Wollen Sie Organspender sein?

Vorbemerkung: Bitte beachten Sie, dass ich diesen Artikel bereits 1997 für mein „Wenn das Licht naht“ geschrieben habe. Die Problematik der Organspende in menschlicher und organisatorischer Hinsicht hat sich allerdings trotz der Skandal des vergangene Jahres im Prinzip nicht verändert. Die Zahl der angebotenen Spenderorgane ist immer noch viel geringer als die Zahl der benötigten Organe. Deshalb halte ich den Artikel unverändert für gültig.

 

Do ut des.  Ich gebe, damit du gibst.

Lateinisches Sprichwort

Verhalte dich so, wie du es von anderen dir gegenüber erwartest.

Nach dem Kategorischen Imperativ von Immanuel Kant (1724-1804), deutscher Philosoph

25.1 Einige Zahlen und Informationen

Inzwischen sind es über vierzig Jahre her, seit die ersten Organe transplantiert worden sind. 1954 gelang in Boston die erste Übertragung einer Niere auf einen Menschen. Aber die Weltöffentlichkeit hat bei der ersten Herztransplantation die Sensation der neuen Möglichkeiten wirklich aufgenommen und breit diskutiert. Prof. Christiaan Barnard übertrug 1967 in Kapstadt einem Menschen das erste menschliche Herz. Seither hat die Zahl der Organtransplantationen sprunghaft zugenommen. Inzwischen leben weltweit über 300 000 Menschen mit einem fremden Organ.

Bei den Nieren ist die Erfolgsquote besonders hoch: Ein Jahr nach der Übertragung funktionieren noch etwa 80 Prozent der transplantierten Organe, nach fünf Jahren noch 75 Prozent.FN Bei etwa der Hälfte der transplantierten Nieren kommt es in der Frühphase nach der Operation zu Abstoßungsreaktionen, die aber meistens durch entsprechende Medikamente eingedämmt werden könnten.

Die 5-Jahres-Überlebensrate bei verpflanzten Lebern beträgt bei Patienten mit chronischen Lebererkrankungen fast 80 Prozent und etwa 70 Prozent, wenn die Patienten vorher ein rasch ablaufendes Leberversagen hatten.

Bei Hornhäuten ist die Funktionsdauer der Transplantate noch höher: Sie ermöglichen oft über Jahrzehnte eine gute Sehqualität.

Diese Erfolge wurden mit zunehmend verbesserter Operations- und Gerätetechnik und wachsender Erfahrung mit Medikamenten möglich, die das Abwehrsystem des Körpers und damit die Abstoßungsreaktionen gegenüber den übertragenen Organen beein-flussen.

Nur ein paar Zahlen für 1996: 510 Herzen, 699 Lebern, 108 Lungen und 102 Bauchspeicheldrüsen sind in 49 deutschen Kliniken transplantiert worden. Insgesamt stieg die Zahl der Transplantionen von 3 368 auf 3 435 innerhalb von einem Jahr. Das sind etwa 2% mehr Transplantationen als 1995. Allerdings hat die Zahl der Nierentransplantationen um 112 abgenommen bei einer Gesamtzahl von 2016.FN

25.2 Wann muss ein Organ transplantiert werden?

Wenn ein lebenswichtiges Organ schwere Funktionsausfälle zeigt, die medikamentös oder technisch nicht mehr ausgeglichen werden können, hat der Patient nur dann eine Überlebenschance, wenn er ein neues Organ erhält. In der breiten Öffentlichkeit ist inzwischen das Beispiel der Dialyse bekannt, bei der mit einem hochtechnisierten Gerät Blut aus dem Körper von den Giftstoffen befreit wird, die eigentlich von der Niere aus-geschieden werden müssten. Wenn die Dialyse nicht zur Verfügung steht, stirbt der Mensch an einer Vergiftung. Auch wenn bei einer schweren Herzerkrankung Operationen an den Herzkranzgefäßen nicht oder nicht mehr möglich sind, und das Herz bei einer Herzmuskelerkrankung zu schwach arbeitet, hilft nur noch eine Transplantation eines fremden Herzens vor dem sicheren und manchmal sehr qualvollen Tod.

25.3 Der Mangel an Spenderorganen

Fast 10 000 Dialysepatienten warten auf eine Niere, Eurotransplant kann aber zur Zeit nur etwa 2 500 Nieren im Jahr vermitteln.FN-1 Mindestens 2 000 Menschen brauchen dringend ein neues Herz und eine neue Leber. Die Wartelisten werden immer länger, und zur Zeit können maximal etwa 2.000 Nieren pro Jahr transplantiert werden.70 Im Durchschnitt vergehen drei bis fünf Jahre, bis für einen Patienten auf der Warteliste ein Organ zur Verfügung steht. Da ist das Warten nicht nur für die Patienten eine Form der Folter und Ungewissheit, sondern während dieser Zeit können andere Organe zusätzlich krank werden und die Operations- und Überlebenschance verringern.

Etwa 10 bis 20 Prozent der Menschen, die auf eine Leber zur Transplantation warten, sterben bevor ein Spenderorgan zur Verfügung steht.FN-2

Inzwischen werden wegen der Knappheit der transplantierbaren Nieren immer mehr Stimmen laut, die besonders strenge Kriterien für diese Transplantation verlangen, da man bei einer nicht ausreichenden Nierenfunktion mit einer regelmäßigen Dialyse weiterleben kann. Die Abhängigkeit von einer dreimal in der Woche nötigen Dialyse ist eine besonders komplizierte Situation für den Kranken. Außerdem leidet die seelische und körperliche Entwicklung von Kindern während einer schweren Nieren- und Herzerkrankung besonders stark.

