Die Kommunikationsgesetze von Paul Watzlawick

Kommunikation ist leben miteinander.

Prof. Dr. Karl Jaspers

Kommunikation ist Verhalten zueinander.

Unbekannt

Wir sehen also, dass der Begriff der Kommunikation sehr weit gefasst ist und eben nicht nur etwas mit reden zu tun hat. Der gesamte Bereich der nonverbalen Verständigung, also zum Beispiel die Körpersprache, die Wirkung unserer Umgebung auf uns und die Patienten, die äußeren Erscheinungsformen unserer Person und die Menschen, mit denen wir uns umgeben, stellen einen Teil unserer Kommunikation dar und beeinflussen damit unsere Wirkung auf uns selbst und unsere Umwelt. Jede Verhaltensform einem anderen Menschen gegenüber hat etwas zu bedeuten in unserer Beziehung zu ihm:

  • ob ich am Telefon freundlich oder ruppig bin;
  • ob ich einen Brief sofort beantworte oder erst nach einer Mahnung;
  • ob ich seine Fragen emotional zugewandt oder rein sachlich behandle;
  • ob ich in einer sauberen Praxis / Station arbeite;
  • ob der Patient sich in einer gemütlichen Praxis wohl fühlt;
  • ob er sich durch meine nachlässige Kleidung abgestoßen fühlt;
  • ob ich den vereinbarten Termin pünktlich einhalte.
  • ob ich ein Chaos oder Ordnung auf dem Schreibtisch habe.

Das entspricht dem 1. Gesetz von Watzlawick.

Wenn Sie nicht wissen, was das ist: Merken Sie, wie diese Art der Kommunikation jetzt in Ihnen eine Reaktion auslöst? Das ist wahrscheinlich die gleiche Reaktion, die Ihr Patient entwickelt, wenn Sie ihm etwas Unverständliches sagen. Ich bitte Sie also jetzt um Geduld für ein paar weitere Sätze. Dabei können Sie ebenfalls Ihre Frustrationstoleranz testen, die Ihr Verhalten in Praxis und Privatleben beeinflusst.

Einer der wichtigsten Sätze, die ich bei der Planung meiner Praxis 1981 von Reinhold Wolff gelernt und inzwischen bestätigt gefunden habe, lautet:

Sie bekommen die Patienten, die zu Ihnen passen.

Wie Schwingungen Resonanz erzeugen, ziehen wir Menschen an, mit denen wir auf glei-cher „Wellenlänge“ liegen. Deshalb bekommen wir, was für uns nötig ist und was wir ver-dienen, um uns weiterzuentwickeln, selbst wenn es manchmal sehr unangenehm erscheint. Das ist auch der Grund, warum wir die Mitarbeiter, die Partner und die Umwelt erhalten, die wir brauchen. Ein Arzt, der sich und seine Praxis gut organisiert und konsequent handelt, hat eine andere Klientel als ein Arzt, der eher zu den unorganisierten und inkonsequenten gehört. Dieser wird eher unpünktliche, sozial bedürftige, süchtige und unstrukturierte Patienten anziehen.

Um diese Zusammenhänge besser zu erklären, möchte ich ihnen jetzt die

Kommunikationsgesetze von Paul Watzlawick

vorstellen, die ich vorhin schon erwähnt habe, und ich danke Ihnen, dass Sie bis hierher gewartet haben. Paul Watzlawick ist ein in Kalifornien lebender Philosoph und Philologe, der 1921 in Villach (Kärnten) geboren wurde und Weltruf erlangt hat mit seinen Forschungen und Büchern über die zwischenmenschliche Beziehung und Kommunikation und über die Entstehung seelischer Krankheiten.

1. Gesetz:

Man kann nicht nicht kommunizieren.

Das heißt auch, ein Telefonat nicht zu führen oder einen Hausbesuch erst nach drei Tagen zu machen oder eine Antwort nicht zu geben, hat einen Aussagewert und stellt eine Kom-munikation dar. Außerdem sollten wir bedenken, dass es zum Beispiel als Aggression an-gesehen wird, wenn wir einen fragenden Patienten einfach stehen lassen. Überlegen Sie, wie sie selbst reagieren würden, wenn sich Ihr Lebenspartner kommentarlos einer von Ihnen gewünschten Unterhaltung durch Verlassen des Raumes entzieht.

