Im Rahmen des diesjährigen BDSÄ-Kongresses in Wismar lautete das Thema für eine Lesung Wenn du Gott zum Lachen bringen willst, erzähle ihm deine Pläne. Dazu schrieb ich diesen Beitrag.
Gibt es Gott? Hat er etwas zu lachen?
Albert Einstein sagte: „Wer es unternimmt, auf dem Gebiet der Wahrheit und der Erkenntnisse als Richter aufzutreten, scheitert am Gelächter der Götter.“
Die erste Frage, die sich mir aufdrängt: Hat Gott Humor? Ich könnte einfach sagen: Na klar, er hat mich geschaffen! – Aber warum habe ich dann so wenig Humor, wenn er mich angeblich nach seinem Bilde geschaffen hat? Oder hat er auch wenig Humor?
Viel wichtiger ist mir die Frage: Gibt es überhaupt einen Gott oder mehrere Götter? Ich weiß es nicht. Ich kann es nicht glauben. Ich habe zumindest große Zweifel.
Wir Menschen sind die einzige Spezies, die nach vergangenen Vorgängen fragen kann. .Die mechanistische Sicht der Evolutionsgeschichte lehrt, dass sich etwas Perfektes entwickeln muss. Gott kann also nicht einfach eines Tages perfekt da gewesen sein, wie wir ihn uns so allzu menschlich ausmalen – allmächtig, allwissend, überall gleichzeitig anwesend und wirkend, alles nach seinem Plan richtig machend. Schon Feuerbach (1804-1872) formulierte, dass wir ihn nach unserem Bild geschaffen haben, nicht umgekehrt!
Das neueste Buch von Stephen Hawking, dem neben Albert Einstein wohl größten naturwissenschaftlichen Genie des letzten Jahrhunderts, hat mich auf ein sehr überzeugendes Argument gebracht. Er schreibt in Kurze Antworten auf große Fragen, dass nach den neusten Erkenntnissen der Kosmologie am Anfang des Universums, also vor dem Urknall, die Zeit und der Raum so absolut klein waren, dass es keinen Raum für irgendetwas gab, also auch nicht für einen Gott.
Wenn er so menschenähnlich ist, wie die Theologen es uns glauben machen wollen, sind Fragen erlaubt: Wer hat ihn gezeugt? Wer hat ihn geboren? Wie sollen wir uns die Geburt dieses Gottes vorstellen? Woher kommt also dieser Gott? Hat Gott eine Entwicklung durchgemacht? Die Bibel zeigt, dass Gott lernt und im Laufe der biblischen Ereignisse sein Verhalten den Menschen gegenüber verändert hat. Jede Ursache hat eine Wirkung, und jede Wirkung kommt durch eine Ursache. Das ist ein Grundgesetz dieses Universums. Soll Gott davon ausgenommen sein? – Das mechanistische Weltbild steht im Gegensatz zur Quantenmechanik, wo klar wird, dass wir entweder etwas über den Ort oder über den Zustand eines Partikels klar aussagen können, aber nicht beides gleichzeitig.
Wenn er wirklich so vollständig und alles in sich vereinigend ist, könnte Gott auch eine Frau[1] oder eine Mann-Frau oder ein Neutrum sein? – Nein, natürlich nicht, denn wir haben Gott nach unserem Bild geschaffen – und nicht umgekehrt!-, und da ist seit Menschengedenken ganz klar der Mann der Dominierende, angeblich die „Krone der Schöpfung“. Also kann der „Übermensch“ Gott nur ein Mann sein. Jedenfalls können streng gläubige Christen, Juden und Moslems keine Frau als Religionsführerin oder gar als Göttin zulassen, sonst würde das ganze Machtgebäude der Kirchen zusammenbrechen, das auf dem patriarchalen Grundsatz beruht. Gerade zum Machterhalt, nicht nur zu Trost und Führung wurde die Katholische Kirche seit dem 4. Jhd. (Kaiser Konstantin) auf- und ausgebaut.
Dass viele Kirchen karitative und seelsorgerliche Aktivitäten fördern, schätze ich, solange diese auch Nicht- oder Andersgläubige damit bedenken. Ich erlebe auch, dass es Menschen gibt, die große Hilfe und Kraft durch ihren Glauben an Gott erhalten. Echte Gläubige haben eine wertvolle Lebenshilfe.