Wie in den meisten europäischen Ländern werden in Deutschland 12 bis 13 Organe je 1 Million Einwohner gespendet. In den USA sind es 18, und Spanien ist mit 32 Organen auf 1 Million Einwohner an der Spitze in Europa.FN-2

Die Nachfrage nach transplationsfähigen Organen kann in Deutschland schon lange nicht mehr gedeckt werden. Seit Beginn der Transplantationen bis 1995 hat Deutschland etwa 1500 Organe mehr bezogen, als es in den internationalen Spenderpool eingebracht hat. Österreich und die Beneluxländer haben zum Beispiel 207 Organe allein 1996 nach Deutschland importiert. Diese Situation schafft dort natürlich Unzufriedenheit und Ärger. Das spricht auch dafür, in unserem Land möglichst rasch eine hohe Rechtssicherheit für Transplantationen zu erreichen, um das Vertrauen der Bevölkerung in die richtige Versorgung der Betroffenen zu gewährleisten.

25.4 Neue Lebensqualität

Durch eine Transplantation wird die verminderte Lebensqualität sehr oft schlagartig und erheblich gebessert. Die meisten Menschen können ihren Alltag nach einer Übergangsphase in uneingeschränkter Form wieder bewältigen, erfahren eine neue Lebensfreude und feiern deshalb das Transplantationsdatum oft als zweiten Geburtstag. Das ist ja auch gut einsehbar, denn sie haben ein neues Leben erhalten, für das sie besonders dankbar sind.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch die Übertragung von kleinen Organteilen wie Gehörknöchelchen bei einem ertaubenden oder Hornhaut bei einem erblindenden Menschen schon ganz grundlegende Unterschiede in der Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit der Patienten bewirken.

Ein Kollege von mir hat im Alter von 39 Jahren unerwartet eine so schwere Herzmuskelerkrankung bekommen, dass er plötzlich in einem lebensbedrohlichen Zustand war. Vorübergehend konnte seine Herzfunktion mit Medikamenten verbessert werden, aber es war klar, dass er nur mit einem neuen Herzen überleben kann. Eine für alle Beteiligten und besonders für ihn selbst quälende Zeit der Unsicherheit und ständigen Verschlechterung schloss sich an. Nach fast zwei Jahren bekam er ein Spenderherz und ist inzwischen wieder in der Lage, seine Praxis zu versehen und ohne wesentliche körperliche Einschränkung mit seiner Familie zu leben.

(Bemerkung 2013: Er hat zwanzig Jahre mit diesem Organ gelebt.)

Herrn Strom habe ich über viele Jahre betreut. Er bekam als recht junger Mann nach relativ kurzer Zeit an der Dialyse eine neue Niere, die aber innerhalb der ersten Tage abgestoßen wurde. Er musste also wieder an die Dialyse angeschlossen werden, um überleben zu können. Glücklicherweise konnte rasch ein zweites Organ gefunden werden, das Herr Strom gut vertrug. So erholte er sich bald und konnte seinen Beruf als Handwerkermeister mit eigenem Betrieb wieder aufnehmen. Leider verstarb er recht jung ein paar Jahre später an einem Herzinfarkt.

25.5 Die entscheidende Frage

1996 waren in Deutschland mehr als die Hälfte der Befragten bereit, nach ihrem Tod ein Organ für eine Transplantation zur Verfügung zu stellen. Besonders hoch ist die Bereitschaft bei jüngeren Erwachsenen, hier liegt sie bei knapp 70 Prozent. Trotzdem halten sehr wenige dieser Menschen ihre Bereitschaft schriftlich fest oder benachrichtigen die nächsten Angehörigen von ihrem Entschluss. Diese könnten im Fall des Todes des Transplantationswilligen rasch und entschlossen in seinem Sinne handeln. Man schätzt, dass nur fünf Prozent der Menschen, die ein Organ spenden würden, eine schriftliche Erklärung über ihren Willen ausgefüllt haben.

1996 gingen in Deutschland 90% der Organspenden auf die stellvertretende Zustimmung der Angehörigen der Organspender zurück. Nur bei 10% der Organspender lag eine Einverständniserklärung des Spenders vor, davon nur in 4% eine schriftliche!

Die Koordinatorin für Transplantationen an der Universität Bonn, Frau Dr. Elke Backhaus, berichtete zum Beispiel, daß in ihrer sechsjährigen Arbeitszeit am Transplantationszentrum Bonn nur sieben Kandidaten für eine Organspende einen Spenderausweis bei sich hatten. Sie vertritt auch die Meinung, daß von den etwa 500.000 Menschen, die jährlich in Deutschland sterben, bei 5.500 ein Hirntod diagnostiziert wird. Davon kämen die Hälfte der Toten als Organspender in Betracht, aber nur bei 1000 würden Organe entnommen.FN

Herr Prof. Dr. Hirner, Direktor der Chirurgischen Universitätsklinik in Bonn, vertritt die Meinung, daß die Zahl der Organspenden verdoppelt werden könnte, wenn alle Krankenhäuser in seinem Einzugsbereich sich an an dem Organspendeprogramm beteiligen würden. Die Organe, die in seiner Klinik tranplantiert wurden, stammen nur aus sieben Prozent der umliegenden Krankenhäuser.FN

25.6 Transplantationsware Transplatationsorgane

Es ist bekannt, dass besonders in der Dritten Weit ein lebhafter Handel mit Organen zu hohen Preisen betrieben wird. Und es gibt eine Reihe von kriminellen Vereinigungen, die sogar Menschen verschleppen, um ihnen Organe zur Transplantation zu entnehmen. An-schließend werden die unfreiwilligen Spender wieder freigelassen.

Amnesty International hat zum Beispiel auch mehrfach berichtet, dass in chinesischen Gefängnissen immer dann „ganz zufällig“ die Zahl der Hinrichtungen steigt und „zufällig“ ein Transplantationsteam bei der Hinrichtung anwesend ist, wenn Organe für Transplan-tationen gebraucht werden.

25.7 In Deutschland ist der Handel mit Organen und Transplantaten verboten.

Auch die zur Zeit im Bundestag diskutierte Neufassung des Transplantationsgesetzes enthält eine entsprechende Formulierung. Darüber besteht auch unter den Parteien im Bundestag Einigkeit. Der beste Beitrag, den wir in Deutschland gegen den Organhandel in anderen Ländern leisten können, besteht in einer ausreichend hohen Spendebereitschaft im eigenen Land.

