Kennzeichen
Diese Menschen wollen wenig Eigenaktivität zeigen und Ihnen den Hauptteil aufbürden. Sie zeigen viel Energie und Einfallsreichtum, um Sie zur Aktivität zu motivieren. Ein fordernder oder / und lauter Ton, der Schuldgefühle macht, beschleunigt häufig die Erfüllung der Wünsche. Fordernde Menschen haben ein großes Geschick, ihre Mitmenschen mit ihren Ansinnen zu überraschen und damit das Schuldgefühl auszulösen: „Warum habe ich das nicht schon längst gedacht / erledigt?“ Dadurch entsteht enormer Druck auf den, der handeln soll. Und deshalb verlieren die Geforderten rasch den Überblick und ihre notwendige Kritikfähigkeit, welche die Not wenden würde.
Die typische Situation in der Praxis: Der Patient fordert, dass Sie Medikamente oder andere Leistungen auf Kassenkosten verordnen, die mittlerweile privat bezahlt werden müssen. Die typische Rechtfertigung lautet: „Jetzt zahle ich schon zwanzig Jahre meine Beiträge, jetzt können die auch mal was für mich tun!“ – „Mein Nachbar war schon dreimal in der Kur und ich noch nie. Jetzt will ich auch mal in die Kur! Sie können das doch verordnen!“
Fordernde Menschen haben eine Begabung, sich eine Position anzumaßen, die sie gar nicht haben. Das haben sie mit den Distanzlosen und Pseudo-VIPs gemeinsam. Wenn Sie im Kontakt mit den Fordernden nicht aufpassen, befinden Sie sich sofort in der unterlegenen Position.
Besonders beliebt ist das Spiel „Sie müssen mir helfen, weil Sie dazu verpflichtet sind!“ Die Menschen wissen nämlich, dass Sie wahrscheinlich ein Helfer-Syndrom haben und mit schlechtem Gewissen motiviert werden können.
Was machen Sie mit fordernden Patienten?
Bleiben Sie sachlich und ruhig. Lassen Sie sich nicht in die Enge treiben und nicht zu
übereilten Handlungen anstiften.
Gehen Sie innerlich und äußerlich einen Schritt zurück, verschaffen Sie sich Luft, Distanz und eine Chance zum Denken: „Das kommt jetzt zu schnell für mich, ich möchte darüber zuerst einmal nachdenken. Ich melde mich nachher / morgen wieder bei Ihnen.“ – „Ich brauche dafür zuerst noch einige Informationen. Ich werde mich darum kümmern und mich dann dazu äußern.“ – „Es ist mir wichtig, die andere Seite der Angelegenheit / die Meinung der Mitbeteiligten anzuhören, bevor ich etwas unternehme.“
Unterstützen Sie Eigenaktivitäten des Patienten. Bitten Sie ihn, verschiedene Telefonate und Behördengänge selbst zu erledigen, z.B. um Informationen oder Formulare einzuholen.
Lassen Sie sich nicht alles aufladen. Weisen Sie auf Ihr Aufgabengebiet hin, übernehmen Sie nicht immer die Aufgaben des Anderen.
Lernen Sie, NEIN zu sagen, und bleiben Sie dabei. Befreien Sie sich von dem Zwang, jedes NEIN begründen zu müssen. Dadurch kommen Sie in eine Diskussion, die der Fordernde schon wegen seiner dominierenden Art sehr wahrscheinlich gewinnt, auch wenn er nicht im Recht ist. „Der Tag, an dem ich lernte, NEIN zu sagen, hat mein Leben grundlegend verändert.“ (Sophia Loren)
Erklären Sie die Rechtslage, wenn der Patient z.B. auf Kassenkosten etwas haben will, was er privat bezahlt werden muss. Sie haben keine Schuld, dass Gesetze so sind, wie sie sind.
Sagen Sie es dem Menschen, wenn Sie sich von seinen Forderungen ausgenützt fühlen. Nützen Sie dabei die Ich-Botschaft!
„Ich empfinde Ihre Forderung / Ihren Wunsch als unangemessen.“
„Ich denke, Sie gehen von falschen Voraussetzungen aus!“
Bieten Sie Alternativen zu den Forderungen an.
Diesen Artikel habe ich in dem Buch Ich verstehe Sie! Verständigung in Praxis, Klinik und Pflege veröffentlicht.