Der Hypochonder
Hypochonder heißt im griechischen wörtlich „unter dem Knorpel“. Gemeint ist der untere Rippenbogen, denn unsere Vorfahren beobachteten dort die meisten funktionellen Störungen. Auch bei Kindern, die ihren Körper noch nicht genau kennen, zeigen fast immer auf ihren Bauch, wenn man sie fragt, wo es weh tut.
Die Hypochondrie ist ein eigenständiges Krankheitsbild, das zu den Zwangsstörungen gehört und behandlungsbedürftig ist. Etwas 5-10% der Patienten in einer Hausarztpraxis leiden an ihrer extremen Selbstbeobachtung.
Kennzeichen
Der Hypochonder hat die Vorstellung, schwer krank zu sein, und er lässt sich auch von sorgfältig erhobenen und normalen Untersuchungsbefunden nicht vom Gegenteil überzeugen. Jeder gesunde Befund zwingt ihn dazu, eine neue Symptomatik zu entwickeln und eine zusätzliche diagnostische Maßnahme zu fordern. Und er hat eine zwanghafte Neigung, sein Befinden ständig zu beobachten und zu beschreiben in der Angst, etwas zu finden, was in ihm krank ist. Hypochondrie ist eine Gesundheitsangst. Freud stellte sich vor, dass die Hypochondrie eine narzisstische Neurose darstellt: „Der Hypochondrische zieht Interesse wie Libido von den Objekten der Außenwelt zurück und konzentriert beides auf das beschäftigende Organ.“
Dabei ist wichtig zu wissen, dass die Ängste auf ein Organ (z. B. Leber oder Herz oder Lunge) oder ein Körperteil (z. B. Bauch oder Kopf) oder ein bestimmtes Symptom (z. B. Ziehen, Schmerzen) oder eine bestimmte Diagnose (z. B. Krebs oder Alzheimer-Erkrankung) begrenzt sein können. Das Hauptproblem der Hypochonder ist nicht der Schmerz, sondern die falsche Deutung der Schmerzen. Bei Brustschmerzen ängstigen sie sich vor einem lebensbedrohlichen Herzinfarkt, bei Kopfschmerzen sind sie sicher, einen unheilbaren Hirntumor zu haben.
Die Hypochondrie kann als schwere seelische Erkrankung die Betroffenen in ihrer Lebensfreude und Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigen und bis zur Arbeitsunfähigkeit und stationären psychiatrischen Behandlungsbedürftigkeit führen.
Bis heute ist noch keine körperliche Ursache der Hypochondrie gefunden worden, die Angst des Hypochonders ist sehr wahrscheinlich nicht durch organische Veränderungen ausgelöst. Es gibt insbesondere noch keine bekannte Störung des zentralen Nervensystems, die man als Ursache oder Steuerungsmechanismus der Hypochondrie verantwortlich machen könnte.
Der Hypochonder wendet sich in dem Maß von der Außenwelt ab, in dem er sich auf seine Beschwerden und Befürchtungen konzentriert. Dadurch entwickelt sich die zwischenmenschliche Beziehung zurück, und die Umwelt wird mehr und mehr benützt, um die Hypochondrie zu stützen. Artikel, die er liest, oder Bericht über Krankheiten, die ihm erzählt werden, verstärken seine Angst oder schaffen neue Vorstellungen von krankhaften Symptomen. Denn die Logik des Hypochonders ist zwingend: Was muss das für eine schreckliche Krankheit sein, die nicht einmal von den Spezialisten gefunden oder erklärt werden kann! – Tatsächlich ist der Hypochonder Opfer einer schweren Krankheit, er hat nämlich mindestens eine Hypochondrie, wenn keine andere Krankheit gefunden wird. Aber genau diese Diagnose lehnt der Hypochonder als Zumutung, Fehldiagnose oder persönliche Unverschämtheit des Arztes ab.
Dabei entwickelt sich der Hypochonder zu einem Fachmann auf seinem Gebiet, er liest alles, besonders Laienliteratur und neuerdings alles, was er im Internet finden kann. Und das ist so viel, dass es Hypochonder erst recht auf schlimme Gedanken bringt! Da er überzeugt ist, dass die Ärzte auch nicht alles wissen können, versorgt er sie hilfsbereit mit seiner Spezialliteratur, um ihnen den richtigen Tipp zu Diagnose und Therapie zu geben. Und er ist sehr aktiv, den Ärzten neue Vorschläge zur Interpretation der Symptome zu geben. Ein typisch ausgeprägter Hypochonder kann sich auf diese Weise zu einem Koryphäen-Killer oder Spezialisten-Saboteur entwickeln, der von Fachmann zu Fachmann rennt und jedem beweist, dass auch er nicht auf die richtige Diagnose kommt. Dadurch betreibt er das, was die Krankenkassen inzwischen als Praxis-Hopping bezeichnen, gemeint ist das Springen von Praxis zu Praxis.
