Der Zufall in Gedicht und Prosa

Die Silbenschmiede ist eine Werkstatt für Gedichte, die auf Spielen mit Silben beruhen. Sie soll die geistige Kreativität und den Humor fördern.
Die Idee dazu hatte mein Kollege Dr. med. Günther Neumeyer aus Hollenstedt. Er hat mir die Sammlung der Werke geschickt, die in einer Werkstatt entstanden ist, die er mit  Freunden und Bekannten unterhält. Er hat mir auch erlaubt, alle Gedichte hier zu veröffentlichen. Dafür danke ich ihm sehr herzlich.
Die Sammlung wird kontinuierlich erweitert.

 

Der Zufall ist keine Zufälligkeit

 (Reim-Lyrik)

Er kommt zu jeder Stund’.
Keiner weiß den Grund.
Grad’ wenn man’s nicht erwartet
spontan ein neuer Zufall startet.
Als hätt’ man sie vorausgeseh’n
die Freunde vor der Haustür steh’n.
Man weiß es meistens schon,
wer d’ran ist grad’ am Telefon.
Briefe aus zwei Postbereichen,
deren Inhalte sich gleichen.
Ist auch der Zufall oftmals trüglich,
doch meistens ist er ganz vergnüglich.
Das führt die Menschen oft zum Lachen
bei manchen krausen Zufalls-Sachen.

 

Der Verstandesmensch
macht sich keine Gedanken
über den Zufall.

Der Begriff „Zufall“
sagt aus, dass von irgendwo
uns etwas zufällt.

Wie oft sind wir uns
im Leben ganz per Zufall
über’n Weg gelaufen?

Ein Tropfen Zufall
hält den Erfolgsmotor oft
sehr lang am Laufen.

Situation
ohne Ausweg? Dann hilft oft
sogar der Zufall.

Der Zufall hilft oft
Diagnosen zu klären,
ganz ohne Labor.

Der Zufall stellt dem
Egoisten oft ein Bein
und sorgt für Ausgleich.

Die  Strings begleiten
die Zufalls Ereignisse,
wie durch Vorsehung.

Unverhofft kommt oft.
Zufall oder Bestimmung?
Entscheidung schwierig.

Ist Zufall geplant
von mächtigen Welt-Lenkern?
Manchmal scheint das so.

Zufall ist ein Trick
Gottes, inkognito zu
sein für uns Menschen.

 

(Tanka-Typ)

Als Zufallsprodukt
ist Leben zu betrachten:
Ein Same aus der
Spermien-Menge
bringt dem Ei die Baupläne
für Körper und  Geist.

(Zweiundzwanziger)

Zufällig war auf der „Wilhelm Gustloff“
kein Platz mehr frei. Wir blieben am Leben.

Zufälle gibt es im Leben häufiger.
Optimisten erleben Zufälle oft.

Der Zufall ignoriert den Egoisten
oder er stellt ihm gelegentlich  ein Bein.

Es scheint eine Zufalls-Häufungs-Prädispo-
sition bei guten Menschen zu geben.

Zufall ist nicht berechenbar für Menschen,
aber wir können ihn oft für uns nützen.

Wenn wir wissen, dass es den Zufall oft gibt,
müssen wir nur darauf achten, ihn zu seh´n.

 

(Hexa)

Zufälle –            Sie spinnen
wie ein Netz       Bindungen
mit langen          Haftfäden
oft lange              im Voraus

(Limerick)

Wie aus dem Weltall
kommt oft mit Knall
manchmal ganz plötzlich,
oft auch ergötzlich
unverhofft der Zufall.

 

(Rauten)

Der
Zufall
verwandelt
das Geschehen
oft recht dramatisch
zur Horror-Szene
mit Toten
und viel
Leid.

Man
sollte
Zufälle
als Engelsweg
für’s Leben achten.
Statistik nutzlos.
Grenzt an Wunder.
Nie sinn-
los.

