Vorschläge für eine gute Kommunikation
- Das absolute Minimum, das Sie bei jeder Kommunikation immer noch aufbieten müssen, ist Höflichkeit und gute Manieren.
Das gilt besonders, wenn der Gesprächspartner diese Höflichkeit nicht aufbringt. Wenn Sie dann auch unhöflich oder ungezogen reagieren, begeben Sie sich auf die Stufe, die Sie am Anderen ablehnen. Wenn der Gesprächspartner freundlich ist, haben Sie sowieso keinen Grund, unhöflich oder ungezogen zu reagieren.
Wenn der Patient sich ärgerlich, fordernd oder vorwurfsvoll verhält, sollte Sie zuerst klären, ob er vielleicht unsicher ist, weil ihm wichtige Informationen fehlen und sein Verhalten der Ausdruck von Hilflosigkeit ist. Dann können Sie mit entsprechend verständnisvollem Verhalten eine gute Stimmung schaffen und das Gespräch auf eine ganz andere, nämlich helfende und konstruktive Ebene heben. Eine ärgerliche, rechtfertigende oder maßregelnde Reaktion Ihrerseits würde zu einer raschen Eskalation der Lage führen und die Chance auf eine Verständigung erheblich und schlagartig minimieren.
Bitte verstehen Sie, dass ich über solch eine für viele Menschen selbstverständliche Tatsa-che hier spreche. Leider habe ich immer wieder erlebt, dass auch Ärzte sehr schlechte Ma-nieren haben und forsches Auftreten mit Ungezogenheit verwechseln oder glauben, der Arztstatus oder gar der Chefarzttitel gäbe ihnen das Recht, unhöflich und arrogant zu sein. Häufig steckt hinter diesem schlechten Benehmen ein gerütteltes Maß an Unsicherheit, das mit Imponiergehabe verdeckt werden soll. Es kann auch an der Vorbildfunktion der Eltern liegen, wenn ein Arzt seine Angestellten und Familienangehörigen schlecht behandelt, weil er es zu Hause so erlebt hat. Ich möchte darüber sprechen, damit wir alle immer wieder dazu angehalten werden, auch unser eigenes Umfeld und die Einflüsse kritisch zu hinterfragen, die uns beeinflussen.
Wir müssen das Selbstwertgefühl des Partners achten, wenn wir optimal kommunizieren wollen.
Dazu gehört auch, dass wir bei kontroverser Diskussion nicht persönlich verletzend werden, sondern die Sache kritisieren und nicht die Person.
Dazu ein Beispiel. Welchen Satz finden Sie besser?
„Karin, warum machen Sie denn schon wieder so viele Schreibfehler?“
„Karin, hier sind einige Schreibfehler. Bitte ändern Sie den Text.“
Im ersten Satz machen Sie einen persönlichen Angriff und verschärfen diesen mit dem verallgemeinernden „schon wieder“. Im zweiten Satz machen Sie eine sachliche Feststellung und äußern eine klare Bitte zur Sache. Mit dem ersten Satz verschlechtern Sie die Situation und die Stimmung, mit dem zweiten bleiben Sie neutral.
Dazu gehört auch, bei passenden Gelegenheiten BITTE und DANKE zu sagen. Wenn Sie darauf achten, werden Sie sehr viele Möglichkeiten dazu finden, zum Beispiel bei jeder Anweisung an die Mitarbeiterin, oder wenn sie Ihnen etwas bringt oder für Sie erledigt hat. Ich habe mir angewöhnt, auf die kleinen selbstklebenden Zettelchen, die ich regelmäßig mit einem Wunsch an die Sekretärin oder an Kollegen an Briefe oder Akten hefte, immer mit „bitte“ zu beginnen und mit „danke“ und meinem Kürzel zu beenden. Ich weiß, es dauert zehn Sekunden länger, und es macht eine bessere Stimmung im Team. Wenn Sie im Gespräch mit Mitarbeitern, Patienten oder Kollegen diese kleinen Wörtchen „bitte“ und „danke“ auch noch mit einem freundlichen Lächeln begleiten, werden Sie verblüfft sein über die hervorragend motivierende Wirkung dieser Minikommunikation. Diese kleinen Wörtchen BITTE und DANKE sind das einfachste Gleitmittel in dem Praxis- und Stationsbetrieb, und es hilft über viele Sandkörner hinweg, die das Getriebe strapazieren.