25. Wann ist der Mensch tot?

In letzter Zeit ist die Organspende besonders dadurch ins Gerede gekommen, dass die Menschen Angst haben, bei Transplantationswilligen würde der Tod früher festgestellt werden, um an die Organe zu kommen. Deutschland ist neben Malta und Irland das einzige Land in Europa, das keine gesetzliche Regelung für Organtransplantationen hat. Um die rechtliche Unklarheit und  die Verunsicherung der Bevölkerung zu beseitigen, wird zur Zeit im Bundestag ein Transplantationsgesetz beraten, das zu heftigen Kontroversen führt.

Zum besseren Verständnis will ich ein paar erklärende medizinische Bemerkungen machen. Bis vor mehreren Jahren ging man davon aus, dass ein Mensch tot ist, wenn sein Herz aufgehört hat zu schlagen und die Lunge nicht mehr atmet. Man nennt diesen Zustand Herztod. Inzwischen wissen wir, dass zu diesem Zeitpunkt immer noch Aktivität im Gehirn vorhanden sein und das Herz mit Hilfe der Wiederbelebung wieder zu schlagen beginnen kann. Erst wenn das Gehirn keine Aktivität mehr zeigt, ist der Patient irreversibel71 tot. Man kann diese fehlende Tätigkeit im EEG72 mit einer sogenannten Null-Linie, in einer Gefäßdarstellung mit Kontrastmittel und mit der Überprüfung bestimmter Reflexe des Stammhirnes nachweisen. Wenn alle Funktionen aller Hirnabschnitte irreversibel ausgefallen sind, nennen wir diesen Zustand Hirntod.

Ein ohne Großhirn geborenes Kind atmet und hat Stammhirnreflexe, aber es ist nicht hirntod, obwohl es im EEG keine Großhirnaktivität zeigt. Trotzdem hat es keine Überlebenschance.

Der Konflikt zwischen Herztod und Hirntod konnte nur durch die moderne Intensivmedizin entstehen. Dadurch sind wir inzwischen in der Lage, den Kreislauf eines hirntoten Menschen weiter aufrecht zu erhalten. Das bedeutet, daß die Maschinen das Blut durch den Körper pumpen und die Organe mit Blut versorgt werden. Der Patient ist warm und ausreichend durchblutet, das Herz schlägt, die Atmung wird künstlich aufrechterhalten. Gleichzeitig wissen wir, daß der Patient hirntot ist. Wenn die Maschinen abgeschaltet werden, hören alle Lebensfunktionen im Körper auf.FN

Nun muss man wissen, dass nur ein gut durchblutetes, am Leben erhaltenes Organ transplantiert werden kann. Wenn die Durchblutung eines Organes aufhört, sterben innerhalb von wenigen Minuten die Zellen ab, und dieses Organ kann keine Funktion mehr in einem fremden Körper aufnehmen. Deshalb ist es nötig, einen hirntoten Menschen, dessen Organe transplantiert werden sollen, solange künstlich zu beatmen und seinen Kreislauf aufrechtzuerhalten, bis das Organ entnommen und die Wunde kunstgerecht wie bei jedem Operierten verschlossen ist. Anschließend werden die Maschinen abgeschaltet. Die Angehörigen können wie in jedem anderen Todesfall auch von dem Toten Abschied nehmen, und der Verstorbene kann wie jeder andere Tote bestattet werden.

Daraus wird deutlich, dass nur Organe von Menschen zur Transplantation in Frage kommen, die mit Sicherheit hirntot sind und weiter künstlich beatmet und kreislaufgestützt werden. Damit sinkt automatisch die Zahl der transplantationsfähigen Organe erheblich. Alle Menschen, die außerhalb eines gut ausgerüsteten Krankenhauses sterben, gehören zum Beispiel nicht dazu. Außerdem dürfen natürlich nur gesunde Organe transplantiert werden.

Bei der im Moment laufenden Diskussion stehen sich im Bundestag zwei grundlegende Meinungen gegenüber: Die eine mehr medizinisch ausgerichtete Gruppe vertritt die Ansicht, dass der Mensch mit dem Hirntod sicher tot ist. Diese Gruppe vertritt eine sogenannte erweiterte Zustimmungslösung, d.h. Organe können von einem hirntoten Menschen entnommen und transplantiert werden, auch wenn die Angehörigen auf Grund einer mutmaßlichen Zustimmung des Verstorbenen damit einverstanden sind. Diese Regelung gilt bis jetzt. Ihr ist es zu verdanken, dass relativ viele Organe -wenn auch nicht genügend- zur Transplantation zur Verfügung stehen. Damit gibt es auch die Möglichkeit, Organe von verstorbenen Kindern mit Erlaubnis der Eltern in schwerst kranke Kinder zu verpflanzen. 1996 waren das immerhin 245 Organe bei Kindern und Jugendlichen bis zum 16. Lebensjahr.

Die große Zahl der Gegner aus dem mehr juristisch, theologisch und philosophisch orientierten Lager bekämpfen diese Meinung. Sie bezweifeln, dass ein Hirntoter wirklich tot ist und verlangen, dass eine Transplantation nur vorgenommen werden darf, wenn der Verstorbene zu Lebzeiten selbst eine klare schriftliche Erlaubnis zur Transplantation seiner Organe gegeben hat. Das ist die sogenannte enge Zustimmungslösung.

Wenn diese Regelung neues Gesetz wird, ist klar, dass bei bisher nur 4% schriftlichen Einwilligungen zur Organverpflanzung die Transplantationsmedizin fast vollständig zum Erliegen kommt. Transplantationen bei Kindern werden ausgeschlossen, weil Kinder keine rechtsgültige Erlaubnis zur Entnahme ihrer Organe geben können. Außerdem kann man in Kinder wegen der Größenunterschiede keine Organe eines Erwachsenen einsetzen. Die im vergangenen Jahr herztransplantierten Kinder wären dann gestorben und die dialysepflichtigen blieben weiter an die Maschine gefesselt mit allen gesundheitlichen, seelischen und finanziellen Konsequenzen.

