Ulrike Blatter: Vor dem Erben kommt das Sterben.- Rezension

Rezension

Ulrike Blatter, Vor dem Erben kommt das Sterben

Neobooks.com, 2016, E-Book, erhältlich z.B. bei Amazon

Dr. med. Ulrike Blatter ist Rechtsmedizinerin, die ihr berufliches Wissen und ihre schriftstellerische Leidenschaft in den letzten Jahren so verbunden hat, dass sie jetzt in ihrem vierten Krimi einen Mord schildert, der keine Spuren hinterlässt und so ausgeführt wird, dass der Tod nicht als Mord nachgewiesen und der Täter nicht gefunden werden kann. Das ist der perfekte Mord. Ein hoher Anspruch!

Aber da ist noch viel mehr in diesem Buch, warum ich es lesenswert finde.

Ulrike Blatter war als Kölnerin tief betroffen von dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs am 3. März 2009, bei dem kostbarste Archivalien auf 30 km Regalböden von Schutt begraben wurden. Sie hat diese Kulturkatastrophe, bei der auch zwei Menschen starben, als Anlass genommen, darum herum einen fantasievollen und realistischen Krimi zu schreiben. Fantasievoll und realistisch – das ist kein Widerspruch in sich. Nichts ist so fantasievoll wie die Realität.

Fantasievoll ist der Krimi, weil er esoterische Ansichten wie Rückführung und Reinkarnation als Tatsachen in die Handlung einbindet. Der Leser wird immer wieder von Cleo, einer sprechenden Katze, durch die Handlung geführt, und er muss die einzelnen Handlungsteile, die scheinbar willkürlich zusammengewürfelt aneinander gereiht sind, sorgfältig zu einer chronologischen Folge zusammensetzen. Dies gelingt aber gut anhand der vorgegeben Daten.

Realistisch ist das Buch, weil Ulrike Blatter mit kriminalistischer Akribie die Geschichte Kölns und viele unbekannte und ungewöhnliche Details aufdeckt. Die sozialen Folgen der Umstrukturierung des Veedels (ein Stadteil von Köln) und des skandalumtobten U-Bahnbaus werden beschrieben, und der Nicht-Kölner lernt das Kölsche Grundgesetz mit seinen elf Paragrafen kennen. Für Köln-Liebhaber ist dieses Buch eine Fundgrube zur Stadtgeschichte.

Und worum geht es in diesem Krimi? Blanche, die in ihrer Jugend Lara hieß und sich bei einem langjährigen Aufenthalt in der Schweiz einen anderen Namen gegeben hat, kommt in ihre Geburtsstadt Köln zurück. Sie braucht dringend Geld und entwickelt sich zur gewissenlosen Wahrsagerin, die mit Hokuspokus und eiskaltem Kalkül die reiche Witwe Sibylle schröpfen und beerben will. Um Rückführungen in Hypnose in frühere Epochen zu begründen, in denen Sibylle ihren geliebten Mann wieder trifft, erforscht Blanche historische Einzelheiten aus der Stadtgeschichte.

In einem der ersten Kapitel findet der Leser Blanche plötzlich tot in der Badewanne liegen. Daneben sitzen Cleo und Sie. Richtig gelesen: Das Sie muss großgeschrieben werden, Sie taucht immer wieder auf und spricht mit der Katze. – Wer ist Sie? – Es lohnt sich, das spannende Buch zu lesen, schon allein, um zu erfahren, wer Sie ist und wie man einen perfekten Mord begehen kann. So viel sei verraten: Blanches Tod ist nicht der perfekte Mord. Da war noch etwas anderes.

Die schnörkellose Sprache, der Witz in der Handlung, die typisch kölschen Sprüche und der Kölner Klüngel sind eine Unterhaltung der besonderen Art. Die bildhaft geschilderten Charaktere und die tatsächlich geschehenen Ereignisse sind kunstvoll ineinander verwoben. Wer es ganz genau wissen will, wo die Grenze zwischen Historie und Dichtung läuft, findet im Anhang sogar die Quellen für die Zitate und die Einzelheiten der Konstruktion.

Ulrike Blatter hat mit diesem Buch ihrer Heimatstadt eine kriminalistische Liebeserklärung gemacht und ein Spendenkonto zur Erhaltung der Archivalien in dem eingestürzten Stadtarchiv eingerichtet.

Wer mehr über Ulrike Blatter und ihre Arbeit wissen will, ist auf www.ulrike-blatter.de willkommen.

Hier ist der Buchtrailer.

Dr. med. Dietrich Weller, 15.02.20116

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