Günter F. Gross schreibt in seiner prägnanten Art:
„Lächeln Sie 2 Sekunden länger, und Sie werden verblüffende Erlebnisse haben. Machen Sie das bitte nicht, wenn Sie ledig bleiben wollen!“
Ich weiß, dass es Menschen gibt, die glauben, mit Druck die bessere Motivation zu erreichen. Und die besonders Sparsamen handeln nach dem Grundsatz „Kein Tadel ist Lob!“ Diese Menschen müssen notwendigerweise den Druck immer weiter erhöhen, weil sich die Sandkörner ins Getriebe fressen. Und was geschieht mit Ihrem Autogetriebe, wenn Sie das Öl weglassen? – Eben!
Überlegen Sie einfach, wie diese Maximen auf Sie selbst wirken, wenn Ihre Mitmenschen diese Verhaltensregeln auf Sie anwenden. Erinnern Sie sich an die Zeiten, als Sie noch der kleine Assistent oder die Schwesternschülerin in der Klinik waren und der Chef Sie bei der Visite vor allen abgekanzelt oder auch nur peinlich befragt hat? Dann wissen Sie, was Ihre Mitarbeiter und Gesprächspartner brauchen und was nicht. Es gibt immer noch viele Chefs, die offensichtlich glauben, ihr Ansehen steige, wenn sie ihre Mitarbeiter vor der versammelten Mannschaft und erst recht vor Patienten bei der Visite vorführen und allen klarzumachen versuchen, dass nur EINER hier weiß, wo es lang geht. Ein guter Chef hat dieses billige Imponiergehabe nicht nötig. Und jeder erkennt trotzdem, was die Vorgesetzten können. Und abgesehen davon: Ich habe festgestellt, dass viele Patienten wesentlich mehr Wert legen auf eine vertrauensvolle Beziehung als auf einen unhöflichen Mediziner im weißen Kittel, der andere demütigt.
Abgesehen davon: Mit BITTE und DANKE wenden Sie einen kleinen und sehr wirksamen Trick an, um sich selbst ständig in guter Stimmung zu halten. Damit prägen Sie entschei-dend die Stimmung in Ihrem Alltag und natürlich auch an Ihrem Arbeitsplatz. Und Sie können viel leichter und ruhiger durch die Brandung des Alltags gleiten und oben bleiben und auch noch Freude haben an dem lebhaften Treiben.
Wenn Sie nur den Patienten gegenüber freundlich sind, weil Sie diese ja brauchen, aber den Helferinnen oder Schwestern gegenüber mürrisch, nörgelnd und grantig sind, prägen Sie einen sehr schlechten Eindruck von Ihrer Persönlichkeit und Führungsqualität in die Patienten. Denn Sie machen offen sichtbar, dass Sie zwei Gesichter haben. Sie wissen ja: Die Patienten sind Ihr Außendienst! Sie vermitteln in ihrem Umfeld, was sie in der Praxis oder Klinik erlebt haben.
Sobald ein Patient oder ein Mitglied des Pflege- oder Therapeutenteams sich gekränkt oder in anderer Weise entwertet fühlen, werden sie sich wahrscheinlich einen anderen Arzt oder Arbeitgeber suchen oder zumindest ihr Verhalten wesentlich distanzierter gestalten, weil sie das Vertrauen zu Ihnen verloren haben.
Dann werden Sie in Zukunft rasch merken, dass Sie die Mitarbeiter auch nicht mehr brau-chen, weil die Patienten dorthin gehen, wo die Patienten und das Personal gut behandelt werden.
- Das Selbstwertgefühl und die soziale Stellung eines Menschen werden in der Gemeinschaft festgelegt, in der er kommuniziert.
Das bedeutet auch, dass der Patient sich in verschiedenen sozialen Umgebungen völlig unterschiedlich verhält, weil er seinen Wert beziehungsweise seine hierarchische Stellung jeweils anders einschätzt. Der Patient verhält sich zum Beispiel Ihnen gegenüber ganz anders als bei der Helferin oder Krankenschwester. Das merken Sie besonders gut, wenn der Patient die Helferin kritisiert wegen der langen Wartezeit und bei Ihnen im Sprechzimmer sehr freundlich ist.
- Wir sind teilweise auf die Beurteilung anderer Menschen angewiesen, um unseren eigenen Wert zu erkennen.
