Nur ein informierter Partner kann kooperativ sein.

Dieser Satz ist einer der wichtigsten für eine gute Kommunikation im Berufs- und im Privatleben. Man kann von niemandem verlangen, dass er in unserem Sinn reagiert, wenn er nicht weiß, was wir wollen oder nicht wollen.

Das bedeutet, dass die Einfachheit und Klarheit unserer Sprache ganz wesentlich dazu bei-tragen, dem Patienten die Mitarbeit überhaupt zu ermöglichen. Informieren bedeutet auch, auf Wunsch Einblick in alle Befunde mit entsprechenden Kommentaren und Kopien zu gewähren.

Ich halte es in vielen Fällen für sinnvoll, kurze Gutachten und Briefe in Anwesenheit des Patienten zu diktieren und Telefonate über den Patienten in seiner Anwesenheit zu führen. Wenn Sie z.B. eine gynäkologische Frage über Ihre Patientin mit ihrem Frauenarzt besprechen wollen, können Sie mit einem Dreiergespräch und durch eingeschalteten Lautsprecher Übertragungsfehler vermeiden, Zeit sparen, und die Patientin hat das Gefühl, dass sie voll informiert wird. Denken Sie auch an den Überweisungsschein für die telefonische Beratung für den konsiliarisch zugezogenen Arzt.

Wenn Sie Anordnungen an Mitarbeiterinnen vor dem Patienten geben, fühlt sich der Patient einbezogen und informiert. Das schafft Vertrauen und spart Zeit, weil Sie die Anordnung nicht zuerst dem Patienten und dann der Mitarbeiterin erklären müssen.

Wenn Sie Ihre geplanten Diagnostik- und Therapieschritte dem Patienten kurz und ver-ständlich erklären, kann dieser besser mitmachen, fühlt sich ernst genommen und als mündige Person eingeschätzt.

Sollten Sie Angst vor dieser Art der Information haben, bitte ich Sie, Ihren Umgang mit sich selbst und Ihren Gefühlen zu prüfen. Haben Sie Angst vor der Reaktion des Patienten, oder sind Sie selbst unsicher, sich offen mit bestimmten Einzelheiten zu konfrontieren?

Das Vertrauen des Patienten in den Arzt setzt auch Ehrlichkeit in ihm selbst voraus. Ein erfahrener Chirurg, der über viele Jahre eine hoch geschätzte Sprechstunde für Brustkrebs-Patientinnen abgehalten hat, sagte einmal zu mir:

„Ich sage allen Frauen die Wahrheit. Erstens bin ich Christ und meine, dass ich schon deshalb nicht lügen sollte. Und zweitens habe ich ein schlechtes Gedächtnis und wüsste schon in einer Woche nicht mehr, welcher Frau ich die Wahrheit gesagt habe und welcher nicht. Da würde mich eine Lüge in eine verheerende Lage bringen.“

Ich denke, dies ist ein gute Richtschnur für unser Handeln, wenn wir bereit sind, uns mit den möglichen Reaktionen der Patienten auf die Information wirklich auseinanderzusetzen und damit unsere eigenen Ängste und Bedenken zu bearbeiten.

Außerdem haben sich bei mir die Grundsätze bewährt:

  • Nicht alles, was wahr ist, müssen Sie sagen. Aber alles, was Sie sagen, muss wahr sein.
  • Beantworten Sie die Frage. Nicht mehr und nicht weniger. Schauen Sie dem Patienten dabei ins Gesicht.
  • Beantworten Sie nur Fragen, die gestellt worden sind.

Trotzdem können Sie immer fragen:

„Haben Sie Angst vor … ?“

„Haben Sie noch eine Frage?“

Überprüfen Sie, wie Sie selbst zur Wahrheit stehen! Neigen Sie dazu, Unangenehmes zu verdrängen oder aktiv anzugehen und zu klären?

Unsere eigene Unehrlichkeit oder ausweichende Formulierung ist meist begründet durch Unsicherheit, mangelndes Interesse, fehlende Bereitschaft zur Selbstkritik und Diskussion, und durch den „blinden Fleck“ in eigenen Angelegenheiten mit den dazu gehörigen Verdrängungsmechanismen.

Nur ein informierter Patient kann volle Verantwortung für sein Handeln übernehmen.

Helfen Sie ihm bitte dabei durch folgendes Verhalten:

  • Informieren Sie den Patienten richtig, sachlich, rechtzeitig, so vollständig wie nötig und so verständlich wie möglich.
  • Lassen Sie ihn fragen, und geben Sie gute Antworten.
  • Der Patient soll möglichst die Entscheidung erst dann fällen, wenn sie fällig ist.
  • Zeigen Sie dem Patienten, dass Sie ihn auch dann respektieren, wenn er eine andere Entscheidung fällt als Sie es für sich tun würden.

Gesundes Selbstwertgefühl wird nur durch die Entdeckung und Entwicklung der eigenen Fähigkeiten und der daraus entstehenden Entscheidungsbereitschaft und den erfolgreichen Handlungen entwickelt.

Wenn der Patient Ihre Meinung wissen will, erklären Sie ihm diese, und überlassen Sie ihm seine Entscheidung. Erwarten Sie nicht, dass der Patient Ihre Meinung übernimmt, nur weil Sie glauben, es besser zu wissen. Wenn Sie ihm Ihre Meinung aufdrängen, können Sie im Allgemeinen nicht mit seiner überzeugten Mitarbeit rechnen. Mangelnde oder fehlende Mitarbeit kann auch ein Zeichen der „leisen Aggression“ sein, eine Form von Regression.

„Ihre Verantwortung ist die Bereitschaft, der Produzent Ihres Erlebens zu sein.

Verantwortung übernehmen bedeutet, Verursacher statt Opfer des Lebens zu sein.“

Ron Smothermon, MD, Psychiater

Das bedeutet, dass jeder verantwortlich ist für seine Gedanken und Gefühle. Denn in jeder Lage gibt es mehrere Möglichkeiten der Reaktion.

Das Leben kann uns viel aufbürden, aber es kann uns nicht zwingen, wie wir darauf reagieren.

Dieser Satz ist eine enorme Lebenshilfe in Konfliktsituationen. Er zeigt Licht am Ende des Tunnels.

Diesen Artikel habe ich in dem Buch Ich verstehe Sie! Kommunikation in Praxis, Klinik und Pflege veröffentlicht.

 

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