Kubrick, Nixon und der Mann im Mond

Bei oberflächlicher Betrachtung gilt Donald Trump als Erfinder der Fake-News und seine PR-Managerin Kellyanne Conway als Erfinderin der alternativen Fakten. Eine kurze Überlegung macht aber klar, dass Lug und Trug, Tarnen und Täuschen, Hinterlist und Skrupellosigkeit schon immer das geistige und charakterliche Handwerkszeug der Menschen waren und in allen Bereichen zum Alltag gehörten, in denen es um Geld, Ansehen, Gewinn und Macht geht.

Die folgende Geschichte zeigt dies beispielhaft, allerdings mit einer besonderen Variante.

Juri Gagarin, der russische Kosmonaut, war der erste Mann im Weltall gewesen, und das forderte die US-Regierung heraus, unbedingt den nächsten Schritt in der Raumfahrt zu gewinnen, nämlich tatsächlich Menschen auf den Mond zu schicken, die dort Fußabdrücke hinterlassen. John F. Kennedy hatte die Losung ausgegeben, die NASA solle das Mondlandungsprogramm umsetzen, und innerhalb von wenigen Jahren gelang es tatsächlich, mit Apollo 11 die erste Mannschaft auf den Mond zu schicken. Es war eine vorrangige Frage des Prestiges und eine Materialschlacht dazu.

Darüber berichtet der ARTE-Film Kubrick, Nixon und der Mann im Mond.

Nixon, ein als Lügner und Krimineller überführter Präsident, hatte Angst, dass die Mondlandung nicht gelingen würde oder dass die Bilder vom Mond nicht gut genug sein könnten für den erfolgreichen Gebrauch als Propagandamaterial. Er beauftragte deshalb seine PR-Abteilung, im Studio einen Film zu drehen, der die Mondlandung vom 20. Juli 1969 zeigt. Diesen Film wollte man im Fernsehen zeigen, wenn die Originalbilder vom Mond nicht gut genug sein sollten, um einen gigantischen Propagandaerfolg auszulösen.

Auf der Suche nach einem exzellenten Regisseur und einem diskreten Filmstudio fand man den berühmten Stanley Kubrick, der zu dieser Zeit in London den Film 2001 Odyssee im Weltraum drehte und eine passende Mondlandschaft im Studio zur Verfügung hatte. Über ein Wochenende entstanden mit Kubricks Hilfe und unter strengster Geheimhaltung die entscheidenden Mond-Szenen im hermetisch abgeriegelten Studio. Alle Beteiligten wurden anschließend mit neuen Identitäten ausgestattet und verschwanden in der Geheimhaltung.

Der Film zeigt viele persönliche Interviews mit engen Nixon-Mitarbeitern wie Henry Kissinger, Alexander Haig, Lawrence Eagleburger, Donald Rumsfeld und dem Astronauten Buzz Aldrin und seiner Frau. Auch die Witwe von Stanley Kubrick wurde interviewt. Der Film zeigt, wie die Mitarbeiter Nixons von dem Betrug abgeraten haben. Noch schlimmer: Als der Film dann doch gedreht war und die Originalaufnahmen vom Mond nicht zu gebrauchen waren, bekam Nixon Angst vor der Entdeckung seiner Fälschung und verfügte, alle Beteiligten an der Verfilmung zu liquidieren. Ein CIA-Agent nahm sich der Sache an, tauchte ab, spürte die Zeugen in den verborgensten Winkeln der Erde auf und liquidierte sie. Nur Stanley Kubrick blieb aus Angst vor Verfolgung in seinem Anwesen und drehte nur noch dort. Er starb schließlich eines natürlichen Todes. –
Der Kommentar und die Kritik in diesem Film machen an vielen Beispielen sehr deutlich, wie gewissen- und rücksichtslos Nixon vorging und wie viele Drehfehler in dem rasch zusammengestückelten Studiofilm enthalten waren.

