Die Geschichte begann, als die Uhr stehen blieb. Allerdings ist es keine gewöhnliche Uhr. Nein, meine liebe Frau Birgit hat sie vor vielen Jahren geschenkt bekommen, und deshalb ist die kleine rechteckige Golduhr mit schlichter Eleganz ein wertvolles Erinnerungsstück. Auf dem schwarzen Zifferblatt steht der Name einer weltberühmten Modefirma.
„Die Uhr braucht sicherlich eine neue Batterie“, meinte Birgit und brachte das Schmuckstück beim nächsten Bummel in Stuttgart zu einem namhaften Uhrenhändler.
„So einfach ist das nicht!“, gab der Händler zu bedenken. „Diese Firma macht die Batteriewechsel selbst, wir bekommen keine Ersatzteile. Dafür müssen wir die Uhr einschicken. Und hier sehe ich noch einen kleinen Kratzer im Glas. – Ich lasse Ihnen einen Kostenvoranschlag machen. Dann melden wir uns in ein paar Tagen bei Ihnen.“
„Was kostet denn so eine Batterie? Letztes Mal war die sehr teuer.“
„Also mit etwa 200 Euro sollten Sie rechnen. Und dann müssen wir sehen, was die Firma noch alles reparieren will.“
„Aber ich brauche doch nur eine neue Batterie!“
Der Verkäufer beschwichtigte und vertröstete sie auf den Kostenvoranschlag. Als dieser per E-Mail bei uns eintraf, war ich zuerst einmal sprachlos.
Da stand „Kompletter Service 305 €, Ersatz des Zifferblattes 219 €, Ersatz des Glases 58 €, zusammen 582 €.“ Optional wurde noch Ersatz des Zeigersets für 44 € und Ersatz der Krone für 35 € in Aussicht gestellt. Alles zusammen für schlappe 661 €. – Und von Batteriewechsel stand da nichts. Immerhin wurden wir informiert, dass die Reparatur etwa 40 Werktage in Anspruch nehmen würde. Der Verkäufer bestätigte uns, dass die Firma die Batterie nur wechselt, wenn die erwähnten Reparaturen auch beauftragt werden.
„Das lasse ich nicht machen, das ist doch viel zu teuer!“, war Birgit entsetzt.
Ich pflichtete ihr bei, meinte aber: „Wenn du die Uhr nicht reparieren lässt, liegt sie im Schrank, und dann hast du gar nichts davon, und eine Uhr, die nicht läuft, nur als Schmuckstück anzuziehen, ist auch doof.“
Nach einigen Wochen Bedenkzeit versuchten wir es noch einmal beim selben Händler, allerdings bediente uns ein anderer Verkäufer.
Birgit machte ihn auf die etwas lockere Schließe im Lederarmband aufmerksam.
„Die Schließe funktioniert prima, aber kann man sie etwas straffer einstellen? Und was kostet die Batterie, die in dem Kostenvoranschlag gar nicht aufgeführt ist, obwohl wir gerade deshalb kamen?“
Der Verkäufer antwortete routiniert: „Ich muss die Uhr einschicken und einen Kostenvoranschlag anfordern. Wir benachrichtigen Sie!“
Ein paar Tage später kam der neue Kostenvoranschlag.
Jetzt standen außer den bereits bekannten Reparaturen noch folgende Kosten auf dem Plan: „Ersatz der Faltschließe 350 €, Ersatz des Armbandes 200 €.“ Zusammen waren das 1.214 €, und der Batteriewechsel wurde wieder nicht erwähnt. Aber die angekündigte Reparaturzeit schrumpfte auf 10 Werktage. Die Verdoppelung des Rechnungsbetrags verkürzte die Bearbeitungszeit auf ein Viertel.
Na, man gönnt sich ja sonst nichts! Ich überlegte mir, dass ich Birgit von diesem Geld locker für jeden Wochentag eine neue Extrauhr kaufen könnte.
Ich schrieb eine E-Mail zurück: „Da Ihre Firma nicht bereit ist, den Reparaturauftrag ohne Ersetzen der Schließe zu erledigen, möchten wir keine Reparatur und schließen daraus, dass es Ihrer Firma in erster Linie um Erschließung der Geldquellen geht und nicht um die Erfüllung der Kundenwünsche.“
Prompt kam die Nachricht, die Uhr liege zur Abholung bereit. Als Birgit die Uhr entgegennehmen wollte, beklagte sie sich bei dem Verkäufer über das kundenfeindliche Verhalten der Firma. Er lächelte etwas gequält, zuckte mit der Schulter und sagte bedauernd: „Ich kann Sie gut verstehen, aber das ist in dieser Firma üblich, wir kennen die Beschwerden schon lang und können nichts dagegen machen. – Tatsache ist, dass Sie hier einen kleinen Spalt am Uhrglas sehen, durch den Feuchtigkeit eingedrungen ist. Sie dürfen diese Uhren nie im Badezimmer liegen lassen! Deshalb will die Firma das Zifferblatt ersetzen. Die Schließe, die Krone und das Zeigerset muss man nicht ersetzen.“
„Aber offensichtlich funktioniert die Geschäftsidee mit den angeblich notwendigen Zwangsreparaturen sehr gut, die Leute zahlen das. Sonst würde die Firma das nicht so machen!“, entgegnete ich. „Außerdem wissen wir jetzt genau, von welcher Firma wir in Zukunft keine Produkte mehr kaufen.“
Als wir den Laden verlassen hatten, begegneten wir einem Bekannten, der uns ein Uhrengeschäft ganz in der Nähe empfahl: „Die wechseln die Batterie!“
In dem sehr gepflegt wirkenden Geschäft wurden wir freundlich empfangen. Birgit legte die Uhr auf den Tisch und sagte: „Ich glaube, die Uhr läuft nicht mehr, weil die Batterie leer ist. Können Sie das prüfen und eventuell eine neue Batterie einsetzen?“
Die Verkäuferin schaute die Uhr mit einem prüfenden Blick an und griff zum Telefonhörer: „Wir brauchen jetzt einen Batteriewechsel!“, und dann zu uns gewandt: „Haben Sie ein bisschen Zeit? Wir machen das gleich.“
„Das trifft sich gut“, sagte ich, „wir gehen jetzt zum Mittagessen und kommen anschließend wieder vorbei.“
Die Geschichte endet jetzt, weil die Uhr wieder zuverlässig läuft. Nach einem Batteriewechsel für 20 Euro.