Außerdem wird durch die massive Einschränkung der Operationszahlen die Qualität der Eingriffe sofort sinken, weil gerade an der hohen Zahl eines Eingriffes Qualität und Erfahrung entwickelt werden kann.

Nehmen Sie ein Beispiel: Nach einer Herztransplantation eines liegt die Überlebensrate bei 80 Prozent nach einem Jahr und bei 70 Prozent nach fünf Jahren. Ohne diese Transplantation sterben 80 bis 90 Prozent der Patienten, die auf der Warteliste stehen, innerhalb von zwei Jahren.

Es ist unzweifelhaft richtig, dass eine schriftliche Einwilligung eines Menschen die beste und sauberste Lösung zur Transplantation seiner Organe darstellt. Ob sie bei den vorliegenden operativen Möglichkeiten und den überwältigend guten Chancen für die Operierten als einzige(!) gesetzlich verankerte Regelung zur Transplantation sinnvoll und praktikabel und im Sinne der Kranken und der Verstorbenen ist, überlasse ich Ihrer eigenen Einschätzung, nachdem Sie dieses ganze Kapitel gelesen haben.

25.9 Wie werden die Organe verteilt?

Wenn in einer Klinik ein Patient liegt, bei dem der Hirntod durch zwei Ärzte unabhängig voneinander festgestellt wird, fragen die Ärzte bei den Angehörigen des Patienten, ob der Patient eine Erklärung zur Transplantation abgegeben hat oder mutmaßlich einer Transplantation zustimmen würde. Dabei ist wichtig, dass die beiden Ärzte, die den Tod feststellen, nicht dem Transplantationsteam angehören dürfen. Damit wird einem Interessenkonflikt vorgebeugt.

Wenn eine Zustimmung vorliegt, wird die zentrale Verteilerstelle Eurotransplant über die deutsche Verteilerstelle in Heidelberg benachrichtigt und mit den Daten des Patienten versorgt. Dort wird entschieden, wo das Organ eingesetzt wird.

1967 wurde in der niederländischen Stadt Leiden die gemeinnützige Organisation Eurotransplant gegründet, die über ein Computernetz unter anderen auch mit allen 33 Transplantationszentren in Deutschland verbunden ist. Hier werden Daten über bedürftige Patienten und angebotene Organe vom Computer zusammengebracht. Dabei sind die Blutgruppe und wesentliche Eigenschaften der Gewebe entscheidend, ob Organ und Empfänger zueinander passen. Mit dem Computer ist es in Sekunden möglich, für ein jetzt transplantierbares Herz den passenden Empfänger zu finden. Dann kann ein speziell geschultes Operationsteam unter üblichen Operationssaalbedingungen das Herz aus dem toten Menschen entfernen. Dieses Team bringt das tiefgekühlte Organ zu dem herzkranken Patienten, dem das dortige Chirurgenteam das neue Herz transplantiert. Die Transportzeiten werden vom Computer bei der Verteilung mitberücksichtigt, weil diese einen wesentlichen Einfluss auf den Erfolg der Operation haben.

Nicht berücksichtigt werden bei der Verteilung von Organen Kriterien wie Verdienst, Ansehen oder Religionszugehörigkeit von Spender und Empfänger. Der Patient oder seine Hinterbliebenen haben keinen Einfluss auf die Entscheidung von Eurotransplant. Sie erfahren auch nicht, wohin das Organ transportiert wird. Der Empfänger bekommt keinen Hinweis, von wem sein neues Organ stammt. Damit soll finanziellen Forderungen, Erpressungen oder anderen Einflüssen vorgebeugt werden.

Seit Bestehen von Eurotransplant wurden über diese Organisation rund 60.000 Organe vermittelt. Die medizinischen Daten von etwa 18.000 Menschen sind dort gespeichert.

25.10 Die psychische Belastung der Angehörigen 

Es ist naheliegend und sehr gut verstehbar, dass die Frage nach der Einwilligung zur Transplantation die schwierigste Frage zum schmerzlichsten Zeitpunkt an die unglücklichste Familie darstellt.

Ich erinnere mich an eine junge Frau, zu der ich aus der Sprechstunde heraus von ihrer Mutter gerufen wurde. Die Tochter sei „umgefallen und liege so komisch am Boden“, ich solle schnell kommen. Ich fuhr sofort los und fand die Patientin mit allen Zeichen einer akuten Hirnblutung vor. In der Klinik wurde die Diagnose mit dem Computertomogramm bestätigt. Wie in diesem schweren Fall einer unstillbaren Blutung zu erwarten war, verstarb die Frau noch am selben Tag.

Der Ehemann und die Mutter erzählten mir von den letzten Stunden in der Klinik: „Als wir wussten, dass sie mit Sicherheit sterben würde, fragten uns die Ärzte, ob wir der Entnahme einer Niere für eine Transplantation zustimmen würden. Es war schrecklich, in diesem Moment diese Frage beantworten zu müssen. Aber wir haben zugestimmt, weil wir damit das Gefühl haben, dass ihr Tod wenigstens einem anderen Menschen das Leben retten kann. Jetzt sind wir bei aller Trauer froh.“

Bei unvorhergesehenen Todesfällen ist es besonders wichtig, die Angehörigen richtig zu betreuen, denn sie können den Tod nur be-greifen, wenn sie im wörtlichen Sinne den hirntoten Menschen anfassen und die Wirklichkeit mit eigenen Sinnen wahrnehmen und mit Ärzten oder dafür geschultem Pflegepersonal besprechen können. Ein taktvoller und möglichst einfühlsamer Umgang mit den Angehörigen durch das ganze Klinikpersonal und die Umwelt der Beteiligten ist dringend erforderlich. Wenn dies nicht gewährleistet ist, werden die Angehörigen wahrscheinlich eine schädliche Form der Trauerarbeit entwickeln.

Sich als Arzt in diesen Stunden richtig und taktvoll zu verhalten, ist außerordentlich schwierig und wichtig. Denn die Angehörigen sind im allgemeinen verzweifelt, ratlos und können deshalb möglicherweise nicht bei klarem Denken eine entschlossene Meinung im Sinne des Verstorbenen vertreten, wenn eine solche Meinung nicht bekannt ist. Eine wesentliche Hilfe für alle Beteiligten liegt nur dann vor, wenn der Patient selbst zu Lebzeiten seine eindeutige Ansicht zur Frage der Organspende festgelegt hat.