Theologie (Gotteswissenschaft) ist die Wissenschaft, die zur Kirchenleitung befähigt. Echte Wissenschaft erforscht neutral, das heißt ohne Vorgabe des Ergebnisses. Aber ein hermeneutisches Verständnis, dem ein erklärendes und auslegendes Wesen von Texten innewohnt, prägt alle Wissenschaften. Bei der katholischen Religion und dem Islam wird meist vorgeschrieben, was das Ergebnis der Forschung sein muss oder sein darf. Wer davon abweicht, wird und wurde unter Druck gesetzt oder / und ausgeschlossen wie Galilei, Giordano Bruno, Martin Luther, Eugen Drewermann und Hans Küng.
Besonders schlimm finde ich, dass Anhänger der christlichen Kirchen und islamischen Religionen oft ihre Macht missbrauchen, indem sie mit Indoktrination von Schuldgefühlen Menschen mit Scheinmoral auf die Knie zwingen und gegeneinander aufhetzen. Dabei wird das Aggressionspotenzial, das allen Menschen eignet, aktiviert und pervertiert.
Islamistischer Terror kommt aus dem Islam, aus den Moscheen und Gebetsschulen und wird von den Terroristen als Rechtfertigung für den Terror benutzt. Hier wird der Grundsatz Ich folge nur dem Befehl, bin also nicht schuldig! dazu missbraucht, verbrecherische Handlungen mit einem übergeordneten göttlichen Handlungsbefehl zu rechtfertigen. Deshalb braucht auch der Islam eine Aufarbeitung der Gewaltgeschichte und eine Distanzierung davon.
Mal angenommen, Gott hat das Universum mit allen Lebewesen geschaffen. Aber ist er auch für die Folgen verantwortlich? Wir Menschen werden für unser Handeln und Unterlassen beurteilt und gelobt oder bestraft. Die Ethik versucht, dafür allgemein gültige Maßstäbe zu formulieren.
Dabei ist nach neuesten neurophysiologischen Forschungen sehr fraglich, ob wir einen freien Willen haben. Die massiven Einflüsse durch die in der DNA festgelegten genetischen und epigenetischen Verhaltensweisen und Anlagen, durch die Manipulationen aller Medien, durch die Erziehung im Elternhaus, in der Schule und an der Ausbildungsstelle, durch Familie, Kirche, soziales Umfeld, Werbung, Propaganda und gefälschte Informationen, neuerdings auch durch Bots[2] und Trolle[3]. Wir haben dem wenig entgegen zu setzen. Oft sind wir uns nicht einmal bewusst, dass wir alle diesen Einflüssen ausgesetzt sind.
Es gibt die Meinung, dass wir in der „Vertikalen“, also Gott gegenüber, keinen freien Willen haben, und im Alltag, in der „Horizontalen“, nur begrenzt.
Wenn die so genannten Heiligen Schriften der einzelnen Religionen eindeutig wären, also nur eine einzige Deutung zulassen würden, gäbe es zumindest im christlichen Bereich keine verschiedenen Kirchen und keine kriegs- und friedenstreibenden Meinungsunterschiede. Die Texte unterliegen aber der hermeneutischen Sichtweise. Die biblischen Schriften sind nicht der Grund für die Einheit der Kirche, sondern für ihre Verschiedenheit.
Leben ist das, was abläuft, solange wir etwas anderes planen.
Vielleicht ist das –ketzerischer Gedanke!- der Moment, in dem Gott richtig lacht, weil er uns reingelegt oder – wie wir erst viel später merken- auf den rechten Weg geführt hat. Es gibt den hilfreichen Gedanken, dass seine Handlungsfäden wie bei der Rückseite eines Teppichs verschlungen, verzweigt und von vorn – von unserer Sicht aus – nicht erkennbar sind. Darauf berufen sich die Gläubigen, wenn sie ein trauriges oder schockierendes Ereignis nicht erklären können. Wir müssen es sicherlich so annehmen, wenn wir es nicht ändern können. Aber sind wir dann ein Opfer unseres oder Gottes Handelns? – Wir stehen in der Anfechtung, wie Luther es mit der Trias oratio – meditatio – temptatio[4] gemeint hat.