Ich erinnere mich an einen meiner Hypochonder in der Praxis, der mich regelmäßig mit den neuesten Anzeigen aus einer bekannten deutschen Tageszeitung versorgte (ich meine die mit den ganz großen Buchstaben) und anderen Produkten aus der Regenbogenpresse und mir gleichzeitig erzählte, dass er auch dieses Medikament schon erfolglos ausprobiert habe. Der Arzt Gerhard Uhlenbruck, auch ein brillanter Aphoristiker, sagt: „Ein richtiger Hypochonder begleitet seinen Arzt in den Urlaub. Manche Menschen bringen es vom Hypochonder zum Fachpatienten.“
Beim Hypochonder stehen die körperlichen Zeichen im Vordergrund und werden oft übertrieben und äußerst detailliert geschildert. Hier ist das Detail des Berichts wichtig, weniger die Art der Darstellung. Beim Hysteriker imponieren besonders die Inszenierung des Geschehens, das große Theater, die eindrucksvolle, meist laute Schilderung der Symptomatik, weniger der Inhalt des Gesagten. Psychosomatisch kranke Patienten tragen psychische Probleme über den Körper aus, oft sind es Hilfeschreie, weil sie überfordert sind. Sie wollen erreichen, dass sich jemand um sie kümmert so wie die Eltern damals, als die Patienten noch klein waren. Diese Unterschiede sind wichtig, weil sie Konsequenzen haben für den Umgang mit dem Patienten.
Hypochonder glauben, dass sie eine Sache kontrollieren könne, wenn sie sich darüber Sorgen machen. Sie sind beispielsweise ständig mit den Menschen beschäftigt, die sie lieben, und machen sich Angst, es könnte etwas mit ihnen geschehen, wenn sie fort sind oder auf dem Weg mit dem Auto oder dem Flugzeug. Diese Angst geht weit über die üblichen Gedanken für eine gute Reise hinaus, die man normalerweise hat, wenn jemand verreist. Der Hypochonder kann seine angstvollen Gedanken nicht loslassen, weil er kein Vertrauen hat, dass auch etwas gut gehen könnte.
Es ist sinnvoll und eine gesunde Reaktion, einem Kind oder einem Partner zu sagen, sie sollten einen Schutzhelm auf dem Fahrrad tragen. Krank wäre es, sich Sorgen zu machen über etwas, was man nicht kontrollieren kann, eine Autofahrt, ein Flug oder irgendeine Situation, die man nicht beeinflussen kann. Dabei ist die Bedeutung des Wortes „kontrollieren“ wichtig. Im Englischen bedeutet „to control“ nicht nur „überprüfen“, sondern auch „steuern“, „beeinflussen“.
Wir können in den Gesprächen überprüfen, ob die Angst des Hypochonders einfühlbar ist. Meist ist sie es nicht, wenn bei allen Abklärungen normale Befunde erhoben worden sind und der Patient immer noch und immer mehr Angst bekommt und zunehmend unter seiner Vorstellung krank zu sein leidet.
Hypochondrische Zeichen können zu einer Psychose und einer körperlich betonten Form der Depression passen. Eine differentialdiagnostische Abklärung ist notwendig. Hypochonder geraten manchmal in diese Angstzustände, weil sie Angst vor etwas anderem haben, was sie entweder nicht bewusst erkennen oder nicht darstellen wollen.
Ungelöste Familienkonflikte sind häufige Ursachen einer Hypochondrie. Ich kenne eine Studentin, die große Krankheitsängste entwickelte, die in hypochondrischer Weise vorgetragen wurden. Alle diagnostischen Maßnahmen erbrachten normale Befunde. Erst im Rahmen einer Psychotherapie zeigte sich, dass sie große Angst hatte, sich von ihrer Familie abzulösen, in der Krankheit der Eltern eine wichtige Rolle spielte. Und ihre eigene (eingebildete) Krankheit bot ihr die Möglichkeit, in der Sorge ihrer Familie präsent zu sein und zu bleiben. Als sie die Hintergründe dieser Ängste erkannte hatte, konnte sie die zwanghafte Beziehung lösen, liebevoll ihre Familie loslassen und in Ruhe weiter studieren und eine normale Beziehung zu ihrer Familie aufbauen.
