Besonders kurze Kurzgeschichten (1)

Der Sinn dieser Geschichten liegt darin, mit möglichst wenigen Worten einen Film im Kopfkino und Gefühle im Gemüt des Lesers entstehen zu lassen.

 

Früh übt sich

Bernd lernte von seinem Vater schon früh die Überzeugungskraft der Faust. Wer härter schlägt, hat Recht. Bernd bekam täglich seine Lektion. Als Bernd fünfzehn war, hatte er genug gelernt und erschlug seinen Vater. Im Jugendgefängnis trainierte er weiter. Dort traf er seinen Meister. Jetzt liegt Bernd mit einer durchgeschnittenen Kehle neben seinem Vater.

Miriam

Miriam sah mit sechs, was ihre Mutter mit den Männern macht. Als Miriam zehn war, überließ die Mutter sie dem Zuhälter zum Üben. Als Miriam dreizehn war, bekam sie ihr erstes Kind, mit fünfzehn das zweite – von verschiedenen Männern. Mit siebzehn stand sie vor dem Richter, weil sie ihren Zuhälter umgebracht hatte, und sagte: „Ich hatte die Wahl: Entweder nimmt er das Zyankali oder ich. Da habe ich mich für das Leben entschieden. Ich möchte meinen Töchtern eine gute Mutter sein!“

Adam, Eva und die Schlange

Nach dem Sündenfall fragte Adam die Schlange: „Warum hast du Eva nicht gesagt, dass du eine Frau bist?“ – Die Schlange lächelte: „Weil ich eine Frau bin!“

Das eherne Gesetz

Moshe, ein Jude, und Fatima, ein Mädchen aus einer Hamas-Familie im Gaza-Streifen, verliebten sich. Da bekriegten sich ihre Familien – um des lieben Friedens willen, denn Jahwe und der Prophet wollen das so. Angeblich.

Reife Erkenntnis

Er heiratete sie, weil er erkannte hatte, wie sehr sie seelenverwandt waren. Es dauerte Jahre, bis er sich eingestand, dass er nur die Frau geheiratet hatte, die er in ihr vermutet hatte.

Kleiderordnung

Es ist mir klar, warum  Frauen keine leitenden Posten in der katholischen Kirche bekleiden dürfen. Die katholischen Geistlichen tragen schon alle weibliche Kleider mit Brustschmuck und umgeben sich mit benebelnden Düften. Sie bekämpfen das, was sie an sich selbst nicht sehen wollen.
Welch große Angst müssen die Geistlichen vor dem Weiblichen haben! Und welcher juristisch und klerikal verschwurbelte Kontext muss zur Rechtfertigung dieses frauenfeindlichen Verhaltens gezüchtet und aufrechterhalten werden!

Kleiner Unterschied

Hitler bekämpfte und verjagte die Juden, um einen reinen Staat aufzubauen. Der israelische Staat und besonders die Zionisten bekämpf(t)en und verjag(t)en die Palästinenser, um einen reinen Staat aufzubauen. Nur die Zahl der Ermordeten und die Unterstützung Israels durch die USA und Deutschland machen den Unterschied. In Israel ist es gesetzlich verboten, öffentlich auf die Verfolgung der Palästinenser  vor der Staatsgründung (Nakba) hinzuweisen.

Das folgende Zitat hat die Vertreibung der Palästinenser damals untermauert. Es stammt von Vladimir Jabotinsky, dem Begründer der zionistischen Rechten, 1923(!), und es wirkt immer noch.

„Zyonistische Kolonisierung …. muss entweder beendet oder gegen den Willen der eingeborenen Bevölkerung durchgeführt werden. Diese Kolonisierung kann also nur weitergeführt und entwickelt werden unter dem Schutz einer Macht, die von der lokalen Bevölkerung unabhängig ist – hinter einer eisernen Mauer, die die eingeborene Bevölkerung nicht durchbrechen kann.“

Sprachdefizit

Die Eselin fragte vorwurfsvoll ihren Mann: „Warum sagst auch immer J-A, wenn der Bauer dir den Rücken vollpackt?“

Im Garten

Die Schnecke war empört, als ihr Nachbar sie auf dem frisch gemähten Rasen rechts überholte: „Du bist ein ja ein richtiger Verkehrsrowdy!“

Im Wald

Zwei Zahnstocher gehen durch den Wald. Da kommt ein Igel vorbei. Da sagt einer der Zahnstocher: Ich wusste gar nicht, dass es hier auch einen Bus gibt!“

 Am Mobiltelefon

„Können Sie mich hören?“ – „Nein!“

Nachtberatung am Telefon – eine wahre Geschichte

Mein Telefon klingelte mitten in der Nacht. Die Frau schluchzte verzweifelt und war deshalb kaum verstehbar: „Es ist etwas Schreckliches passiert, Herr Doktor! Gestern Abend hatte ich 39,5° Fieber, es war ganz furchtbar. Dann habe ich Aspirin genommen! Und jetzt ist es ganz schrecklich! Jetzt habe ich kein Fieber mehr. Was um Himmels willen soll ich jetzt machen?“ –
„Jetzt nichts! Wenn Sie wollen, können Sie um acht in die Sprechstunde kommen. Gute Nacht! “

Die wieder hergestellte Ehre

Salima lernte Christoph in der Schule in Berlin kennen. Amor schoss seinen Pfeil zielsicher. Trotz des erbitterten Widerstands der Männer in Salimas türkischer Familie wollte das Liebespaar  fliehen und im Ausland heiraten und leben.  Da zwang Salimas Vater seinen jüngsten Sohn Ahmed, die mit Schlafmitteln betäubte Schwester zu erschießen. Dann war Salimas Vater zufrieden, und er lobte seinen Jüngsten, der weinend neben der Toten kniete. Die Ehre war gerettet. –
Welche Ehre?

Ein Satz aus der Sprechstunde

Die zwanzigjährige ledige Ägypterin sagte mit einem tiefen Seufzer der Erleichterung: „Oh, bin ich froh, dass der Schwangerschaftstest negativ ist! Wenn mein Vater wüsste, dass ich einen Freund habe und mit ihm schlafe, würde mein Vater zuerst den Freund und dann mich töten.“

Das Gesetz der verdorrten Bäume

Ich ging in Paris eine sehr frequentierte Einkaufsstraße entlang. Vor jedem Laden stand ein großer Kübel mit einem Baum drin. Alle Bäume waren verdorrt. Da sagte ein Kind: „Das ist doch ganz einfach. Wenn jeder Ladenbesitzer nur seinen Baum gießt, blühen alle Bäume!“

 

 

Copyright Dr. Dietrich Weller

 

 

Dieser Beitrag wurde unter Prosa abgelegt und mit , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.