Zu einem professionell guten Umgang gehört auch eine sorgfältige Nachbetreuung der Angehörigen über längere Zeit nach der Transplantation.

All diese Gesichtspunkte und einige mehr gehen sehr eindrucksvoll aus einem Brief hervor, den ich hier mit der Erlaubnis der Verfasserin veröffentlichen darf. Sie hat ihn an eine Bundestagsabgeordnete geschrieben, um ihre Meinung zu der laufenden Diskussion über das neue Transplantationsgesetz beizutragen.

Ihr Bruder starb bei einem Motorradunfall, und sie stimmte mit ihren Eltern einer Transplantation seiner Organe zu. Dieser Brief wurde mir freundlicherweise von dem ärztlichen Koordinator des Transplantationszentrums Tübingen, Herrn Dr. Fischer-Fröhlich, zur Verfügung gestellt.

Mein geliebter Bruder!

Ich sitze an meinem Schreibtisch, und meine Gedanken gehen zurück in eine schwere Zeit – Tage und Stunden, in die Zeit, als die schreckliche Nachricht eintraf, dass Du, mein lieber Bruder, schwer mit dem Motorrad verunglückt bist (vor fast fünf Jahren). Und es ist immer noch so, als wäre es erst jetzt passiert.

Freitagvormittag: Es ist schöner, sonniger Vormittag, als das Telefon klingelt, unsere Schwester ist am Telefon, sie sagt mir, Du liegest sehr schwer verletzt im Krankenhaus. Panik überfällt mich, Angst, Weinkrämpfe übermannen mich. Schnell rufe ich Rudolf, Deinen Schwager, meinen Mann an, er kommt sofort. Ich richte eine kleine Tasche mit dem Notwendigsten her. Tine fährt mich zu Dir ins Krankenhaus. Während der Fahrt kreisen meine Gedanken – es ist bestimmt nicht so schlimm, es darf nicht so schlimm sein!

Wir kommen an, sofort gehe ich in Dein Zimmer auf der Intensivstation; da liegst Du, an Apparaten, ohne Haare, schrecklich, wie groß Du bist, aber ja, Du bist ja schon 22 Jahre, mein lieber kleiner Bruder. Ich weiß nicht warum, aber als ich vor Dir stehe, ver-abschiede ich mich innerlich von Dir, obwohl uns (unseren Eltern und mir) noch kein Arzt gesagt hat, dass Du Dein Leben beendet hast. Bange Stunden für unsere Eltern. Ich stehe neben mir, was passiert nur mit uns?

Samstagvormittag: Unsere Eltern und ich wollen gerade die Tür zur Intensivstation öffnen, da kommt uns der Neurologe entgegen und sagt zwischen Tür und Angel: „Ach, übrigens bei ihrem Sohn – Bruder ist der Hirntod eingetreten!“ und verschwindet. Schock pur! Vater muss sich setzen und weint; unsere Mutter läuft weinend und schreiend den Flur der Intensivstation auf und ab, ich habe das Gefühl, ich kippe um; mir ist schlecht; ich lehne an der Wand, und langsam rutsche ich runter, also doch: Du wirst nie wieder in unserer Mitte sein. Dieser lange Flur, ich will unsere Mutter beruhigen, da sind noch andere Leute und warten – sie lässt es nicht zu. Warum geht keine Tür auf, und warum nimmt uns keiner zur Seite? Ich schäme mich – kann nicht so trauern, wie es mit zumute ist, komme mir beobachtet vor. Ich bin so aufgewühlt; ich stehe am Meer, und große Wellen kommen auf mich zu und ziehen sich wieder zurück. Endlich nach circa einer halben Stunde auf dem Flur geht die Tür auf, und ein Arzt holt uns in eine separates Zimmer. Vater und ich setzen uns, Mutter steht. Der Arzt erklärt uns nochmal, dass bei Dir der Hirntod eingetreten ist und stellt uns Fragen über Dich, wie Du warst, und ob wir uns bereiterklären, dass Du Organspender wirst.

Da waren wieder das Meer und die riesige Welle, meine erste innerliche Reaktion war nein. Als die Welle sich zurückzieht, werde ich ruhiger und überlege, wie Du bist (warst). Immer liebenswert und hilfsbereit, ich komme zu der Überzeugung, Du wärst und bist damit einverstanden. Wir sagen ja. Was geht jetzt in unseren Eltern vor, ich weiß es nicht, bis heute nicht.

Wir dürfen nochmal zu Dir. Du liegst genauso da wie gestern, nur dass jetzt ums Bett eine spanische Wand aufgestellt ist. Ich spreche mit Dir. – Du, ich habe ja gesagt zu der Organentnahme, was meinst Du dazu; ich habe das Gefühl, du sagst zu mir – es ist in Ordnung, Kleine.

Es ist fürchterlich hier in diesem Großraumzimmer. Da liegen noch andere Patienten, die bekommen alle mit, was passiert ist, unser Weinen und Klagen. Tschüss, mein Lieber, bis bald, wir werden uns wiedersehen.

Sonntagvormittag: Unsere Schwester und ich fahren nochmal zu Dir, um das Ergebnis der zweiten Hirntoddiagnostik zu erfahren. Als wir ankommen, sind die Untersuchungen noch nicht ganz abgeschlossen. Uns kommt ein Chirurg entgegen, der Dich mitnehmen wird -danach-. Er ist sehr betroffen, und man fühlt sich bei ihm gleich angenommen und verstanden. Er führt uns in die Küche auf der Intensivstation, holt Kaffee und redet mit uns. Wir weinen, sind hilflos, geschockt und können nicht verstehen, dass Du uns verlassen hast. Er begleitet uns in unseren Gefühlen und nimmt sich Zeit und ist für uns da.