Die Abdruckspuren der Astronautenstiefel im „Mondsand“ waren viel zu tief, denn auch die schwere Schutzkleidung mit den Atemgeräten würde auf dem Mond wegen der auf ein Sechstel reduzierten Mondanziehung wesentlich flachere Stiefelprofile hinterlassen.
Dummerweise hatte man zwei Studiolampen so aufgestellt, dass sie Schatten der Astronauten in zwei verschiedene Richtungen warfen.
Und zufällig lag auf der Mondoberfläche auch noch ein kleiner Prospekt mit dem Portrait von Stanley Kubrick.
Der Eindruck, den der unkritische Betrachter des Films gewinnt, ist eindeutig. Auch ich muss zugeben, dass ich entsetzt war! Mein Vorurteil über die gewissenlosen Politiker war voll bestätigt.
Soweit – so schrecklich – so ungeheuerlich: dieser Betrug, diese Skrupellosigkeit, diese Hinterlist!

Aber dann machte mich ein Freund, dem ich mein Entsetzen geschildert und den Link zu dem Film gegeben hatte, aufmerksam auf einen ausführlichen Artikel in Wikipedia. Hier wird erklärt, dass es sich bei dem Film um ein sogenanntes Mockumentary[1] handelt, also eine vorgetäuschte, absichtlich gefälschte Dokumentation, für die der Autor des Films, William Karel, sogar 2003 mit dem Adolf-Grimme-Preis für Buch und Regie im Bereich Information und Kultur ausgezeichnet wurde.

Das Besondere des Films besteht darin, dass die bewusste und trickreiche Fälschung als eine prämierenswerte künstlerische Leistung dargestellt und belohnt wurde. Ich empfinde das als eine Einladung zur Fälschung. Außerdem wird die Bevölkerung dadurch erst recht in die Irre geführt, und man macht sich auch noch lustig über ihre Täuschbarkeit. Offensichtlich freut sich der Fernsehzuschauer darüber wie bei Verstehen Sie Spaß auch, wo ahnungslose Menschen zum Narren gehalten werden und noch darüber lachen sollen.

Die angeblichen Zeitzeugen sind „zum Beispiel David Bowman (Astronaut in 2001: Odyssee im Weltraum), Jack Torrance (Rollenname des Hauptdarstellers in The Shining) und Dimitri Muffley (eine Kombination der Namen des sowjetischen Generalsekretärs und dem des US-Präsidenten in Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben).Weitere angebliche Zeitzeugen tragen Namen aus Filmen von Alfred Hitchcock: Eve Kendall (weibliche Hauptfigur in Der unsichtbare Dritte) und Ambrose Chapel (ein wichtiger Ort in Der Mann, der zu viel wusste (1956)).Als angeblich Beteiligter wird ein CIA-Agent namens George Kaplan genannt (ein fiktiver CIA-Agent in Der unsichtbare Dritte). Ein weiterer angeblicher Zeitzeuge ist ein New Yorker Rabbiner namens W. A. Konigsberg, eine Anspielung auf Allan Stewart Konigsberg, den bürgerlichen Namen von Woody Allen.“ (Wikipedia) 

Wenn man unter diesen Gesichtspunkten den Film anschaut und noch ein paar Fakten dazu liest, entdeckt man, dass die Interviews mit den Politikern kurze Videoschnipsel sind, die überall hinpassen und keinen direkten Bezug zum Problem haben. Sie sind sehr geschickt in den Film und seine geplante Falschaussage hineinkopiert. Auf das erste Hinschauen erscheinen sie glaubwürdig. Und deshalb sind wir als meistens autoritätshörige Menschen auch überzeugt vom Wahrheitsgehalt des ganzen Films.

Wer ein bisschen sprachgewandt ist, entdeckt auch, dass die Untertitel der Interviews oft nicht mit den tatsächlichen Aussagen überstimmen.

Soweit – so schrecklich. so ungeheuerlich: unsere leichte Beeinflussbarkeit, unsere Leichtgläubigkeit, unsere fehlende Unterscheidungsmöglichkeit von Fakten und alternativen Fakten.

Quellen am 25.01.2019: 

https://www.arte.tv/de/videos/025816-000-A/kubrick-nixon-und-der-mann-im-mond/

https://de.wikipedia.org/wiki/Kubrick%2C_Nixon_und_der_Mann_im_Mond

https://de.wikipedia.org/wiki/Adolf-Grimme-Preis_2003

https://web.archive.org/web/20060429151052/http://www.grimme-institut.de/scripts/preis/agp_2003/scripts/beitr_kubrick.html

[1] Engl. mock: vorgetäuscht, pseudo-, unecht

Dieser Beitrag wurde unter Prosa abgelegt und mit , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.