Warum ist gute Kommunikation in Praxis und Klinik wichtig?

 

Die Zukunft der Menschen liegt in ihrer erfolgreichen Kommunikation miteinander, sonst haben sie keine Zukunft.

Wir leben in einem Zeitalter der Informationsexplosion und der rapiden Weitergabe von Informationen rund um die Welt. Dass jedoch das Verstehen – also die Verarbeitung der Information – nicht klappt, sehen wir an den zunehmenden Konflikten und den fehlenden Lösungen weltweit. Wie sollte es auch funktionieren, wenn wir schon in dem kleinen Rahmen einer Arztpraxis, einer Klinikstation oder einer Familie große Schwierigkeiten haben, einander zu verstehen und zu verständigen, mit Krisen richtig umzugehen und Ärger zu minimieren.

Zunehmende Konkurrenz, steigende Kosten, sinkende Umsätze, Gewinnverluste von durchschnittlich 20% in der Arztpraxis, eine arzt- und patientenfeindliche Gesundheitspolitik und selbstbewusstere Patienten mit kritischer Vernunft und vermehrter Information über medizinische Zusammenhänge machen es immer schwieriger, eine menschlich und finanziell erfolgreiche Praxis oder Klinik zu führen.

Wir sehen immer häufiger Ärzte, die sich aus wirtschaftlichen Gründen zu Gemeinschaftspraxen zusammenschließen, und immer mehr Kliniken, die unter dem Finanz- und Konkurrenzdruck schließen müssen. Dieser Druck ist politisch gewollt. Man nennt das „Marktbereinigung“ und „Gesetz der Marktwirtschaft“. Die Politik verlangt immer noch sehr gute Qualität von den Ärzten und schränkt andererseits die Möglichkeiten dafür konsequent ein.

Die zweizüngige Gesundheitspolitik steuert zusätzliche Unsicherheit und Verstimmung unter allen Beteiligten bei. Dazu nur zwei Beispiele.

Einerseits versucht die Politik gegen Alkohol und Nikotin mit hohen Preisen vorzugehen, weil der Finanzminister dringend die 13,6 Mrd. Euro [1] braucht, die allein 2004 als Steuern erlöst wurden. Und die Regierung überlegte sofort, ob die Erhöhung des Zigarettenpreises gut war, als die Steuereinnahmen 2004 um ein paar Mio. Euro zurückgingen. Außerdem klagt die deutsche Regierung gegen das Tabakwerbeverbot. Andererseits wird der Tabakanbau im Jahr mit etwa 900 Mio. Euro aus der EU-Kasse subventioniert. Bei ca. 17 Mrd. Euro volkswirtschaftlichen Kosten durch tabakbedingte Krankheiten und Todesfälle und 20,2 Mrd. Euro (das entspricht 1,1% des Bruttosozialproduktes!) ist das eine bemerkenswerte Tatsache. Jährlich sterben in Deutschland etwa 74.000 Menschen durch Alkoholkonsum allein und etwa 110.000 bis 140.000 Menschen an den Folgen des Tabakverbrauches. 22 % aller männlichen und etwa 55 aller weiblichen Todesfälle sind tabakbedingt. Wenn ein Nahrungsmittel so viele Tote und Krankheiten produzieren würde wie Tabak und Alkohol, wäre es längst verboten. Aber da man richtig viel Geld damit machen kann und ein Verbot von Tabak und Alkohol nicht durchsetzbar ist, wird die Chance, an der Sucht zu verdienen, auch vom Staat genützt.[2]

Einerseits wird dem Patienten von den Krankenkassen (fast) alles versprochen, andererseits werden Ärzte und Kliniken kontrolliert (unter Anderem, weil es auch in diesen Kreisen schwarze Schafe gibt, die das System ausnützen!) und finanziell zur Rechenschaft gezogen, wenn Sie ihren Handlungsspielraum auch nur gering zu Gunsten des Patienten ausdehnen. Und die Verflechtungen zwischen Politik und Pharmaindustrie sind so raffiniert, dass die Pharmaindustrie längst die politischen Entscheidungen gut im Griff hat. [3]

Deshalb ist es überlebensnotwendig, alle Reserven zur Stabilisierung und Sanierung der Praxis und Klinik zu mobilisieren und zu nützen!

