Mögliche Gesprächskiller

Floskeln und allgemeine Redewendungen geben dem Gespräch manchmal eine ober-flächliche Wendung und können auch unpassend sein. „Jetzt warten wir mal ab! – Es wird schon besser werden!“-

Wenn Sie den Eindruck vermitteln, den Patienten zu examinieren, gerät er unter Druck und wird sicherlich nicht so offen sprechen wie es für eine gute Kommunikation nötig ist. Das wird ihnen sofort klar, wenn Sie sich vorstellen, wie es Ihnen geht, wenn Sie sich im Kreuzfeuer eines strengen Prüfers befinden, von dem sie wissen, dass er Ihnen rhetorisch und vom Fachwissen überlegen ist. Ihr Gehirn[1] (genauer: Ihr Mandelkern) schaltet sofort auf Alarm und sucht nach Fluchtwegen und blockiert dadurch die gelöste Atmosphäre, in der wir unbehindert denken können.

Begriffe und Situationen zu sehr zu abstrahieren, kann das Verständnis verschlechtern für Ihre Aussage. Auch wenn es für uns Ärzte einfach ist, sich mit definierten Fachbegriffen kurz und prägnant zu verständigen, hilft es weder Ihnen noch dem Patienten, wenn Sie ihn mit Fachwörtern konfrontieren, die er nicht versteht. Sprechen Sie die Sprache des Patienten, so dass er Sie versteht. Erklären Sie an einfachen Beispielen oder Skizzen, was Sie meinen. Die Pharmaindustrie hat inzwischen auch relativ viele Aufklärungsbögen, Hefte und gut verstehbare Informationsbroschüren herausgebracht, die Sie kostenlos erhalten. Fremdwörter, die nicht verstanden werden, schaffen Distanz und keineswegs Vertrauen, sondern Unsicherheit, Hilflosigkeit und möglicherweise Aggression.

Wenn Sie sich auf eine Meinung fixieren lassen, haben Sie keine Freiheit des Denkens mehr. Das kann besonders gefährlich sein, wenn der Patient die Diagnose vorgibt und sie auf Anhieb auch plausibel erscheint. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass auch ich schon auf die Diagnosen hereingefallen bin, die Patienten mit dem Brustton der Überzeugung an den Anfang des Gespräches gesetzt haben. Inzwischen bemühe ich mich bewusst, wenn der Patient die Diagnose von sich aus schon mitbringt, mich innerlich zurückzunehmen und erst recht zu überlegen: „Was würde ich tun, wenn ich die Diagnose nicht hätte. Was spricht gegen die Diagnose? Welche Alternativen gibt es?“ – Auch sonst ist es im Alltag ganz sinnvoll, über Alternativen nachzudenken. Selbst wenn ich beim Einkaufen auf Anhieb genau finde, was ich haben wollte, frage ich immer nach den möglichen Alternativen. Und dabei habe ich schon manchmal meine Meinung geändert und mit Zufriedenheit etwas anderes gekauft, weil mein ursprünglicher Wunsch besser befriedigt wurde.

Manchmal neigen wir dazu, uns mit einer Sache oder einer Person zu identifizieren. Wenn Sie die Ansicht eines Angehörigen übernehmen, besteht die Gefahr, dass Sie Ihre professionelle Distanz verlieren und zum Instrument der Familie gemacht werden. Das nimmt Ihnen die Unabhängigkeit und bringt die Gefahr der Übertragung ein: Man überträgt Gefühle auf Sie, und Sie lassen dies zu und reagieren entsprechend.

Wenn wir uns selbst oder den Patienten vom eigentlichen Thema ablenken oder ablenken lassen, verpassen wir vielleicht das Wesentliche, und/oder der Patient fühlt sich nicht ausreichend verstanden. Damit kommen auch oft Hektik und Gesprächsdruck auf. Telefonate während des Gespräches, eine Schwester, die herein kommt, ein Patient, der auf dem Stationsflur das Gespräch unterbricht – all dies irritiert, verbraucht Zeit, raubt Konzentration und geht letztlich auf Kosten der Qualität und Konsequenz unserer Arbeit.