Eine andere Konsequenz dieses Gesetzes besteht darin, dass der Patient innerhalb der ersten Minute nach Betreten der Praxis oder der Klinik einen Eindruck bekommt von der Kommunikation, die in dieser Praxis herrscht. Dieser Eindruck entscheidet wesentlich über die weitere Beziehung zwischen Patient und Praxisteam.

Dies wurde mir einmal deutlich, als ich in die Praxis eines benachbarten Kollegen ging, um etwas mit ihm über einen gemeinsamen Patienten zu besprechen. Ich betrat den Vorraum mit einem freundlichen Gruß und war zu diesem Zeitpunkt allein mit der Helferin, die in den Terminkalender versunken am Schreibtisch saß. Ich wartete direkt vor ihr an der Rezeption stehend ab, um zu sehen, was geschehen würde. Nach drei Minuten (!) sah sie auf und fragte, was ich wolle. Als ich mich vorstellte, rannte sie mit hochrotem Kopf davon, um ihren Chef zu holen.

2. Gesetz:

Jede Kommunikation hat Aspekte, die Beziehung, Appell, Selbstoffenbarung und Inhalt enthalten.

a) Beziehung

Dieser Aspekt beantwortet die Frage: Wie stehen wir zueinander? Die Beziehungsebene hilft, einander zu verstehen.

Spüren Sie den Unterschied zwischen dem Schild Eintritt verboten! und der Aufschrift Bitte nicht eintreten! Welche Beziehung, welche Einstellung signalisieren Sie Ihren Patienten mit den beiden Schildern?

Oder ein anderes Beispiel:

„Gehen Sie nach Zimmer 3!“

„Frau Müller, wenn Sie jetzt bitte sich in Zimmer 3 ausziehen, werde ich Sie gleich untersuchen.“

Daran erkennen Sie, welche innere Beziehung oder welche Hierarchievorstellung Sie zu dem Patienten haben. Schon allein Ihr Tonfall oder Ihre Mimik zeigen Ihre Beziehung zu den Mitmenschen. Ebenso sollten wir darauf achten -und wir tun es häufig unbewusst-, wie sich die Beziehung unserer Mitmenschen zu uns äußert:

„Herr Schulze, Sie müssen heute noch zu mir kommen! Ich habe Fieber.“

„Herr Doktor Schulze, ich habe Fieber. Was kann ich tun?“

Ich will absichtlich diese Beziehungen nicht näher erklären, um Ihnen beim Lesen die Ge-legenheit zu geben, in sich hineinzuspüren, was Sie dabei empfinden. Wie würden Sie re-agieren? Beachten Sie auch bitte bewusst, dass Ihre Reaktion abhängig ist von der Beziehung, die Sie zu der redenden Person haben. Die Aussage, also der Inhalt des Satzes allein, bestimmt nicht ausschließlich Ihre Reaktion.

b) Appell

Dieser Appell antwortet auf die Frage: Welche Handlung will ich von dir? Die Appellebene hilft, den Partner aufzufordern.

In dem Satz „Herr Doktor Müller, ich habe Fieber.“ steckt für den Patienten möglicherweise der Appell, dass Sie einen Hausbesuch machen sollen, oder dass Sie gestern ein nicht wirksames Mittel rezeptiert haben, oder der Vorwurf, dass Sie eine Fehldiagnose gestellt haben und es jetzt endlich richtig machen sollten.

Wenn Sie den Appell nicht richtig einschätzen, fühlt der Patient sich unverstanden. Er erwartet im Allgemeinen, dass Sie den Appell erkennen und befolgen, auch wenn er ihn gar nicht ausgesprochen hat. Wenn Sie den Appell weder verstehen noch bewusst oder unbewusst befolgen, ergeben sich die Folgen einer schlechten Kommunikation: Missverständnisse und Ärger und möglicherweise sogar der Verlust des Patienten für die Praxis.

c) Selbstoffenbarung

Die Selbstoffenbarung antwortet auf die Frage: Was sage ich über mich? Die Selbstoffenbarung hilft, mich selbst zu verstehen.

Wenn der Patient Ihnen erzählt, dass er Fieber hat, sagt er aus, dass ihm diese Information wichtig ist und dass er vielleicht sogar selbst die Temperatur gemessen hat. Damit kann der Patient sich besser beobachten, wenn er seine Aussagen reflektiert, und wir haben eine Gelegenheit, seine Prioritäten und Maßstäbe kennen zu lernen.