Nochmals gehen wir zu Dir. Ich kann kaum noch, und doch will ich Dich nochmal sehen. Der nette Arzt geht mit uns, steht abseits und ist doch da. Er sagt uns, wir sollen alles raus lassen. Er ist für uns da.

Was hast Du in der Zeit, in der wir uns nicht mehr gesehen haben, noch alles gemacht und erlebt, frage ich Dich. Das wirst Du alles von meinen Freunden erfahren, antwortest Du mir. Ja, ich will alles noch einmal für Dich durchleben, Dein Leben nochmal einatmen. Schlaf schön, und habe keine Angst, denn da, wo Du jetzt bist, geht es Dir gut.

Deine Dich immer liebende Schwester.

Die Beerdigung ist vorbei, und anstatt dass unsere Familie zusammenhält, zerfällt sie.

Monate danach, der erste Schock ist überstanden, kreisen meine Gedanken immer wieder, und ich frage mich: Was ist Hirntod? Wie geht es den Menschen, die die Organe meines Bruders bekommen haben? Ist es für sie etwas Selbstverständliches? War meine Entscheidung richtig? Ich fühle mich so allein gelassen mit meinen Fragen. Von außen kommen keine guten Antworten. Von Ausschlachten, nicht in den Himmel kommen, von zu wenig ärztlicher Hilfe für meinen Bruder ist die Rede! Wahnsinn pur!!! Was sind das für Menschen?

Ich rufe im Transplantationszentrum Tübingen an und werde mit dem Koordinator, Herrn Dr. Fischer-Fröhlich, verbunden. Ich schildere ihm meinen Zustand, er spricht mit mir, und wir treffen uns zu einem persönlichen Gespräch. Ich spreche alle Ängste und Fragen an, er hilft mir, endlich jemand, der mich versteht!

Später erfahre ich, dass es allen fünf Empfängern, mein Bruder hat beide Nieren, die Bauchspeicheldrüse, die Leber und sein Herz gespendet, gut geht. Es kommt so etwas wie Freude und Trost in mir hoch. Meinen Kontakt zu Herrn Dr. Fischer-Fröhlich habe ich aufrechterhalten, auch er rief mich ab und zu an und erkundigte sich nach meinem Befinden. Das alles werde ich ihm nie vergessen. Immer wieder frage ich nach den Empfängern (anonym)!

Circa drei Jahre nach dem Tod meines Bruders fragte er mich, ob ich bereit wäre, als Angehörige in einem Dokumentarfilm meine Erlebtes zu berichten. Ich erkläre mich bereit dazu.

Es ist Februar, das Filmteam und Herr Dr. Fischer-Fröhlich sind da. Wir fangen an und müssen unterbechen, es geht mir nicht gut. Alles Erlebte ist wieder da, als wäre es gestern gewesen. Wir machen nach einer Pause weiter. Ende. Betretene Stille. Plötzlich sprudelt es aus mir heraus: Geht es mir allein so, dass nach dieser langen Zeit nur ein Wort genügt, und alles ist wieder da, obwohl ich geglaubt habe, alles verarbeitet zu haben? Wie gehen andere Angehörige mit dieser Situation um? Bin ich die einzige, die sich immer wieder Gedanken macht? Gibt es ein Forum für Angehörige von Organspendern in Deutschland? Die Antwort war nein!

Sollten wir, Herr Dr. Fischer-Fröhlich und ich, es nicht versuchen, ein Form für Angehörige zu schaffen? Miteinander reden, füreinander da sein, miteinander trauern und weinen, sich gegenseitig trösten, sich verstanden fühlen und neuen Mut weitergeben?

Wir versuchen es einfach und schreiben die Angehörigen an. Da aus Datenschutzgründen ich die Adresse nicht wissen durfte, wurde erst der Brief verfasst und unterschrieben. Herr Dr. Fischer-Fröhlich hat dann die Adressen eingesetzt.

Einerseits war ich positiv aufgeregt, als die Briefe weg waren. Andererseits hatte ich auch ein mulmiges Gefühl. Wie werden die Menschen reagieren, die ich erreichen wollte? Viele haben nichts von sich hören lassen, aber diejenigen, die zurück geschrieben haben, waren sehr froh, dass endlich jemand den Mut hatte, so ein Forum zu schaffen. Am Anfang waren wir 18 Personen, jetzt sind es schon 24, gemischt, jede Altersgruppe und Geschlecht ist vertreten!

Das erste Treffen wurde vereinbart und was geschah? Wir konnten uns in den Arm nehmen, obwohl wir mit uns zuvor nie getroffen hatten. Man spürte eine Art Erleichterung gleich von Anfang an, obwohl wir,  als wir dann unsere “Geschichten“ erzählten, sehr ergriffen waren. Aber wir fühlten uns verstanden in unserem Schmerz und mit unseren Fragen, denn wir alle hatten einen geliebten Menschen verloren und ja! gesagt zur Organspende.

Wir gingen alle etwas leichter aber auf jeden Fall verstanden auseinander. Bei den nächsten Treffen haben wir dann unsere Ängste und Fragen (vor allem: wie geht es den Empfängern?) aufgearbeitet. Der Verlust wird immer unser Begleiter sein. Ich möchte mit meiner Hilfestellung für die Angehörigen wie eine Brücke sein in ein anderes Weiterleben.

Wir haben auch erarbeitet, was uns wichtig ist und war, und was für uns schmerzlich war und ist:

– Wünschenswert wäre eine bessere Aufklärung über den Sinn der Organspende und den Tod durch irreversiblen vollständigen Hirnausfall (Hirntod).

– Menschen sollen lernen, dass Tod und Trauer kein Tabuthema in unserer GEsellschaft ist, sondern ein Teil des Lebens.

– In den Medien sollte mehr Wert auf korrekte Darstellung der Themen gelegt werden. Angehörige empfinden manchen undurchdachten Film als reine Horrorgeschichten.

