Kennzeichen
Oft versuchen die Distanzlosen mit plumper Vertraulichkeit, in Ihre Privatsphäre einzudringen und stellen beispielsweise vertrauliche Fragen mit einer Selbstverständlichkeit und Vertraulichkeit, über die Sie so verblüfft sind, dass Sie die Antwort gegeben haben, bevor Sie merken, dass Sie ausgehorcht werden.
Die Distanzlosen nehmen sich Rechte heraus, die sie nicht haben, zum Beispiel überall herumzulaufen und Schränke aufzumachen. In der Praxis habe ich es erlebt, dass Patienten während sie im Sprechzimmer auf mich gewartet haben, ein Buch aus meinem Schrank genommen haben und lesend dasaßen, als ich hereinkam. Das empfinde ich als übergriffiges Verhalten. Erwarten würde ich, dass sie mich danach fragen, ob sie dieses Buch anschauen oder ausleihen dürfen, bevor sie in meine Privatsphäre (in diesem Fall in meinen Bücherschrank) eindringen und es selbst herausnehmen.
Sie rufen zur Unzeit bei Ihnen privat wegen irgendeiner harmlosen Sache an, die jetzt „ganz dringend“ erledigt werden muss.
Die Distanzlosen konfrontieren Sie mit Forderungen, die unangemessen sind und versuchen, das als lustig, locker oder harmlos darzustellen, wenn Sie sich wehren. Meist haben die Distanzlosen gar nicht das Gefühl distanzlos zu sein und sind verblüfft, wenn man sie darauf anspricht.
Was machen Sie mit dem distanzlosen Menschen?
Setzen Sie klare räumliche, zeitliche und persönliche Grenzen, und halten Sie sich daran. Trennen Sie den privaten vom beruflichen Bereich. Bleiben Sie freundlich, sachlich und eindeutig in Ihrem Verhalten.
Sagen Sie ihm, wie Sie sich bei seinem Verhalten fühlen, und nützen Sie auch hier die Ich-Botschaft:
„Ich fühle mich von Ihnen überrollt.“
„Ich empfinde Ihr Verhalten distanzlos, unhöflich…“
„Ich bitte Sie, sich zurückzunehmen.“
Erkennen und verhindern Sie zweideutige Annäherungsversuche mit klaren Reaktionen.
Ein klares NEIN klärt die Lage. Das ist bei vielen plumpen Annäherungen die beste Lösung. Dieses NEIN müssen Sie nicht begründen.
Lassen Sie sich nicht mit Schuldgefühlen motivieren. Überlegen Sie, wie bei Ihnen Schuldgefühle ausgelöst werden.
Machen Sie sich nicht erpressbar. Bewahren Sie Ihre Unabhängigkeit.
Lassen Sie Ihre private Zufriedenheit durchblicken. Wenn Sie über Ihre privaten Schwierigkeiten sprechen, ermuntern Sie den Distanzlosen, Ihnen ganz aktiv zu „helfen“. Dann haben Sie wirklich Probleme. Denn jemand, der so viel Energie aufbringt, in die privaten Grenzen des Mitmenschen einzudringen, wird schwierig wieder auszuweisen sein. Und wenn Sie es dann doch versuchen, weil Ihnen die Nähe oder die Fremdbestimmung zu groß wird, müssen Sie mit Vorwürfen rechnen.
Bei hartnäckigen und unverschämten Menschen können Sie Ihre Unabhängigkeit nur mit einem freundlichen, klaren und irreversiblen Rausschmiss bewahren.
Diesen Artikel habe ich in dem Buch Ich verstehe Sie! Verständigung in Praxis, Klinik und Pflege veröffentlicht.