Wir billigen Gott zu, dass er uns geschaffen hat, angeblich nach seinem Bilde. Warum sollen wir dann verantwortlich sein für die Folgen seiner Schöpfung? Trotzdem sagt mir mein Gefühl, dass ich verantwortlich bin für mein Tun und mein Unterlassen. Als Arzt weiß ich, dass es Krankheiten wie Psychosen mit symptomatischen Handlungen gibt, die Menschen begehen in einem Zustand, für den sie nicht verantwortlich sind.
Klar ist mir: Das Leben kann uns viel aufbürden, aber es kann uns nicht dazu zwingen, wie wir darauf reagieren.
Wenn Gott uns nach seinem Bild geschaffen hat, muss er auch unsere negativen Eigenschaften haben und kennen, sonst kann er diese nicht in uns einpflanzen. Wie bei einem Schauspieler, der nur spielen kann, was in ihm angelegt ist.
Vielleicht hat Gott mit malignem Humor Morde, Völkervernichtungen, Religionskriege und all die anderen Folgen von Hass als Regulativ eingeplant und sitzt im Universum und lacht sich ins Fäustchen, wie wir auf seinen Plan reinfallen. Friedensforscher haben errechnet, dass im Laufe der Menschheit mehr Menschen durch Religions- oder Weltanschauungskriege in irgendeines Gottes Namen oder einer Ideologie umgekommen sind als durch politisch und durch Landraub motivierte Kriege.
Blaise Pascal sagte: „Nie tun Menschen Böses so gründlich und glücklich wie aus religiöser Überzeugung.“
Seit der Mensch Maschinen erfindet und weiterentwickelt, nimmt er immer mehr Einfluss auf die Umwelt, in der er lebt. Die Wissenschaftler nennen unser jetziges Zeitalter das Anthropozän, weil wir Menschen die Umwelt zunehmend beeinflussen und gestalten. Stichwörter: Klimawandel, Artensterben, Ausbeutung der Bodenschätze, Verschmutzung der Meere. Man könnte auch sagen, weil wir die Umwelt zunehmend zerstören. Der Kampf um Geld und Macht auf der einen Seite und Erhaltung der Natur auf der anderen Seite war noch nie so folgenschwer wie zurzeit. Ich erwarte, dass wir Menschen die Erde unbewohnbar machen. Aber ich bin mir auch sicher, dass die Natur selbst den letzten Atomkrieg überleben wird.
Ob Gott darüber lachen kann? Oder ist das sein Plan?
Bert Brecht hat gesagt: „Das Schicksal des Menschen ist der Mensch.“ Ich denke, das Schicksal der Erde ist der Mensch.
Aber wir können auch mal annehmen, es gäbe keinen Gott. Dann ist dieses Universum vor etwa 13,5 Milliarden Jahren durch den Urknall entstanden, und vieles aus seiner Entwicklungsgeschichte kennen wir noch nicht.
Eines der wichtigsten Bücher, das ich dieses Jahr gelesen habe, ist von Stephen Hawking, Kurze Antworten auf große Fragen (Klett-Cotta). Er beschreibt dort ausführlich und verstehbar, dass es nach den heutigen Forschungen und Naturgesetzen vor dem Urknall keine Zeit und keine Raum gab. Er schreibt: „Vor dem Urknall existierte keine Zeit, folglich gab es auch keine Zeit, in der Gott das Universum hätte erschaffen können. … Es gibt wahrscheinlich keinen Himmel und kein Leben nach dem Tod. Ich nehme an, der Glaube an ein Jenseits ist lediglich Wunschdenken. Es gibt keine verlässlichen Belege dafür, und die Annahme widerspricht allen wissenschaftlichen Erkenntnissen.“
Die Polaritäten sind ein wesentliches Prinzip der Naturgesetze. Aber gut und böse, Freund und Feind, Liebe und Hass sind kein Naturgesetz, sondern wir legen die Bedeutung fest, je nach dem, aus welchem Blickwinkel wir das Verhalten betrachten und beurteilen.
Der Drang nach Macht ist allgegenwärtig. Kriege werden durch Gier und Neid befeuert. Der Stärkere gewinnt meist vordergründig und kurzfristig. Zu einem etwas weiteren Blick ist der Mensch zwar fähig, aber seine Handlungen werden überwiegend durch kurzfristige Vorteile begrenzt und bestimmt. In diesem Spannungsfeld stehen die Friedenswilligen den Kriegswilligen gegenüber.