Es gibt viele Hypochonder unter den Ärzten, wahrscheinlich begünstigt durch die ständige berufliche Fixierung auf körperliche Symptome. Ich glaube, jeder Medizinstudent kennt das Gefühl, dass er eine Krankheit hat, die er gerade im Buch lernt oder im Hörsaal an einem Patienten sieht. Während ich im Hygienebuch die Parasiten studierte, die unter der Haut Gänge graben und einen entsetzlichen Juckreiz verursachen, z. B. bei der Krätze, habe ich mich ertappt, dass ich mich ständig kratzte. Erst als ich mir klar machte, was da in meiner Vorstellung ablief und dass meine Haut nicht befallen war, hörte der Juckreiz auf.
Ein befreundeter Kollege entdeckte plötzlich einen „auffälligen“ Lymphknoten in der Achselhöhle, als wir im Studium dabei waren, Lymphknotenkrebserkrankungen zu lernen. Er schlief nicht mehr und steigerte sich so weit in die Angst hinein, jetzt unheilbar krank zu sein, dass er sich schließlich den Lymphknoten entfernen ließ. Glücklicherweise überzeugte ihn das normale Ergebnis, und er fühlte sich von da an wieder gesund.
Da die einmalige Erkenntnis und Diagnose das Symptom zum Verschwinden brachten und wir dadurch beruhigt waren, spricht unser Verhalten gegen die Diagnose Hypochondrie. Ein echter Hypochonder wäre durch den normalen Befund besorgt gewesen und hätte entweder stärkere oder andere Symptome entwickelt. Der Entertainer Harald Schmidt ist seit Jahren ein bekennender Hypochonder und berichtet in seinen Kolumnen, dass er mindestens einmal wöchentlich seine Lymphknoten abtastet und Stammgast bei Ärzten ist. [1]
Der Hypochonder pflegt seinen Krankheitsgewinn und hat drei mögliche Entwicklungswege.
- Der „Tyrann“ unterjocht seine Umwelt und sein ganzes eigenes Leben dem Gedanken, krank zu sein, die Krankheit zu diagnostizieren und zu behandeln. Er verlangt Verständnis, Anpassung und unterdrückt alle, die mit ihm zu tun haben. Er ist extrovertiert und lässt jeden an seinem vermeintlichen Leiden nicht nur teilhaben, sondern er drückt es jedem auf, der es gar nicht wissen will. Daraus kann ein hysterisches / histrionisches Verhalten entstehen, oder der Hysteriker wird zum Tyrann, wenn er sich krank fühlt. Dieses Verhalten hat Krankheitswert, der hypochondrische Tyrann ist in seinem sozialen Verhalten krank, ein so genannter Soziopath, weil nicht nur er an seiner Situation leidet, sondern die Umwelt auch. Sein Krankheitsgewinn heißt vorrangig Macht.
Der berühmte Wissenschaftler Charles Darwin glaubte zwar an die Macht des Stärkeren, aber er terrorisierte seine Familie so sehr mit seinen ständigen Schwächeanfällen, dass seine sechs Kinder ebenfalls ausgeprägte Hypochonder wurden.
- Der „Märtyrer“ kann still leiden oder sehr demonstrativ, laut oder sehr leise und trotzdem sehr auffällig. Er fühlt sich als Opfer seines Leidens, das ihm seiner Vorstellung nach entweder als verdiente Strafe für ein Fehlverhalten oder als Prüfung oder als völlig ungerechtfertigte Bürde auferlegt wurde. Es hängt auch von der Umwelt ab, ob sie den Märtyrer anerkennt und in seinem Dasein bestätigt. Klar ist, dass der Märtyrer alles daransetzen wird, dem Bild eines unschuldig Leidenden alle Ehre zu machen. Wer daran zweifelt, wird noch mehr Symptome und stärkere zu sehen bekommen. Denn wenn der Märtyrer gesund wird, fehlen ihm die sekundären Krankheitsgewinne der Schonung, Zuwendung, Macht und möglicherweise auch das Geld der Krankenkasse oder des Arbeitgebers ohne Arbeit. Man muss schon sehr gesund sein, um darauf verzichten zu können.
- Der „Nutzlose“ sieht in seinem von der Umwelt nicht erkannten und nicht respektierten Leid die Bestätigung für seine Minderwertigkeit. Vielleicht hat der Nutzlose große Ideen und Pläne für sein Leben gehabt, die durch die vermeintliche Krankheit zerstört wurden. Hier bietet sich ein weites Feld für unrealistische Phantasien, die angeblich durch die Krankheit zerstört wurden. Der Krankheitsvorteil des „Nutzlosen“ kann darin bestehen, dass seine Umwelt mit viel Aufwand und Zuneigung versucht, ihn von seinem Wert zu überzeugen. Der „Nutzlose“ schwebt von allen drei Typen des Hypochonders am gefährlichsten in der Nähe des Suizids, denn wer nutzlos ist, so glaubt er, ist auch nicht wert zu leben.
