Das Prinzip des Spiegelsonetts: Die Endreime werden an der Spiegelachse gespiegelt, und das zweite Sonett setzt sich mit dem Gegensatz des ersten Sonetts auseinander. Im folgenden Gedicht beschäftigt sich das erste Sonett mit der Zeit vor meiner Rente, das zweite mit der Zeit danach.
Der Blick zurück zeigt Schatten und viel Licht
auf meinen Pflichten, Praxis-, Klinikjahren,
die von Bürokraten oft belästigt waren;
denn sie behindern menschgerechte Sicht.
Der Mensch verliert durch Paragrafen sein Gesicht.
Patienten werden Nummern in den Scharen,
Massendaten und Verwaltungsformularen.
Einzig bleibt das Wort als ärztliches Gewicht.
Die Vielfalt von Beruf, Familie und Privatint´ressen
war in einem Tag nicht ruhig zu ermessen,
um darauf in Muße immer fehlerfrei zu bauen.
Ich habe meine Makel, Schatten nicht vergessen,
will sie darum mehr verstehen, besser messen.
Dann kann ich Verstand´nes konstruktiv verdauen.
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Die Rentenzeit schenkt Muße mir, um anzuschauen,
was mir nützt, mich freut und reift und wessen
Verse, Bücher, Noten stetig mir und unvergessen
neue Schätze, Freunde, Glücksmomente anvertrauen.
Dann werd´ ich mit Dank mein Leben daran messen,
das Schöne spielen, schreiben und Gesundes essen.
Aktive Ruhe schenkt dem Leben neues Angesicht,
ermöglicht, dass die reifenden Gedanken garen.
Wege, die mal schattenvoll und holprig waren,
können wandelnd spenden goldenes Gedicht.
Ich gehe gerne meinen Weg, erhoffe klare Sicht
und wünsch´mir, nach gesunden Jahren
mit Birgit, meinen Kindern, Freunden, wahren
Zeilen münde dieses Leben in das große Licht.
Copyright Dr. Dietrich Weller
Dieses Gedicht ist im Almanach deutschsprachiger Schriftstellerärzte 2013 erschienen.