Der richtige Umgang mit den Patienten stellt eine menschenfreundliche und überzeugende Methode dar, Patienten zu gewinnen und zu binden. Dies ist in unserer derzeitigen sehr schwierigen gesundheitspolitischen Situation unerlässlich für das wirtschaftliche Überleben einer Praxis und einer Klinik. Es ist also wichtig, auch so scheinbar nebensächliche Möglichkeiten wie die Verbesserung der Kommunikation in Betracht zu ziehen, um unsere Patienten menschenwürdig und praxisbewusst zu betreuen.

In Wirklichkeit ist die Kommunikation mit unseren Patienten die wichtigste Bindungsmög-lichkeit. Wenn die Patienten sich von einem anderen Arzt oder in einer anderen Klinik menschlich besser betreut fühlen, gehen sie dorthin.

Was unser Gesetzgeber über die Zuwendung zum Patienten denkt, erkennen Sie nicht nur an der bisherigen Gesundheits- und Abrechnungspolitik, sondern auch an solch kleinen Beispielen wie dem folgenden.

Im Gegensatz zur bisherigen Berechnung des Personals auf der Basis der Planbetten wird jetzt die „Leistung am real vorhandenen Patienten“ in Minutenwerten berechnet. In der Pflegepersonalregelung des Bundesministeriums für Gesundheit (Stand 22.6.1992, also noch vor dem GSG) heißt es:

„Für das Begleiten des Patienten in der Phase des Sterbens stehen 4,42 Minuten, für die erweiterte Leistung 8,9 Minuten und für besondere Leistungen 9,39 Minuten zur Verfügung.“

Ich bitte Sie, sich dieses Zitat konkret in den Alltag umgesetzt vorzustellen, zum Beispiel angewandt auf den zuständigen Minister und auf Sie selbst als Patienten.

Bei jeder Form der Kommunikation ist zu berücksichtigen, dass die Dauer eines Gespräches nicht gleichzeitig eine gute Qualität bewirkt. Wir wissen aus unserem Alltag, dass ein kurzes und zielsicheres, aufmerksames Gespräch viel besser und wirksamer sein kann. Ebenso kann eine wortlose Kommunikation vollständig ausreichen und sinnvoller und aussagekräftiger sein als viel Gerede. Äußerst fragwürdig erscheint es mir allerdings, für die Zeit am Sterbebett Richtwerte mit Hundertstel Minuten einzusetzen, zumal eine Definition dieser Tätigkeit meines Wissens nicht existiert.

Der Satz „Ich habe keine Zeit für eine gute Kommunikation“ zeigt, dass das Wesen einer guten Kommunikation nicht verstanden wurde.

Der Weg zum Erfolg für Arzt und Patient kann nur über eine Verbesserung von Organisation, Planung und Kommunikation in der Praxis und Klinik führen. Unsere Patienten wollen in ihrer psychosozialen Situation besser verstanden werden und erwarten mehr professionelles Eingehen auf ihre ganzheitliche Problematik. Sie wollen in erster Linie eine freundliche und empathische Reaktion vom ganzen Praxis- oder Stationsteam erfahren.

Fragen Sie sich selbst: Würden Sie sich als Patient in Ihrer eigenen Praxis, auf ihrer eigenen Klinikstation geborgen und menschlich und medizinisch gut versorgt fühlen?

Wenn Sie jetzt mit der Antwort nur zögern, haben Sie ein Problem, das Sie schnellstmöglich bewältigen müssen.

Die altbekannte Regel „Umsatz rauf – Kosten runter!“ zur Bewältigung einer wirtschaftlichen Krise ist in der Lage der Ärzte nur beschränkt umsetzbar. Besser funktioniert die Maxime von Alfred Herrhausen, dem früheren Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank: „Qualität rauf – Kosten runter!“

Und dass die Qualität der Kommunikation in den Arztpraxen dringend verbesserungsbe-dürftig ist, zeigen alle Untersuchungen der vergangenen Jahre. Der Druck auf die Ärzte wird immer größer werden, und die Patienten werden mit den Füßen abstimmen, wo sie sich am besten verstanden und versorgt fühlen. Der Umgang Ihres ganzen Teams mit Ihren Patienten entscheidet darüber, ob die Patienten zu Ihnen kommen oder zum Nachbarkollegen gehen oder geschickt werden.

