadium ist die Seele in vollständigem Frieden. Wunderschöne Klänge und wohltuendes, absolut helles Licht umfassen den Menschen. Dieses Lichterlebnis wird von vielen Menschen als tunnelartig beschrieben. Sie gehen auf ein immer heller und wärmer leuchtendes Licht zu, als ob sie in ein Tunnel hineingingen.

Das Tibetische Totenbuch sagt dazu: „Fürchte nicht das helle Licht. Verschmilz mit ihm, und erschrick nicht vor seinem Glanz.“

Und der Prophet Jesaja stimmt zu75: „Mache dich auf und werde Licht!  Denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir!“

Besonders beeindruckend sind bei den Berichten der Wiederbelebten, die ein Lichterlebnis hatten, die Intensität und Wärme, die von diesem Licht ausgestrahlt werden. Und fast alle erzählen von einer unfasslich großartigen Liebe, die von diesem Licht ausgeht, einem unvorstellbaren Glücksgefühl. Die damit verbundene Harmonie und Geborgenheit sind in diesem Ausmaß ihren Schilderungen nach im diesseitigen Leben nicht erlebbar.

Das führt auch dazu, dass diese Menschen nicht mehr zurückwollen ins hiesige Leben und meist nur wegen Pflichtgefühlen oder dem Zuspruch der Menschen, die ihnen in dieser Welt begegnen, sich zu einer Rückkehr entschließen. Wenn sie dann wieder ganz am alltäglichen Leben teilnehmen und sich trauen, über ihre Erlebnisse zu sprechen, bekennen sie, dass sie sich auf ihr nächstes und hoffentlich letztes Lichterlebnis freuen. Durch die Begegnung mit dem Licht verlieren die Menschen ihre Angst vor dem Tod, weil sie am eigenen Leibe gespürt haben, was wirklich geschieht. Und nur das ist wirklich gegen alle Glaubens- und Vernunftargumente überzeugend!

Frau Schweizer, eine meiner alten und schwer asthmakranken Patientinnen hatte den ausdrücklichen und testamentarisch festgelegten Wunsch, nicht reanimiert zu werden. Das wussten auch die Klinikärzte, weil ich es ausdrücklich in roter Farbe auf den Einweisungsschein geschrieben und dem behandelnden Arzt gesagt hatte. Als sie in der Klinik beim Gang zur Toilette bewusstlos wurde, löste die Bettnachbarin einen Alarm aus. Die Schwestern rannten herbei und reanimierten Frau Schweizer mit dem Stationsarzt zusammen.

Als ich am darauf folgenden Tag zum Besuch in die Klinik kam, war Frau Schweizer sehr böse auf die Ärzte und erzählte: „Mir wurde schwarz vor Augen, und dann begann ein herrliches Licht zu leuchten, und vor mir tauchte die schönste und größte Treppe auf, die ich je gesehen habe. Ich war eingehüllt in die wunderbarste Musik, die es auf Erden gar nicht gibt, und oben an der Treppe stand eine helle Gestalt, die ich nicht kannte, in einem wallenden Gewand und lud mich mit unendlicher Liebe ein: ‚Komm zu mir!‘ Ich ging langsam und ganz selig die ersten Stufen hinauf. Da krachte es in mir, und ich wachte hier im Bett auf. Warum durfte ich denn diese herrliche Treppe nicht hinaufgehen?“

Ich erkannte rasch, dass das Krachen nichts anderes als die Folgen der Wiederbelebung war, bei der die Ärzte fünf Rippen gebrochen hatten. Es gelang mir nicht, Frau Schweizer zu besänftigen. Ich muss gestehen, dass auch ich wütend war über die Reanimation, wenn ich auch genau weiß, wie rasch eine solche Wiederbelebung begonnen wird, ohne lang zu fragen, ob der Patient das wünscht oder nicht. Es gehört schon sehr viel innere Stärke dazu, bei einer unheilbaren und sehr weit fortgeschrittenen Krankheit und dem ausdrück-lichen Wunsch des Patienten, auf die Reanimation zu verzichten, nicht zu reanimieren und das Sterben dieses Menschen auszuhalten! Vielleicht waren Schwe-stern und Ärzte anwesend, die von Frau Schweizers Wunsch nichts wussten. Und man hätte es ja den Mitpatienten lang erklären müssen, wenn das Pflegepersonal untätig geblieben wäre. Der Vollständigkeit halber will ich berichten, dass Frau Schweizer anschließend in eine Spezialklinik kam, wo sie noch zweimal wiederbelebt wurde, bis sie schließlich ihre Treppe endgültig empor gehen durfte.