Dabei ist auch interessant, darüber nachzudenken, was der Patient nicht erzählt, obwohl es doch zum Beispiel Ihnen als dem Zuhörer wichtig ist oder Sie es bereits von jemand anderem wissen und jetzt erwarten, dass der Patient es berichtet. Dabei können Sie bewusste Fehlinformationen und unterlassene Informationen entdecken. Auch Verdrängungsmechanismen sind bemerkbar.

d) Information

Die Informationsebene antwortet auf die Frage: Welchen Sachinformation vermittle ich? Die Sachinformationsebene hilft, einander zu verständigen.

Natürlich ist es für uns wichtig, ob der Patient Fieber hat und wie viel. Wir fragen sogar noch, wo und wann die Temperatur gemessen wurde. Wir wollen wissen, ob die Messung vor oder nach dem Fieberzäpfchen war, ob der Patient genügend getrunken habe und vieles mehr.

Wichtig ist es für jeden guten Kommunikator, diese vier Ebenen der Kommunikation zu beachten, weil sie nicht nur eine Fülle von Missverständnissen ermöglichen, die wir ja ver-meiden wollen, sondern weil wir eben gerade so viele Informationen über die verschiedenen Ebenen der Patienten erfahren wollen wie möglich. Denn nur dadurch können wir seine Wirk-lichkeitsebene erfassen, also das, was auf ihn wirkt, seine Wirk-lichkeit.

3. Gesetz:

Jeder der Beteiligten gewichtet die Kommunikationsabläufe verschieden.

Das können wir rasch verstehen, wenn wir einsehen, dass eben jeder von uns unterschied-liche Erfahrungen und Wertmaßstäbe erlernt hat. Damit erübrigt sich auch die Frage, wer mit seiner Einschätzung der Situation Recht hat. Denn jeder hat aus seiner Sicht Begründungen für seine Meinung. Ausnahmen sind rein beweisbare Fakten, aber auch hier ist die unterschiedliche Wertung der Tatsachen wichtig. Und die Abläufe einer Kommunikation sind immer subjektiv bewertbar. Denken Sie an Ihr letztes Missverständnis, als Sie etwas ganz anders aufgefasst haben als es Ihr Gesprächspartner gemeint hat.

Für eine gute Kommunikation bedeutet das, dass unser Gesprächspartner aus seiner Sicht ebenso Recht hat wie wir. Wir können also nur über die verschiedene Einschätzung eines Sachverhaltes diskutieren.

Wir müssen dabei erkennen, dass mehrere Meinungen als richtig nebeneinander stehen können und eine richtige Meinung nicht gleich ausschließt, dass es noch eine andere und auch richtige Meinung geben kann.

4. Gesetz:

Jede Kommunikation enthält Aspekte der analogen und der digitalen Kommunikation.

Unter analogen Anteilen verstehen wir nonverbale Parameter wie Gestik, Mimik, Körper-sprache, Tonlage, Atempausen, Atemrhythmus, Atemfehler, Sprechpausen, Sprechge-schwindigkeit und andere Parameter, die sozusagen „nebenher“ in der Rede ablaufen und den Verlauf der Kommunikation meist unbewusst und deshalb umso stärker beeinflussen.

Die digitalen Anteile enthalten die eigentliche Information der gesprochenen Wörter.

Dabei ist leicht erkennbar, dass die analogen Anteile häufig unterschätzt werden, weil sie eben nicht oder nur nebenbei beachtet und nicht bewusst ausgewertet und genützt werden. Das sollte für uns therapeutisch Tätigen ein wesentlicher Teil der Diagnostik sein.

5. Gesetz:

Die zwischenmenschliche Kommunikation ist komplementär oder symmetrisch.

Das bedeutet, dass die Beteiligten bei einer symmetrischen Kommunikation gleichartiges Verhalten austauschen. Wenn zum Beispiel der eine ärgerlich ist, reagiert der andere auch mit Ärger.

Bei der komplementären Kommunikation tauschen die Beteiligten ergänzendes Verhalten aus. Der eine Partner ist zum Beispiel in der Primärposition als Arzt und der andere in der Sekundärposition als Patient. Das Beispiel der Mutter-Kind-Kommunikation trifft hier auch zu.

Diesen Artikel habe ich in dem Buch Ich verstehe Sie! Kommunikation in Praxis, Klinik und Pflege veröffentlicht.

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