Gute Kommunikation erhöht die Lebensqualität, die Freude an der Arbeit und sichert Ihr Einkommen. Dieses ganzheitliche Konzept ist der Weg zum umfassenden Umgang mit den Patienten, die Ihrer Praxis oder Klinik gerne treu bleiben und Ihnen zu finanziellem und persönlichem Erfolg verhelfen!

Alle Umfragen der letzten Jahre zeigen deutlich, dass die Mehrzahl der Patienten besonders großen Wert legt auf eine vertrauensvolle Beziehung zu ihrem Arzt und auf eine gute Gesprächsatmosphäre. Sie verbinden damit die Adjektive sympathisch, herzlich, aufgeschlossen, nett, liebevoll. Besonders wichtig ist es für sie, dass der Arzt gut zuhört, ehrlich ist, über alles mit den Patienten redet und die Patienten ganzheitlich betreut.

Mit ganzheitlicher Betreuung ist gemeint, dass der Arzt auf die körperlichen, seelischen, geistigen und sozialen Gesichtspunkte des Patienten eingeht. Das heißt: Die Patienten wollen in ihrer Ganzheit als Mensch wahrgenommen und betreut werden. Sie haben wenig Verständnis dafür, wenn sie lediglich als „die Niere“ oder „das Gipsbein“ betrachtet und abgefertigt werden.

Die WHO hat bei ihrer Gründung den Begriff Gesundheit auch aus einer ganzheitlichen Sicht heraus definiert:

„Gesundheit ist ein Zustand völligen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheiten.“

Dies hat Prof. Dr. med. H. E. Bock aus seiner klinischen Sicht gemeint, als er sagte:

„Wie der Mensch als Ganzheit in seinem Lebensraum steht, so wird er als Ganzheit auch von Krankheit betroffen, selbst wenn sie sich nur lokal bemerkbar macht, durch Chronifizierung abgeschwächt verläuft und durch Gewöhnung unterschwellig geworden ist.“

Die Patienten erwarten zum weitaus größten Teil eine stabile menschliche Beziehung zum Arzt. Das ist ihnen im Allgemeinen wichtiger als die technische Ausrüstung der Praxis oder der Klinik. Jeder Mensch, also auch unsere Patienten, hat ein Grundbedürfnis nach menschlicher Zuwendung. Dieses müssen wir erfüllen, wenn wir eine gute Beziehung aufbauen und bewahren wollen.

Eine gute Kommunikation ist Grundlage für jede Form der erfolgreichen Zusammenarbeit im Alltag, denn nur ein informierter Mensch kann kooperativ sein.

Das persönliche Band zwischen zwei Menschen wird durch die Form ihrer Kommunikation gekennzeichnet. Das gilt auch dann, wenn es sich um eine rein sachliche Angelegenheit wie eine Röntgenaufnahme oder das Anlegen eines Gipsverbandes geht.

Die gute Kommunikation ist nicht nur wichtig, um den menschlichen Umgang und den Erfolg der angestrebten Therapie zu optimieren. Wenn wir gut miteinander kommunizieren, fühlen sich alle Beteiligten besser verstanden und werden frei, authentisch zu reagieren.

Wenn wir eine Entscheidung aufschieben, weil wir sie nicht treffen wollen oder können, haben wir damit wirkungsvoll und unbewusst entschieden, dass es bleibt, wie es ist. Wir haben also doch eine Entscheidung getroffen, es uns aber nicht bewusst gemacht. Dann müssen wir damit rechnen, dass andere für uns entscheiden, wie es ihnen gefällt.

Da das persönliche Verhältnis im Umgang mit dem Patienten prägend ist für das Vertrauen, das der Patient in das gesamte Praxis- oder Stationsteamteam hat, ist es grundsätzlich wichtig, diese Basis sehr bewusst herzustellen und zu pflegen. Leider ist es ein weit verbreiteter Irrtum, es genüge, mit dem Patienten einfach zu reden.

Die Gefahr bei der guten Kommunikation besteht in der Illusion, sie sei schon erreicht.

G. B. Shaw



[1] Das ist nach der Mineralölsteuer die ertragreichste Verbrauchsteuer.

[2] www.kreuzbund.de

[3] Vollborn und Georgescu, Die Gesundheitsmafia. Wie wir als Patienten betrogen werden, S. Fischer 2005.

Diesen Artikel habe ich in dem Buch Ich verstehe Sie! Kommunikation in Praxis, Klinik und Pflege veröffentlicht.

 

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