Wenn der Arzt oder der Patient monologisieren wollen, wird meist der Schweigsame gelangweilt, er schaltet ab, und die Kommunikation bricht zusammen. Manchmal kommt dabei auch Aggression auf. Der Arzt, der von einer Idee begeistert ist und sie dem Patient aufredet, und der Patient, der endlos über seine Gedanken berichtet sind für die jeweils andere Seite schwer zu ertragen und sprengen natürlich sofort den Rahmen der Bestellsprechstunde und einer Stationsorganisation.

Beschwerden oder Sachverhalte zu verharmlosen oder zu verallgemeinern, birgt die Gefahr, den Gesprächspartner zu kränken und zu entwerten. Er fühlt sich nicht ernst genommen, nicht als Individuum betrachtet. Abgesehen davon ist es in manchen Fällen sicher auch gefährlich, Symptome zu banalisieren. Selbst wenn Sie einen zu Recht besorgten Patienten damit beruhigen wollen, sollten Sie nicht zum Mittel der Banalisierung oder Verallgemeinerung greifen, sondern eher vermitteln, dass Sie das Symptom im Moment nicht für bedrohlich halten und es beobachten werden.

Ich halte ich es nicht für richtig, in der Arztpraxis oder Klinik zu moralisieren. Das verschlechtert die Beziehung zum Patienten, weil er sich meist entmündigt fühlt. Und der Arzt sollte kein Moralapostel sein. Ich empfinde weder als Mensch noch als Arzt einen Missionsauftrag. Dieser gilt allenfalls für religiöse Glaubensinhalte und wird keineswegs von allen Menschen akzeptiert. Und wenn es um die Diskussion von medizinischen Handlungen geht, die ethische Fragen und Antworten erfordern, sollte der Arzt meiner Meinung eher einfühlsam Fragen stellen, zuhören und dem Patienten helfen, dass er seine eigene Antwort findet und nicht verführt oder gezwungen wird, die Meinung des Arzt zu übernehmen. Dies gilt besonders für Fragen, die mit dem problematischen Anfang und Ende des Lebens zu tun haben: Künstliche Befruchtung, Schwangerschaftsabbruch, Sterbehilfe, Patientenverfügung sind typische Beispiele.

Es ist eine menschliche Schwäche, rasch eine Diagnose stellen zu wollen, um damit zu imponieren. Das ist besonders verheerend, wenn es sich um eine Schockdiagnose für den Patienten handelt. Hier ist also Besonnenheit geboten. Es könnte nicht nur sein, dass die Blitzdiagnose falsch ist, sie könnte auch im falschen Moment und auf die falsche Weise geäußert sein. Natürlich gibt es Situationen, in denen auch mir beim ersten Blick in das Gesicht eines Menschen die Diagnose „Krebs!“ entgegen springt, und ich gestehe ein, dass es mich reizt, mein diagnostisches Können sofort zu zeigen. Aber es wäre menschlich und möglicherweise auch medizinisch falsch. Besonnenheit, ruhige Reaktionen und eine seriöse Abklärung der Lage sind geboten. Dann kann man immer noch und muss vielleicht auch die schlimme Diagnose in einer überlegt gewählten Situation vermitteln.

Die Sprechstunde darf nicht zur Debatte ausarten. Der Arzt verliert meist die Debatte (auch wenn er sachlich Recht hat!) und den Patienten. Das gilt besonders, wenn der Patient sich dirigiert fühlt.

Die Eskalation ist der allerletzte Schritt. Wenn Sie sich nach reiflicher Überlegung und Ausschöpfung aller weniger scharfen Alternativen dazu entschließen, den Patienten aus der Praxis oder Klinik rauszuwerfen (so genannte disziplinarische Entlassung), sollte das immer noch so höflich wie möglich geschehen. Juristische Gesichtspunkte sind dringend zu berücksichtigen: Ist der Patient überhaupt in der Lage, die Folgen seines Handelns oder Unterlassens voll zu verstehen? Überlegen Sie gut, ob das Vertrauensverhältnis noch hält oder wieder zu kitten ist. Wenn Sie sich zu einer Beendigung ihrer Arzt /Therapeuten-Patienten-Beziehung entschlossen haben, sollte dieser Schritt irreversibel sein, denn sonst machen Sie sich unglaubwürdig.

 

[1] Genauer: Ihr Mandelkern. Das steht ausführlich in dem Kapitel über neurophysiologische Reaktionsmechanismen.

 

Diesen Artikel habe ich in dem Buch Ich verstehe Sie! Kommunikation in Praxis, Klinik und Pflege veröffentlicht

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