Der Sterbende wird in diesem zweiten Stadium von einem oder mehreren Menschen abgeholt, die ihn während des Lebens begleitet haben und ihm besonders lieb waren. Zeit und Raum spielen keine Rolle mehr. Deshalb kann er auch von einem Menschen begrüßt werden, der vor wenigen Minuten auf der anderen Seite der Erde gestorben war und von dessen Tod der Sterbende nichts wusste. Solche Fälle sind sorgfältig erforscht und dokumentiert.

Viele Menschen berichten aus diesem Stadium, dass sie in enormer Klarheit einen kurzen und außergewöhnlich gefühlsintensiven Rückblick über ihr bisheriges Leben erfahren. Dabei erkennen sie die Empfindungen und Gedanken, die sie bei anderen Menschen ausgelöst und die zu deren Verhalten geführt haben.

Das schafft eine neue und sehr verständnisvolle Perspektive für das Leben nach der Wiederbelebung und erklärt, warum diese Menschen anschließend mit völlig verändertem Weltbild und anderer Einstellung sich ihren Mitmenschen gegenüber verhalten. Maßstäbe und Werte werden grundlegend neu geprägt, obwohl das Nahtodes-Erlebnis nur sehr kurz abläuft. Diese Erfahrungen sind so tiefgreifend und überzeugend, dass sie nie wieder verloren gehen oder vergessen werden.

In diesem Stadium ist die Seele noch mit einer silbernen Nabelschnur mit der körperlichen Hülle verbunden. Das ermöglicht eine Rückkehr in den Körper. Die Seele kann sich noch entscheiden, ob sie zum Leben zurückkehren will oder nicht.

Leider sind die meisten Ärzte ausbildungsbedingt blind für solche Nahtodes-Erlebnisse, bis sie selbst das Licht erleben wie der amerikanische Psychiater Ron Smothermon. Er berichtete auf einem Seminar, an dem ich selbst teilnahm, das folgende Erlebnis: Er wurde von einem schizophrenen Patienten im Verfolgungswahn überfallen und mit einem Messer niedergestochen, ehe er sich wehren konnte. In der Bewusstlosigkeit erlebte er in der zweiten Phase seines Todes eben diesen unendlichen Frieden mit der wunderbaren und zeitlosen Sphärenmusik. Dabei hörte er eine ungewöhnlich sanfte Stimme, die ihn fragte, ob er hinübergehen oder noch Aufgaben auf der Erde erledigen wollte. Er entschloss sich zum „Bleiben“, wurde gefunden, operiert und gerettet. Heute schreibt er großartige Bücher76 und veranstaltet beeindruckende Seminare rund um die Welt.

Das Bild der Nabelschnur kennen wir auch von den zahllosen Berichten aus der östlichen Literatur, in denen Menschen von außerkörperlichen Reisen berichten. Dabei können sie in tiefer Meditation absichtlich ihren Körper verlassen und an jeden Punkt des Univer-sums reisen. Sie bleiben mit einer silbernen Nabelschnur mit ihrer körperlichen Hülle verbunden. Bei einer Durchtrennung der Nabelschnur ist eine Rück-kehr nicht mehr möglich. Dann ist die Seele losgelöst von ihrem bisherigen Körper. Das ist die dritte Stufe. Der Patient ist tot.

Vielleicht kann man die Nahtodes-Erlebnisse als Blick ins Jenseits deuten, der uns vorbereiten soll. Ein Beweis für eine Reinkarnation, also eine Wiederkehr der Seele in einem anderen Körper, sind sie nicht.

30.2 Die Forschungsergebnisse von Dr. med. Melvin Morse

Je größer die Ignoranz,  desto größer der Dogmatismus.