Ein wesentliches Problem besteht darin, dass wir dieses Urteil der Anderen oft nur vermuten und als Tatsache akzeptieren, ohne das vermeintliche Urteil zu hinterfragen. Hier spielen natürlich die Erziehung und eigene Erfahrungen eine entscheidende Rolle.
- Diese Bewertung wird erst durch die Kommunikation möglich.
Das heißt aber auch, dass wir besonders wachsam sein müssen, wie eine Kommunikation auf uns wirkt. Dabei ist es nötig, uns und unseren Kommunikationspartner bewusst zu be-obachten und zu hinterfragen.
- Wenn der Gesprächspartner etwas ablehnt, fragen Sie nach dem Grund für die Ablehnung.
Wie gesagt, sprechen Sie über Ihre Art der Kommunikation. Zeigen Sie ruhig, dass Sie in-teressiert sind an der Ursache der Ablehnung. Damit erkennt der Patient, dass Sie seine Meinung wichtig finden für den weiteren Verlauf der Beziehung. Dann haben Sie auch eine Möglichkeit, eventuelle Missverständnisse auszuräumen. Wenn Sie nicht fragen, fühlt der Patient sich möglicherweise abgelehnt, nicht verstanden oder glaubt, er sei unwichtig für Sie. Das alles können Gründe für ihn sein, zum Nachbarkollegen zu gehen.
- Wenn Sie den Verdacht haben, dass ein Argument des Patienten ein Vorwand ist, sollten Sie den Gesprächspartner nicht darauf aufmerksam machen.
- Wenn ein Patient sein Gesicht bei Ihnen verliert, verlieren Sie den Patienten.
Fragen Sie lieber:
„Angenommen, das Problem wäre gelöst, könnten Sie dann meinen Vorschlag annehmen?“
Dann werden Sie rasch erkennen, ob das Argument echt oder vorgeschoben war.
- Sprechen Sie bei mehreren Vorwänden nicht über die Argumente, sondern über die Situation, in der Sie jetzt mit dem Gesprächspartner sind.
„Jetzt haben wir mehrere Vorschläge der Therapie besprochen, die Sie nicht annehmen können. Wie können wir Ihrer Meinung nach jetzt weiterkommen?“
Kritische und nörgelnde Patienten, die sachlich in die Mitverantwortung hereingenommen werden, reagieren dann meist kooperativ, weil im Allgemeinen ihr vermindertes Selbstgefühl sie zur Kritik veranlasst hat. Dies gleichen wir aus, indem wir sie um ihre Meinung und Mit-arbeit bitten.
Denken Sie bitte daran, auch Dinge zu erklären, die Ihnen sehr geläufig und vertraut sind. Denn wenn der Partner sie nicht kennt, kann er nicht angemessen darauf reagieren.
Wir müssen immer daran denken, dass der Patient Zusammenhänge, Fakten, Fremdwörter, Gesetze und Verordnungen, die zu unserem Routinegebrauch gehören, vielleicht nicht kennt. Das macht die Patienten unsicher. Wenn sie diese Unsicherheit nicht richtig artikulieren und bearbeiten können, reagieren sie meistens in irgendeiner Weise aggressiv oder sie stimmen vordergründig zu, um keine Unsicherheit zu zeigen und äußern die Unzufriedenheit auf andere Art und Weise. Das kann vom Schimpfen bis zur mangelhaften Mitarbeit oder zum stillen Rückzug aus der Praxis reichen. Ich erlebe es oft, dass Patienten rasch einsichtig waren, wenn ich Ihnen die Hintergründe des GSG oder der anderen neuen finanziellen Vorschriften im Gesundheitswesen und die daraus folgenden Maßnahmen erkläre.
- Wenn Sie unsicher sind, wie Sie reagieren sollen, ist es besser, eine Frage zu stellen als etwas zu behaupten.
Damit vergeben Sie sich nichts, haben die Chance, eine weiterführende Information zu erhalten und zeigen durch die Frage Interesse an der Situation oder/und dem Patienten. Außerdem verbessern Sie durch eine geschickte Frage das Selbstwertgefühl des Angesprochenen, da er um seine Meinung gefragt wird. Auf diese Weise können Sie das Gespräch wieder in ein „ruhigeres Fahrwasser“ lenken.
Diesen Artikel habe ich in dem Buch Ich verstehe Sie! Kommunikation in Praxis, Klinik und Pflege veröffentlicht.