Wenn
es die
fädigen
Stings des Schicksals
günstig einrichten,
überlassen sie
eine Zeit lang
dem Zufall
freie
Hand.

Der
Zufall
im Leben
hilft doch sehr oft
bei Schwierigkeiten
und weist dann den Weg
in die Richtung
zum guten
Dasein
auf.

(Dreieck)

Der
Zufall
ist keine
Zufälligkeit,
sondern ein Geflecht
vieler Schicksalsfäden,
die in der Realität
zu den Verbindungen führen
deren  Erscheinungen von Menschen
als Zufälle ausgedeutet werden.

Wenn
Zufall
im Spiel ist,
hat der Verstand
nur wenig Chancen
zum Zuge zu kommen,
denn nichts ist a-logischer
als zufälliges Geschehen
dessen Ursachen unbekannt sind
und sehr selten eine Herkunft weisen.

(Viereck)

Die Freundesmutter liegt im Krankenhaus
und redet mit ihrer Bettnachbarin.
Diese fällt mitten im Gespräch tot um.
Bei dem Besuch in der Rehaklinik
finden Mutter und Sohn einen Tisch
neben zwei Damen im Klinik-Café.
Zufällig erwähnen sie im Gespräch
das seltsame Ereignis in der Klinik.
Das mischt sich eine Dame am Tisch ein
und sagt: „Das war meine Lieblings-Base“!

 

Das Erlebnis eines echten Zufalls
löst bei manchen Menschen Erstaunen aus.
Coinzidenz sei ein Naturgesetz
meinen heute selbst die Para-Forscher.
Weil ja im Bereich der kleinsten Fäden
die Materien und Energien
weltweit in enger Verbindung stehen
kann es gleichsam wie auf Schicksals-Gleisen
jederzeit zu Verbindungen zwischen
Affinitäten als Zufall kommen.

 

Ansichten und Aussagen über den „Zufall“

(Zusammenstellung: G. Neumeyer, 2013)

 

C.G. Jung schuf den Begriff der „Synchonizität“, des zur gleichen Zeit auftretenden Geschehens.  Menschen können  ihre Wahrnehmungen und ihre Gedächtnis für synchrone „Zufälligkeiten“ intuitiv schulen, sofern sie sich frei und unbelastet fühlen.

Je beruhigter Körper, Gefühle und Geist, umso deutlicher empfindet sich das Individuum als Teil des Ganzen der Natur. Offenheit des Geistes und spielerischer Umgang mit Ideen sowie Wachheit und Aufgeschlossenheit für die sozialen Umwelt begünstigen dis intuitiven Empfindungen bei Erfahrungen von Zufällen..

Beim normal – alltäglichen, egozentrischen Dahinleben verkümmern die Fähigkeiten zur intuitiven Innenschau und mit ihnen die Erlebnisse von Synchronizitäten.

 

Arthur Koestler „Die Wurzeln des Zufalls“

(Suhrkamp-Taschenbuch, 1972)

Phänomene des Zufalls im Sinne der Serialität und Synchronizität, (der „Beziehung des Bezüglichen“) erleben Menschen in ihrem Leben regelmäßig, nur die Wenigsten sprechen  gern  über derartige Erlebnisse, um von den anderen nicht für abartig spirituell gehalten zu werden.

Trotz aller wissenschaftlichen und pseudowissenschaftlich-metaphysischen Erklarungs –Versuche bleiben Gleichzeitigkeits – Geschehnisse (z.B. an entfernten Orten), Voraussagen künftiger Ereignisse, Rückschauen auf frühere Daseins – Zustände im Grunde unerklärlich und werden von naturwissenschaftlich Gebildeten in den Bereich der Phantasie verwiesen.

Die neuzeitliche Physik ist mit der Quanten-Theorie zu der Auffassung gelangt, dass Materie und Energie identisch sind.

Energie wird als Schwingungs-Differenzierung von Raum und Zeit betrachtet. Es existiert im Universum keine in sich abgeschlossene, gleich bleibende Existenz. Alles ist mit allem verwoben und durchdrungen und verwandelt sich unaufhörlich.