– In der Akutsituation im Krankenhaus muss man einen ehrlichen Umgang von Ärzten und Pflegekräften mit den Angehörigen fordern. Das bedeutet, deren Ängste und Gefühle zu akzeptieren und ernstzunehmen. Fehlinformationen oder Vorenthaltungen wirken im nachhinein wie eine Lüge. Dies erfordert eine wesentlich verbesserte menschliche und fachliche Betreuung durch Ärzte und Pflegekräfte in jedem Krankenhaus bereits ab der Aufnahme, lange bevor an den Hirntod und das Danach im entferntesten gedacht wird – und das unabhängig von den Ttransplantationszentren.

– Von diesen darf man durchaus verlangen, dasssie (anonym), wenn gewünscht, den Angehörigen Informationen über die Empfänger geben und wie diese mit ihrem neuen Leben umgehen.

– Selbsthilfegruppen in Zusammenarbeit mit den Transplantationszentren sollten als etwas Selbstverständliches angeboten und von den Kostenträgern im Gesundheitssystem finanziert werden.

– Als Angehörige von Organspendern möchten wir uns nicht mit Besserwissern, Moralisten und Ethikern herumstreiten müssen.

– Die Entscheidung für oder gegen eine Organspende ist eine persönliche Entscheidung, die in der Familie getroffen wird, da die Familie den Verstorbenen am besten kennt.

– Das ist von jedem zu respektieren!

– Unbeteiligte sollten sich davor hüten, pauschal bestimmte Verhaltensweisen trauernder Angehöriger (nicht nur von Organspendern) zu kommentieren, da dies die Würde dieser Menschen aufs Tiefste verletzt. Jeder hat das Recht auf seinen individuellen Weg im Umgang mit dem Verlust eines geliebten Menschen.

An die Organempfänger meines Bruders!

„Ihr habt es mir geschenkt: unser zweites Leben!“

– Ich hätte mir gewünscht, von Euch zu hören,

– zu erfahren, wie es Euch geht.

– zu wissen, ob Ihr ledig, verheiratet seid, und ob Ihr Kinder habt.

– zu wissen, was Ihr nach der Transplantation empfunden habt.

– zu wissen, wie alt Ihr seid, ob Mann oder Frau.

– zu wissen, ob Ihr Euch Gedanken macht über Eure Spender und deren Angehörige.

– Vor allem Du. lieber Herzempfänger, Du liegst mir am Herzen, was bist Du für ein Typ, welche Hobbys hast Du?

– Es wäre schön, von Euch zu hören.

– Es wäre für mich ein großer Trost, besser mit dem Verlust meines Bruders weiterzuleben.

– Obwohl mir das Schicksal übel mitgespielt hat, bekam ich die Möglichkeit, aus dem Erlebten etwas Positives herauszuziehen. Ich habe dadurch Menschen wie Euch kennengelernt oder solche, die dringend auf ein Organ warten.

– Nicht nur für Angehörige von Organspendern möchte ich eine Brücke sein, sondern auch für Euch und die schwer kranken Wartenden.

– Ja, es war richtig, ja zu sagen zur Organspende.

– Ich möchte mich weiter für die Organspende ein-setzen und in der Öffentlichkeit versuchen, die Menschen in unserem Land zu ermutigen, sich positive Gedanken darüber zu machen.

– Wenn der Hirntod eingetreten ist, gibt es leider kein zurück mehr in „unser“ Leben, und es ist letztlich ein schöner und tröstender Gedanke, wenn wir durch unser Ja zur Organspende schwer kranken Menschen ein neues Leben schenken dürfen.

– Ich danke Euch, dass ich diese Zeilen schreiben durfte.

– Ich will Euch nicht persönlich kennen lernen, aber von Euch zu hören, das ist mein größter Wunsch!

Die Schwester eines Organspenders

 

 

25.11 Einige wichtige zusätzliche Informationen

Eine Organspende wird nicht finanziell entschädigt. Das ist so vorgeschrieben, damit kein Organhandel betrieben wird. Alle Kosten, die im Rahmen einer Transplantation anfallen, trägt die Krankenversicherung.

Vergleichende Zahlen zeigen, dass eine Transplantation auf lange Sicht billiger ist als die medikamentöse und apparative Behandlung. Eine Dialysebehandlung zum Beispiel kostet jedes Jahr mit Apparatenutzung und Medikamenten etwa 80.000 DM. Die Nierentransplantation ist etwa gleich teuer, aber eben nur einmal!

Gespendete Organe werden nur für Transplantationszwecke bei kranken Menschen, nicht für wissenschaftliche Untersuchungen oder andere Zwecke verwendet. Wenn Sie Ihren Körper für wissenschaftliche Zwecke zur Verfügung stellen wollen, müssen Sie das testamentarisch festlegen und zum Beispiel ein Anatomisches Institut benennen, dem ihr Körper nach dem Tod übergeben wird.

Minderjährige können nach dem zur Zeit im Bundestag beratenen Gesetz ab 14 Jahren eine ablehnende Haltung und Jugendliche ab 16 Jahren eine zustimmende Meinung auch ohne Einwilligung der Erziehungsberechtigten gültig dokumentieren.

25.11 Wie stehen die Kirchen zur Organspende?

Die Deutsche Bischofskonferenz und der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland haben 1990 gemeinsam eine Erklärung zur Organspende herausgegeben. Darin heißt es unter Anderem:

„Nach christlichem Verständnis ist das Leben und damit der Leib ein Geschenk des Schöpfers, über das der Mensch nicht nach Belieben verfügen kann, das er aber nach sorgfältiger Prüfung seines Gewissens aus Liebe zum Nächsten einsetzen darf.

Wer für den Fall des eigenen Todes die Einwilligung zur Entnahme von Organen gibt, handelt ethisch verantwortlich, denn dadurch kann anderen Menschen geholfen werden, deren Leben aufs höchste belastet oder gefährdet ist. Angehörige, die die Einwilligung zur Organtransplantation geben, machen sich nicht eines Mangels an Pietät gegenüber den Verstorbenen schuldig. Sie handeln ethisch verantwortlich, weil sie ungeachtet des von ihnen empfundenen Schmerzes im Sinne des Verstorbenen entscheiden, anderen Menschen beizustehen und durch Organspende Leben zu retten.