Sir William Osler (1849-1919), kanadischer Internist

Der amerikanische Kinderarzt Dr. Melvin Morse hatte eine typische schulmedizinische Ausbildung hinter sich, arbeitete als junger Stationsarzt in einer Kinderklinik und beschäftigte sich mit Studien über die neurologischen Folgen von krebsreduzierenden Medikamenten. Da wurde er durch die Todesnähe-Erfahrung eines wiederbelebten Kindes auf die Phänomene aufmerksam, die im Tod ablaufen. Sein Interesse war ge-weckt, und er begann eine sorgfältige Studie, die grundlegende Beiträge zu unserem Verständnis des Todes lieferte. Ich will im folgenden diese Ergebnisse zusammenfassen, die er in seinem beeindruckenden und spannenden Buch „Zum Licht“77 darstellt.

Er bildete mit einem Gremium von erfahrenen Spezialisten zwei Gruppen von Kindern. In der erstes Gruppe sammelte er über 100 Kinder, die durch einen Herzstillstand „gestorben“ sind und wiederbelebt wurden. In der zweiten Gruppe stellte er 121 Kinder zusammen, die schwer krank aber nicht in akuter Lebensgefahr waren. Er formulierte sorgfältig überlegte und offene Fragen an die Kinder über die Ereignisse, die um die Zeit der Wiederbelebung beziehungsweise bei der anderen Gruppe in einer schwierigen Krankheitsphase geschehen waren. Die Fragen legten seine eigentliche Absicht, genaueres über die Todesnähe-Erfahrungen zu erfahren, nicht offen und beeinflussten die Kinder nicht, in eine bestimmte Richtung zu antworten. Die Studie, die über mehrere Jahre lief, wurde auch unter statistischen Gesichtspunkten äußerst sorgfältig geführt. Die Ergebnisse waren eindeutig.

Von den 121 schwer kranken Kindern hatten 118 überhaupt keine Nahtodes-Erfahrungen! Die restlichen drei Kinder hatten von Monstern in weißen Kleidern ge-träumt. Die schwer kranken Kinder konnten teilweise Phantasien und Visionen erzählen, die sich aber grundlegend von den Todesnähe-Berichten unterschieden. Dagegen berichteten fast 70 Prozent der Kinder mit einem Herzstillstand die Vision, den Körper verlassen zu haben und durch andere Welten zu schweben!

Nur Menschen, die einen Herzstillstand erlebt hatten, also nach unserem herkömmlichen Verständnis tot waren, konnten Todesnähe-Erfahrungen berichten. Die Todesnähe-Erfahrungen haben folgende gemeinsame Merkmale: das Verlassen des Körpers, die Reise durch eine Art Tunnel, das Lichterlebnis, das Zusammen-treffen mit Verstorbenen, die Begegnung mit einem Lichtwesen, die Rückschau auf das eigene Leben und manchmal der bewusste Entschluss, zum Leben zurückzukehren.

Nicht alle Merkmale wurden von jedem Kind berichtet. Zum Beispiel fand Dr. Morse heraus, dass kleine Kinder keinen Lebensrückblick empfinden, wahrscheinlich deshalb, weil sie noch kein langes Leben hinter sich haben.

Fast alle Wiederbelebten konnten detailliert schildern, was im Moment des Todes mit ihnen geschah und was sie sahen und hörten: die Menschen um sie herum, Einrichtungsgegenstände in Räumen, in die sie gebracht wurden, Wortwechsel unter den Ärzten und Schwestern, Farben und Geräte, die sie nur in diesem Zustand erlebt haben konnten. Sie berichteten übereinstimmend, dass sie über der Szene schwebten, in sich ruhten und die Hektik und Panik aller Beteiligten deutlich wahrnehmen konnten. Viele der „toten“ Menschen erlebten auch Szenen außerhalb des Hauses und konnten bei ihrem „Flug“ zum Beispiel Dinge an der Außenfassade entdecken und beschreiben, die bei genauem Nachprüfen als real vorhanden bestätigt wurden.

