Es ist sehr hilfreich, die Stimmung, Körpersprache, Modulation der Sprache und die Wortbilder des Patienten wahrzunehmen. Dann können wir uns mit unserer Körpersprache und seinen sprachlichen Bildern auf den Kommunikationspartner einstellen und gleiche
Ebenen der Verständigung schaffen und signalisieren, dass wir „auf seiner Wellenlänge“ sind und mit einem Wortschatz sprechen, den auch er benützt oder zumindest leicht versteht:
Patient: „Ich bekomme keine Luft. Mich drückt etwas auf die Brust.“
Arzt / Schwester: „Wer oder was drückt denn auf Ihre Brust?“
Wenn Sie dabei noch eine drückende, die Brust bedrohende Geste macht, wird die Assoziationskraft des Patienten gesteigert, und er kommt oft noch schneller auf die auslösende Ursache, die dann in einem psychosomatisch orientierten Gespräch erörtert werden kann. Dabei ist selbstverständlich, dass eine körperliche Untersuchung dazu gehört, um eine organische Ursache von einem rein psychisch ausgelösten Globusgefühl zu unterscheiden.
Wir hören oft Formulierungen wie
„Ich habe Kopfschmerzen!“
„Mir ist übel!“
„Ich habe Verdauungsbeschwerden!“
„Ich habe Schmerzen im Nacken!“
Die Lektüre des bekannten Buches „Krankheit als Weg“ von Thorwald Dethlefsen und Dr. med. Rüdiger Dahlke hat mir eine ganz neue Welt eröffnet, meinen Patienten und mir selbst zuzuhören. Dabei habe ich erkannt, dass unser Unterbewusstsein uns immer die richtigen Bilder „auf die Zunge legt“ nach dem alten Gesetz „wie innen so außen“.
Wenn Sie wirklich interessiert sind, auf Ihre Patienten ganzheitlich einzugehen, werden Sie in diesem Buch eine Fülle von verblüffenden Hinweisen und Vorschlägen erhalten, auf die psychosomatische Sprache besser einzugehen und sie in die Diagnostik und Therapie konstruktiv einzubauen. Dann können Sie zum Beispiel bei den oben genannten Sätzen antworten:
„Worüber zerbrechen Sie sich den Kopf?“
„Was liegt Ihnen denn so schwer im Magen? Warum ist Ihnen zum Kotzen?“ (Ich scheue mich nicht, dieses letzte Wort zu benützen, weil es den Sachverhalt drastisch und damit sehr anschaulich macht. Die Patienten verstehen das sehr gut.)
„Welche Eindrücke können Sie nicht verdauen?“
„Wer oder was sitzt Ihnen im Nacken? Was haben Sie sich auf die Schultern geladen?“
Damit erreichen Sie eine rasche Annäherung an die Wirklichkeitsebene des Patienten und geben ihm sehr schnell das Gefühl, ihn zu verstehen, und damit sind einem ganzheitlichen Gespräch Tür und Tor geöffnet.
Seit ich dieses Buch gelesen und in der Praxis täglich angewendet habe, wurde meine Beziehung zu den Patienten und zu mir grundsätzlich verändert. Es ist sicherlich eines der wichtigsten Bücher in meinem Leben. Sie sollten auch den zweiten Band von Dr. med. Rüdiger Dahlke „Krankheit als Sprache der Seele“ lesen.
Fairerweise möchte ich Sie warnen: Diese Bücher sind kompromisslos, geradlinig und für einen eingefleischten Schulmediziner schwierig anzunehmen, weil sie einiges an Althergebrachtem nicht nur in Frage stellen, sondern klar widerlegen. Sie müssen damit rechnen, dass sich Ihr Weltbild und die Sicht Ihrer bisherigen Tätigkeit grundlegend verändern. Wenn Sie das Wissen konsequent anwenden, garantiere ich Ihnen eine Veränderung Ihres Sprachbewusstseins und Ihres Umgangs mit Kranken. Noch einen Hinweis: Erkenntnisse kann man nicht rückgängig machen!