Nicht an der Unversehrtheit des Leichnams hängt die Erwartung der Auferstehung der Toten und des ewigen Lebens, sondern der Glaube vertraut darauf, dass der gnädige Gott aus dem Tod zum Leben auferweckt. Aus christlicher Sicht ist die Bereitschaft zur Organspende nach dem Tod ein Zeichen der Nächstenliebe und Solidarisierung mit Kranken und Behinderten.

25.13 Kann man bereits zu Lebzeiten Organe spenden?

Ja, aber nur in erheblich eingeschränktem Maße. Eine Nierentransplantation zum Beispiel wird nur nach strengen Gesichtspunkten unter engen Verwandten erlaubt, also von Eltern und Geschwistern des Empfängers. Eine solche Transplantation ist auch nur deshalb möglich, weil die Niere paarig vorliegt und die verbleibende gesunde Niere die volle Funktion übernehmen kann. Es muss außerdem bei einer Spende zu Lebzeiten klar sein, dass keine finanziellen Interessen vorliegen, die zu der Organentnahme und der Transplantation führen.

25.14 Wir müssen Ihre persönliche Meinung respektieren!

Deshalb will ich auch in diesem Buch nicht mehr machen, als Sie sachlich und möglichst umfassend zu informieren, damit Sie sich eine eigene Meinung bilden können. Denken Sie bitte daran: Wenn Sie sich nicht entscheiden, haben Sie sich entschieden, dass es so bleibt, wie es ist. Dann können möglicherweise Ihre Angehörigen nach Ihrem Tod entgegen Ihrem nicht ausgesprochenen Willen entscheiden. Oder Ihre Orga-ne werden nicht rechtzeitig entnommen, obwohl Sie es wollen.

Verstehen Sie mich bitte richtig: Ich möchte Sie taktvoll und direkt dazu veranlassen, dass Sie das tun, was Sie für richtig halten. Entscheiden Sie bitte selbst, dann müssen nicht andere für Sie entscheiden.

Vielleicht hilft Ihnen dieses Zitat zu Ihrer Entscheidung:

Überlege einmal, bevor du gibst, zweimal, bevor du annimmst, und tausendmal, bevor du verlangst.

Marie von Ebner-Eschenbach (1830-1926), österreichische Schriftstellerin

25.15 Wie erklären Sie Ihre  Einwilligung oder Ablehnung?

Eine testamentarische Verfügung ist nicht sinnvoll, weil das Testament für die Transplantation viel zu spät eröffnet wird. Da die Einwilligung oder Ablehnung einer Transplantation in schriftlicher Form eindeutig und deshalb sicherer ist, schlage ich Ihnen vor, sich eine solche Erklärung zu besorgen oder selbst zu schreiben.

Wenn Sie Organspender sein wollen, genügt folgender Text:

„Ich bin Organspender und damit einverstanden, dass nach meinem Tod Organe / Gewebe aus meinem Körper zur Transplantation entnommen werden.“

Sie können diese Bestimmung auch einschränken mit dem Satz:

„Ich bin damit einverstanden, dass folgende Organe entnommen werden :… .“

Oder

„Ich bin damit einverstanden, dass Organe entnommen werden außer … .“

Sinnvoll ist es, außerdem zu schreiben:

„Falls mir etwas zustößt, sollen folgende Personen sofort benachrichtigt werden: …“

Sie können die Entscheidung über die Organspende auch jemand anderem übertragen, indem Sie schreiben:

„Ich übertrage die Entscheidung über die Organspende nach meinem Tod an … .“

Das setzt allerdings voraus, dass Sie mit dieser Person ein ausführliches Gespräch führen und sie fragen, ob sie damit einverstanden ist, diese Entscheidung für Sie zu treffen.

Falls Sie kein Organspender sein und diese Entscheidung zweifelsfrei dokumentieren wollen, genügt der einfache Satz:

„Ich bin kein Organspender und widerspreche deshalb der Entnahme von Organen aus meinem Körper nach meinem Tod.“

Das Blatt muss in jedem Fall Ihren vollen Namen, Adresse, Datum und Ihre rechtsgültige Unterschrift enthalten.

Es ist ratsam aber nicht Pflicht, dieses Blatt mit den anderen persönlichen Ausweispapieren bei sich zu tragen und die nächsten Angehörigen von Ihrem Entschluss zu informieren. Dann sprechen diese bei einem Unfall oder einer Krankheit für Sie, wenn Sie selbst Ihre Meinung nicht mehr äußern können.

Die Zustimmung zur Einwilligung in eine Organspende kann jederzeit widerrufen werden. Sie können das Blatt vernichten und ein neues schreiben.

25.16. Wo bekommen Sie weitere Informationen?

Sie können mit Ihrem Hausarzt und Ihrem Geistlichen sprechen. Ausführliche Literatur und vorgedruckte Einwilligungsformulare in Scheckkartenformat, die auch eine Ablehnungsmöglichkeit enthalten, bekommen Sie bei der

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Ostmerheimer Straße 220, 51109 Köln

und der

Bundesärztekammer, Herbert-Lewin-Str.1, 50931 Köln 

und dem

Arbeitskreis Organspende, Emil-von Behring-Passage, 63263 Neu-Isenburg

 

 


FN Wenn als Ersttransplantat die Niere eines Toten übertragen wird, ist die Rate etwa zehn Prozent schlechter als bei der Transplantation einer Niere eines Lebenden.

FN Bericht der Deutschen Stiftung Organtransplantation, Ärzte-Zeitung 5.2.1997

FN-1  Arzt und Wirtschaft 2/97

70    Die Operationszahlen sind auch durch die Personal- und Bettenkapazität eingeschränkt.

FN-2 Ärzte-Zeitung 28.2.1997

FN-2 Arzt und Wirtschaft 2/97

FN Ärzte-Zeitung 28.2.1997

FN Ärzte-Zeitung 28.2.1997

71 irreversibel = nicht mehr umkehrbar

72 EEG = Elektroencephalogramm = „Hirnstrommessung“, ähnlich wie beim EKG = Elektrokardiogramm = „Herzstrommessung“

Copyright Dr. Dietrich Weller

 

 

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