Eine Patientin berichtete zum Beispiel, dass sie bei Ihrem „Flug“ ums Krankenhaus einen Schuh auf einem ganz genau lokalisierbaren Mauerabsatz hinter einem Eck im fünften Stock gesehen hatte. Die Therapeutin suchte den Schuh und fand ihn nicht vor dem Fenster. Die wiederbelebte Patientin bestand darauf, dass der Schuh ums Eck herum liege und die Therapeutin dort suchen solle. Dann kroch die Therapeutin hinaus und fand den Schuh genau an der beschriebenen Stelle!

Kein einziger Patient machte Fehler bei der Beschreibung der Abläufe während der Wiederbelebung! Und alle Patienten konnten sehr genau viele Einzelheiten richtig schildern, die sie in den Räumen gesehen hatten, in die sie zur Wiederbelebung gebracht worden sind und die sie nie vorher und nicht nachher gesehen hatten.

Auch kleinste Kinder machen diese Nahtodes-Erfahrungen! Ein Junge erlebte im Alter von neun(!) Monaten einen Herzstillstand und wurde wiederbelebt. Im Alter von drei Jahren erzählte er von seinem Lichterlebnis, das er damals hatte. Dieses Kind krabbelte in einen Tunnel, war glücklich im Licht und konnte Riesensprünge machen. Das ist besonders wichtig, weil wir Eltern, die ein kleines Kind verlieren, mit solchen Berichten in ihrer Trauer trösten können. Offensichtlich sind die Nahtodes-Erlebnisse unabhängig vom Alter, in dem sie stattfinden.

Dr. Morse konnte die Theorie widerlegen, nach der die Todeserfahrungen auf Einflüsse von Medikamenten oder Schlafentzug zurückzuführen seien. Die psychischen Empfindungen, Halluzinationen und Phantasien durch Medikamente und Drogen sind grundlegend anders als die Nahtodes-Erlebnisse.

Fast alle Kinder berichteten im Rahmen ihrer Nahtodes-Erlebnisse von dem wunderbaren Licht, während nur ein Viertel der Erwachsenen diesen Eindruck empfand. Die meisten Menschen beschrieben dieses Licht als „reines“ Licht, als „all-wissend“, „all-vergebend“, „all-liebend“.

Die Patienten in der Studie wurden zehn Jahren später noch einmal befragt. Dabei stellte sich heraus, dass diese Licht-Erfahrung offensichtlich ein Schlüsselerlebnis darstellt und von allen Patienten als besonders eindrucksvoll und prägend empfunden wurde. Mit eingehenden Studien, Befragungen und Nachforschungen kam Dr. Morse zu dem Schluß, dass dieses Licht tatsächlich außerhalb unseres Körpers existiert.

Bei dieser zweiten Befragung zeigten die Patienten auch andere auffallende Gemeinsamkeiten: Es gab weder Drogenmissbrauch noch Experimente mit Drogen. Die jungen Patienten lehnen sich selten gegen Autoritäten auf und hatten keine frühen Schwangerschaften. Obwohl sie alle zu der Studie wegen ihres Herzstillstandes ausgesucht worden waren und deshalb mit einer Häufung von neurologischen Schädi-gungen gerechnet wurde, entwickelten sie sich äußerst positiv. Sie bekamen gute Schulnoten und verhielten sich rücksichtsvoll und beherrscht.

Wichtig ist es zu wissen, dass Eltern, die in Kind verloren haben, häufig in den sechs Wochen nach dem Tod des Kindes noch seine Stimme hören. Das ist offensichtlich normal und keine krankhafte Halluzination und kein Zeichen einer Schizophrenie, wie es oft von Ärzten behauptet wird. Wenn man diese Zusammenhänge erklärt, können sie für die Eltern sehr tröstend wirken.

Karlis Ossis und Erlendur Haraldson sind zwei Psychologen, die Erfahrungen von Todesvisionen gesammelt haben. Diese Visionen vom nahenden Tod wer-den vom Sterbenden ohne Herzstillstand in vollem Bewusstsein als äußerst reales Ereignis erlebt. Die beiden Forscher konnten durch eingehende Untersuchungen zeigen, dass die Patienten oft Gott, Engel, verstorbene Verwandte oder Bilder vom Himmel sehen. Die Visionen überlagern die Wirklichkeit unserer Wahrnehmung oder bilden einen Teil der Wirklichkeit am Bett des Kranken. Diese Visionen haben sehr viele Gemeinsamkeiten mit den Todesnähe-Erfahrungen eines „Toten“, der wiederbelebt wird.