Das Prinzip des Holons, einer auseinander strebenden Dissoziation und einer gleichzeitig zu einander führenden Integration durchdringt Materie und Lebendes. Schnittpunkte dieser Kräfte schaffen „Zufalls-Ereignisse.

 

Wilhelm von Scholz „Zufall oder Schicksal“

(List-Fischer, 1959)

Der Zufall trifft zur rechten Zeit am rechten Ort auf Anlässe und Umstände, die für den Lebenslauf des Individuums von bestimmende Bedeutung werden können. A. Schopenhauer schrieb einst über

„Die transcendenten Spekulationen der Absichtlichkeiten im Schicksal des Einzelnen“. Er erkennt in der Natur eine gesetzmäßige Zweckmäßigkeit im Rahmen einer Weltgrund-Willens-Idee.

Der Zufall wird als ein Glied in einer Kette von Notwendigkeiten in einem weit in Raum und Zeit  gespannten Netz der Zusammenhänge betrachtet.

Für die Menschen bleibt das Spektakel des Zufalls trotz aller wissenschaftlichen Erkenntnisse über Genetik und Umwelteinflüsse völlig unbegreiflich.

 

Jan Cederquist „Zufall ist keine Zufälligkeit“

(„Slumpen är ingen tillfällighet“, Manpocket-Verlag)

Zufällig auftretende Ereignisse im Sinne einer „absichtsvollen Gleichzeitigkeit“  stiften überraschend entweder Nutzen  oder auch Schaden für den Einzelnen oder größere Gruppen von Individuen.

„Wer sich der Ganzheit der Natur intuitiv anvertraut, dem gibt die Natur etwas zurück“, so sagt es ein altes Indianer – Wort.

Bei empfindsamen Menschen entsteht beim Eintreten eines für sie bestimmenden Zufalls-Ereignisses der Eindruck, als sei dabei eine „universale Choreografie“ am Werk gewesen. Es fühlt sich an, als hätten “gleich – schwingende Wellen“ über passende Antennen plötzlich Verbindungen geschaffen.

 

Kammerer berichtet in seinem Buch „Das Gesetz der Serie“ über Hunderte Zufalls – Anekdoten und postuliert den Begriff der Wellen der Serialität, die alles mit allem verbinden. Menschen erkennen diese Serialitäts -Gesetze nur im Bereich ihrer Höhe – oder Schnittpunkte, den Zufallsereignissen.

 

 Jörg Zink „Welt-Geist, Menschen-Geist“

(Politik-Forum, /18/2006)

Die Wirklichkeit, die wir Menschen als wahr befinden ist in Wirklichkeit nach allen Seiten hin offen und für den Verstand unbegreiflich. Wer könnte „wissenschaftlich fundiert“ begründen, wie und warum der Zufall im menschlichen Leben oft eine so bedeutende Rolle spielt? Praktisch begegnen jedem Menschen Zufälle im Leben. Der eine nimmt sie als solche wahr und wundert sich, der andere sieht über ihre Seltsamkeit geflissentlich weg und vergisst sie.

Religionen versuchen, dem Menschen die Unbegreiflichkeit der Welt und seiner Existenz zu erläutern und ihn vor dem Leiden an seiner Unwissenheit zu schützen. Schicksalsfügungen des Weltenlenkers regieren tröstlich die Zufalls-Ereignisse auf wunderbare Weise..

 

R. H. Höpcke „Zufälle gibt es nicht“.

Die verborgene Ordnung unseres Lebens“ (dtv, 1999)

Koinzidenzen und zufällige Begegnungen erlebt jeder Mensch im Laufe seines Lebens. Synchronizitäten weisen über den Aspekt der zufälligen Begegnung hinaus fast regelmäßig auch einen Zusammenhang mit Lebenskrisen oder unbewussten Wünschen nach Veränderungen aus.