Zurück zur psychosomatischen Sprache: Wir müssen also immer an diesen Satz denken und ihn umsetzen: Begegnen Sie den Patienten auf der gleichen Ebene! Wenn Sie sich mit einem Menschen in einem Haus verabreden, werden Sie ihn logischerweise auf der Etage suchen, auf der er sich befindet. Ebenso müssen wir uns auf die emotionale und rationale Ebene des Gesprächspartners einstellen, um mit ihm optimal kommunizieren zu können.
Wenn Ihr Patient emotionales Verhalten zeigt wie Angst, Trauer, Zweifel, Wut, Freude, Ratlosigkeit, sollten Sie Interesse, Verständnis, Betroffenheit oder/und Empathie zeigen:
Patient: „Ich habe solche Angst vor dem Flug nach Kenia!“
Arzt:
„Was macht Ihnen solche Angst?“
„Können Sie mir das genauer erklären?“
„Hatten Sie schon einmal ein schlimmes Flugerlebnis?“
„Haben Sie bei der Angst auch körperliche Symptome?“
„Ich habe den Eindruck, dass Sie sich deshalb gar nicht auf den Urlaub freuen können.“
In diesem Beispiel verschlechtern rationale Argumente die Kommunikation, wie Sie an den folgenden Sätzen leicht erkennen:
„Die Angst ist unnötig, weil bewiesen ist, dass das Flugzeug das sicherste Verkehrsmittel ist.“
„Das ist nicht schlimm, es geht ja wieder vorbei.“
„Ja, das haben viele Patienten.“
Auch wenn Sie Ihre eigene Meinung dominieren lassen, fühlt sich der Patient unverstanden oder unterlegen:
„Mein letzter Flug war herrlich. Ihrer wird sicher auch schön.“
Durch solche, wenn auch gut gemeinte Antworten, wird der Patient verprellt und verun-sichert. Verallgemeinerungen, Übertragungen von eigenen Meinungen und Erfahrungen anderer Menschen helfen dem Patienten meistens nicht, sich als Individuum angenommen zu fühlen. Sie bringen den Patienten entweder dazu, unbefriedigt die Praxis zu verlassen oder durch weitere Betonung seiner Angst dem Wunsch nach Verständnis Nachdruck zu verleihen. Das erschwert und verlängert das Gespräch.
Wenn sich Ihr Gesprächspartner auf der rationalen Ebene befindet, also z.B. informative Fragen stellt, sachlich schildert oder vernunftbetont argumentiert, sollten Sie Interesse und Sachkenntnis zeigen, klare und direkte Antworten geben oder gezielte Zusatzfragen stellen:
Patient: „Wie wird diese Magenspiegelung durchgeführt?“
Arzt:
„Das erkläre ich Ihnen gerne. ….“
„Haben Sie noch andere Fragen?“
Wir müssen bedenken, dass hinter solchen Sachfragen manchmal Angst steckt. Danach sollten wir fragen, um wirklich empathisch reagieren zu können. Wenn wir nicht fragen, wird ein wesentlicher Aspekt des Patienten außer Acht gelassen:
„Haben Sie Bedenken wegen der Operation?“
„Ich habe den Eindruck, Sie sind besorgt wegen der Operation. Stimmt das?“
Damit begeben wir uns dann gemeinsam auf die Gefühlsebene und können dort die Kom-munikation weiterführen.
Der Satz „Sie brauchen keine Angst zu haben!“ reicht im Allgemeinen nicht aus und wirkt oft bevormundend und bagatellisierend, auch wenn er gut gemeint ist. Außerdem hat der Patient dann möglicherweise den Eindruck, nicht ernst genommen zu werden. Abgesehen davon ist Angst als Folge fehlender oder ungenügender Information ein häufiger Grund für mangelhafte Mitarbeit.
Diesen Artikel habe ich in dem Buch Ich verstehe Sie! Kommunikation in Praxis, Klinik und Pflege veröffentlicht.