Hier gibt es den Zufall, der uns (vielleicht?) zufällt, wenn er fällig ist. Beim Zufall kennen wir die ursächlichen Zusammenhänge nicht, es muss sie aber geben, denn das Gesetz von Ursache und Wirkung gilt. Auch bei den Lottokugeln stoßen sich die einzelnen Kugeln nach physikalischen Gesetzen gegenseitig an und ab. Und es gibt die Synchronizität von Ereignissen, die gleichzeitig stattfinden, aber ohne inneren oder ursächlichen Zusammenhang.
Dass hier ein Gott seit Beginn seiner Existenz bis jetzt und für alle Ewigkeit gleichzeitig und das Universum umspannend an allen Orten bei jedem Tier, jedem Mensch und jedem Molekül!- seine regulierenden Hände (wie viele?) im Spiel hat, halte ich für eine völlig unrealistische Vorstellung.
Wo bleibt der Humor? Ich denke, Humor ist das Gleitmittel im Getriebe der Welt, die wunderbare Eigenschaft, Unerträgliches auszuhalten und sich über viele kleine und große Geschenke der Natur und des Lebens zu freuen.
Ich bin fest überzeugt: Wir machen uns Himmel und Hölle hier auf Erden selbst. Das Jenseits mit dem belohnenden Himmel und der strafenden Hölle brauchen wir dazu nicht. Ich halte es für einen meist machtinduzierten und realitätsfernen Manipulationsversuch vieler Kirchenanhänger, einem Menschen für das Jenseits etwas Böses oder Gutes anzudrohen oder zu versprechen und von ihm deshalb im Dieseits ein bestimmtes Verhalten abzuverlangen.
Ich finde es zu einfach zu sagen, weil Adam und Eva sich falsch benommen haben, seien wir alle zu Fehlern und Sünden verdammt. Und wenn wir genügend Ablass bezahlen, kämen wir in den Himmel. Das ist eine gigantische Gelddruckidee[5], die bis heute in der Katholischen Kirche vortrefflich wirkt. Aber mit Vergebung und innerem Frieden hat das nichts zu tun, sondern mit bewusster Irreführung der Gläubigen.
Wenn es einen Gott gibt, mag er lachen über meine Gedanken. Wenn er mich gemacht hat und immer da ist und mich steuert, sind es ohnehin seine Gedanken. Dann lacht er über sich und seine Geschöpfe.
Wenn es ihn nicht gibt, freue ich mich, dass ich allein denken kann. Ich bin dankbar für das Schöne und Gute und Vollkommene, für die Liebe und die Musik, für die Orchideen und die Schlüsselblumen. Ich lache gern, wenn mich ein fröhliches Kind mit seiner unverstellten Freude beschenkt. Aber mir bleibt das Lachen im Halse stecken, wenn ich an die von Gewalt dominierte Welt denke.
Unbezweifelbar gilt dieser Gedanke, den ich bei dem amerikanischen Psychiater Ron Smothermon gefunden habe:
„Entweder gibt es einen Gott, oder es gibt keinen Gott. Das ist unabhängig davon, was ich glaube.“
[1] Wie in dem Buch Die Hütte von William Paul Young, Allegria-Verlag
[2] Unter einem Bot (von englisch robot ‚Roboter‘) versteht man ein Computerprogramm, das weitgehend automatisch sich wiederholende Aufgaben abarbeitet, ohne dabei auf eine Interaktion mit einem menschlichen Benutzer angewiesen zu sein. Bots werden z.B. zur Beeinflussung der Bevölkerung bei Wahlen eingesetzt.
[3] Als Troll bezeichnet man im Netzjargon eine Person, die ihre Kommunikation im Internet auf Beiträge beschränkt, die auf emotionale Provokation anderer Gesprächsteilnehmer zielt. Dies erfolgt mit der Motivation, eine Reaktion der anderen Teilnehmer zu erreichen.
[4] Gebet – Meditation – Versuchung/Anfechtung
[5] Heute würde man das Crowd-Funding nennen: Die Massen zahlen!