Wenn Patienten solche Visionen berichten, unter-drücken Ärzte oft diese Empfindungen mit Medikamenten oder tun sie als „schlechte Träume“ ab, weil sie nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen. In der Ausbildung haben sie es nicht anders gelernt. Diese Visionen haben aber einen erleichternden und tröstenden Effekt, wenn man sie ernst nimmt. Die Familie kann ihre Trauer mildern, denn der Patient zeigt in diesen oft von ihm als sehr befreiend erlebten Momenten, dass er bereit ist zu gehen und Kontakt mit dem Jenseits aufgenommen hat.

Es ist auch deshalb unerlässlich wichtig, als Arzt und Angehörige den Sterbenden zuzuhören und „gefährliche Themen“ nicht zu vermeiden, nur weil wir nicht wissen, wie wir mit unserer Angst und unserem Unwissen umgehen können. Dr. Morse hat festgestellt, dass besonders Kinder es vermeiden, über den Tod zu sprechen, weil sie erkennen, dass sie weniger Besuch bekommen, wenn sie Fragen stellen. Auch er bestätigt in seinem Buch, dass bei einem Menschen, von dem man annimmt, dass er bald sterben wird, die Anzahl der Besuche und der Telefonate abnimmt und die Gespräche kürzer und belangloser werden.

Der amerikanische Neurochirurg Dr. Wilder Penfield konnte bereits in den vierziger Jahren nachweisen, dass an einer bestimmten Stelle in unserem Gehirn der genetisch festgelegte Ort für die Todesnähe-Erfahrungen sitzt. Wenn man bei einer neurochirurgischen Operation mit einer Elektrode die Fissura Sylvii reizt, einen Bereich um den rechten Schläfenlappen, der genau hinter dem rechten Ohr liegt, berichtet der Patient, dass er „aus seinem Körper austritt“.78 Viele Menschen erzählten spontan auch andere Merkmale der beschriebenen Todesnähe-Erfahrungen.

Das sogenannte Ammonshorn ist eine Hirnregion, die unmittelbar mit dieser Fissura Sylvii verbunden ist. An dieser Stelle werden alle Hirnaktivitäten gesammelt, kontrolliert und koordiniert. Hier wird entschieden, welche Informationen zielgerichtet mit Reaktionen beantwortet werden sollen. Das Ammonshorn enthält unsere unbewussten Wünsche und unsere Fähigkeit zu träumen. Der Zusammenbruch der Sehfähigkeit, an den sich die Tunnel-Erfahrung anschließt, erfolgt im Hinterhauptlappen, der ebenfalls eng mit dem Ammonshorn und der Fissura Sylvii verbunden ist. Alle Erfahrungen, die wir als Todesnähe-Erlebnisse bezeichnen, bilden einen Teil unserer genetischen Veran-lagung und sind fest in diesen Hirnstrukturen in uns verankert.

Die Forschungsergebnisse von Dr. Morse und Dr. Penfield wurden weltweit unabhängig voneinander bestätigt. Obwohl die Arbeiten von Dr. Morse nach Bekanntwerden seiner unerwarteten Ergebnisse von der offiziellen Studiengeldvergabestelle nicht weiter unterstützt, sondern erheblich behindert wurden, führte er seine Studien fort und bekam schließlich den National Service Research Award, einen hoch ange-sehenen Forschungspreis.

 


74 Drei Eichen Verlag

75 Kapitel 60, Vers 1

76 Eines der fesselndsten und grundlegenden Bücher von ihm ist für mich „Drehbuch für das Leben“, Context-Verlag.

77 Zweitausendeins-Verlag, Frankfurt am Main

78 Es ist mit speziellen Narkoseverfahren möglich, solche Operationen bei vollem Bewusstsein des Patienten und völliger Schmerzfreiheit durchzuführen, um Reaktionen des Patienten zu testen. Das Gehirn selbst ist nicht schmerzempfindlich.

 

Copyright Dr. Dietrich Weller

Der Artikel steht in meinem Buch „Wenn das Licht naht“

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