Es gibt berühmte Hypochonder. Thomas Mann beschreibt in seinen Tagebüchern seitenweise und sehr detailliert seine „Dichterschmerzen“ und seine Angst, an einem Stück Fleisch zu ersticken oder gefährliche Übertemperatur zu bekommen. Er wurde 80 Jahre alt. Charlie Chaplin bekam bei dem geringsten Luftzug Panikattacken und erlaubte sich auch bei größter Hitze keine Luftzufuhr. Gegen sein chronisches Sodbrennen nahm er täglich Alka-Selzer ein. Er starb mit 88 Jahren. Sir Winston Churchill hasste Sport, liebte Whiskey und rauchte eine Zigarette nach der anderen. Er wurde 90 Jahre alt, hatte aber eine riesige Angst vor jedem Schnupfen, vor Bahnsteigkanten, der Reling eines Schiffes und vor dem Fliegen. Auch Franz Kafka, Andy Warhol und Woody Allen gehören zu den bekennenden Hypochondern. [2]
Was machen Sie mit dem Hypochonder?
Es ist dringend abzuklären, ob die körperlichen Befunde normal sind. Ein Hypochonder kann tatsächlich krank sein. Bedenken Sie bitte, dass negative Gedanken sich verwirklichen, so wie es positive auch tun. Jemand, der sich ständig einredet, krank zu sein und davon wirklich (das heißt wirkend!) überzeugt ist, schadet seiner Gesundheit massiv. Angst ist eine sehr gut wirksame Suggestion, dass genau das geschieht, was wir nicht wollen. Insofern haben Hypochonder tatsächlich ein erhöhtes Risiko, krank zu werden.
Schützen Sie dabei den Patienten vor unnötigen Geldausgaben und Diagnostik- und Therapieversuchen. Es ist nicht nur so, dass gewissenlose Quacksalber, Ärzte und Heilpraktiker und selbst ernannte Gesundheitsapostel und Pharmafirmen sich eine goldene Nase mit der Angst und Gutgläubigkeit von Hypochondern verdienen. Sondern auch seriöse Ärzte und Heilpraktiker stehen ständig in der Versuchung, sich von dem Drängen eines Hypochonders zu immer mehr Untersuchungen treiben zu lassen. Es ist schon schlimm genug, wenn die Hypochonder ihr ganzes Vermögen dafür opfern, aber wir sollten auch die Gemeinschaft der gesetzlichen Krankenkassen vor diesen unnötigen Ausgaben schützen, denn dort wird unser Geld ausgegeben.
Eine mögliche und empfehlenswerte Reaktion des Arztes bei einem hypochondrischen Patienten besteht darin, von vorn herein eine Liste von sinnvollen diagnostischen Prozeduren festzulegen. Wenn diese normale Ergebnisse erbringen, sollte der Arzt mit dem Patienten offen darüber sprechen, dass keine weiteren kostenpflichtigen Untersuchungen mehr erbracht werden. Der Hypochonder wird dies wahrscheinlich mit zusätzlichen oder stärkeren Symptomen und zusätzlichem Drängen auf weitere Abklärung beantworten.
Deshalb ist eine empathische Reaktion auch im Umgang mit dem Hypochonder wichtig, um das Vertrauen für die Absprache von Diagnostik- und Therapiemaßnahmen zu gewinnen. Vernunftargumente gegen die Hypochondrie und der statistische Hinweis, wie selten eine Krankheit ist, helfen wenig und provozieren Abwehr beim Patienten, weil er sich unverstanden fühlt.
Die Aktivität und das Denken des Patienten müssen in „gesunde Bahnen“ und auf gesunde Eigenschaften und Gedanken gelenkt werden, die bei jedem Patienten vorhanden sind. Es lohnt sich deshalb, gerade bei Hypochondern, auf gesunde Äußerungen und Lebensweisen zu achten und diese zu verstärken und zu bestätigen. Damit kann der Patient lernen, den Krankheitsgewinn auf gesunde Art zu erhalten, ohne dass die Umwelt beeinträchtigt wird. Dadurch kann der Hypochonder auch gute Erfahrungen mit positiven Erlebnissen machen, wenn man sein Denken und Empfinden darauf lenkt.
Schützen Sie sich und Ihre Mitarbeiter vor übermäßiger Aktivität und Ausnutzung! Je mehr Sie agieren, umso deutlicher unterstützen Sie das Gefühl des Hypochonders, krank zu sein. Damit kann er sich auch immer schlechter von seiner übertriebenen Selbstbeobachtung lösen. Es gehört viel Erfahrung und innere Ruhe dazu, dem Drängen eines Hypochonders entgegenzutreten und keine neue Untersuchung anzuordnen. Wenn Sie überzeugt sind davon, dass Sie alles abgeklärt haben, bleiben Sie fest und nutzen Sie den Bonus des Vertrauens, das sie mit dem Patienten aufgebaut haben. Wenn Sie wissen, dass der Patient zu einem anderen Kollegen geht, um noch eine Untersuchungsserie machen zu lassen, fragen Sie den Patient, ob Sie dem Kollegen Ihre Untersuchungsergebnisse geben dürfen. So können Sie vielleicht Mehrfachuntersuchungen und hohe Kosten vermeiden. Wenn Sie ungefragt Ergebnisse weitergeben, verletzen Sie ihre Schweigepflicht und geben dem Patienten, wenn er es erfährt, das Gefühl, dass Sie ihn hintergangen haben. Das zerstört sein Vertrauen, das er noch in Sie hatte.
Achten Sie auf Ihren eigenen Zeithaushalt! Deshalb sollten Sie die Zeit, die Sie einem Hypochonder für Gespräche geben, von vornherein begrenzen und einhalten. Sonst sind Sie rasch Wachs in der Hand des Hysterikers und des Hypochonders, die immer noch eine Idee haben, die sie unbedingt und jetzt sofort berichten müssen. Lassen Sie sich nicht auf ein Gespräch mit dem Hypochonder auf dem Flur der Klinik oder Praxis ein! Sie kommen nicht mehr weg! Lassen Sie den Patienten einen Termin vereinbaren, und geben Sie Ihrer Sekretärin klare Zeitvorgaben dafür.
Bevorzugen Sie preiswerte Lösungen und Eigenaktivitäten des Hypochonders. Besprechen Sie Vorteile sportlicher Betätigung, und verstärken Sie das Erleben von gesunden Erfolgserlebnissen. Wenn Sie den Hypochonder dazu bringen können, Erfahrungen des Gesundseins und der selbst bestimmten Leistungsfähigkeit zu erleben, haben Sie und der Hypochonder gewonnen.
Es gibt seit zehn Jahren in Bergen (Norwegen) die einzige Spezialklinik der Welt für Hypochonder. [3] Der Leiter Ingvard Wilhelmsen war Professor für Innere Medizin in Bergen, als er auf die Idee kam, eine Spezialabteilung für Hypochonder zu gründen. Er braucht meist nur zwischen fünf und zehn Sitzungen mit einem Hypochonder, um ihm die Denkfehler (ihren „Gedankenkrebs“, wie Wilhelmsen sagt) so begreiflich zu machen, dass danach etwa achtzig Prozent der Patienten ihre Zwangsgedanken loslassen können. Das ist verwunderlich, weil man meist emotionale Fixierungen nicht vernunftgesteuert lösen kann.
Wichtige Fragen von Wilhelmsen an seine Fragen sind z.B. sind zum Beispiel: Warum hat man den Krebs, den Sie angeblich haben, ausgerechnet bei Ihnen nicht gefunden? – Wer hat die Diagnose gestellt, dass es kein Krebs ist? – Warum trauen Sie dem Arzt weniger als sich selbst? – Wenn Sie sicher sind, dass der Experte irrt, warum sind Sie dann sicher, dass Sie nicht irren? –- So bohrt er an der Gedankenwand, die den Hypochonder wie eine Gefängnismauer umgeben.
Er macht mit seinen Patienten immer eine Überprüfung der Realität: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass genau das eintritt, wovor Sie Angst haben? Er rechnet ihnen vor, dass zum Beispiel achtzig Prozent der Herzinfarktpatienten Brustschmerzen haben, aber nur 20 Prozent der Patienten mit Brustschmerzen haben einen Herzinfarkt. – Oder bei dem Patienten, der Angst vor einem Unfall auf einer bestimmten Strecke hat, rechnet er nach, wie viele Autos hier täglich fahren, wie viele Unfälle in einem Monat geschehen, und wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass der Patient tatsächlich hier verunglückt.
„Der Patient muss erkennen, dass das Sorgendenken Unfug und eine Verschwendung des Lebens ist.“ Wilhelmsen ist aus seiner langjährigen Erfahrung überzeugt, dass es tatsächlich binnen kurzer Zeit möglich ist, den „Hebel im Kopf“ bewusst umzulegen, um die Katastrophengedanken abzustellen.