Besonders seltsam erscheinen unerwartete déja-vue Zufalls-Geschehnisse, die jahrelang von ihrem Eintreten in Wahrträumen  gesehen wurden.

Der aufgeklärte Mensch weiß alles über Ursache und Wirkung in seiner Materiewelt  und reagiert daher mehr oder weniger amüsiert oder gelangweilt, wenn er akausale Zufalls – Ereignisse  erfährt. Weil es sich bei Zufalls – Erlebnissen stets um Erlebnisse des Individuums handelt, ist es sehr einfach, die Zufalls-Erlebnisse anderer anzuzweifeln oder ins Lächerliche zu ziehen.

 

K. G. Carus  „“Magische Wirkungen im Leben, in der Wissenschaft und der Kunst“

Der Arzt Carus nahm als Mitglied des Kreises „Magischer Idealismus“ im 18. Jahrhunderts an, dass die Lebewesen mittels eines Lebensmagnetismus miteinander und mit dem gesamten Universum in Verbindung stünden.

 

Deepak Chopra „Es geschehen keine Zufälle“

Alle Ereignisse im Leben sind kausal bedingt und geschehen unabhängig von Raum, Zeit und Bedeutung. Es existiert eine unerkennbare Wirk-Kraft, die Ereignisse und Begegnungen anbahnt, hervorruft und geschehen lässt.

 

Caesar Marc Aurel „Notizen aus dem Feld-Tagebuch“

„Stell dir den Kosmos als ein Lebewesen vor, das eine einzige Substanz und eine einzige Seele besitzt und bedenke, wie alles von einem einzigen Weltenbewusstsein vermittelt wird. Durch einen einzigen Antrieb kann alles bewirkt werden und alles zur Mitursache von allem werden, welcher Art von Verflechtung und Verwebung es auch sein mag. Denk an die gesamte Substanz des Kosmos, von der du nur ein winziger Bruchteil bist und dank an die Zeit, von der dir nur eine winzige Spanne zugeteilt ist und an das Weltenschicksal, welch ein winziger Bruchteil davon ist dein Leben“

 

Milan Kundera

„Dem Roman sollte man nicht vorwerfen, von allzu geheimnisvollem Zusammentreffen bestimmt zu sein.

Dem Menschen kann man jedoch mit Recht vorwerfen, dass er in seinem Alltag den Zufällen seines Lebens gegenüber blind ist und damit seinem Leben die Schönheit des Erlebens raubt“. 

 

J. F. Charon „Der Geist der Materie“

Die Elektronen  sind nach Ansicht des französischen Physiker die Träger des Geistes, die alles über alles im Universum „wissen“ und  die  Ausformung der unterschiedlichen materiellen Elemente (des periodischen Systems) und der energetischen Wirkungen von Photonen  bestimmen.

 

B. Greene „Der Stoff aus dem der Kosmos ist – Raum, Zeit und die Beschaffenheit der Wirklichkeit“ (2004)

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E. Kinis „String Theory in a Nutshell“, (Princeton University, 2007)

Alle Materie und Energiefelder des Universums hängen mit feinsten schwingenden String-Fäden (“Größe” etwa 1 hoch minus 131000, weit unterhalb der Quanten-Ausmaße) in einem String -Netz zusammen.

Die gesamte Universal – Materie – Energie kann sich zur Größe eines Stecknadelkopfes zusammen ballen, um im „Urknall“ wieder zu einem neuen Universum  auszudehnen.

Kondensieren sich die Ideen eines Weltenschöpfers im Fädchen -Geknäuel der seltsamen Strings, die in einem elfdimensionalen Raum den Begriff der Zeit unwirklich erscheinen lassen?

Warum sollten in diesem eigenartigen  Universalgeflecht keine sich kreuzenden Ereignisse im Sinne der „Zufälle“ stattfinden?

Vielleicht gelingt es zukünftigen Einstein-Genies, dafür eine plausible Erklärung im Rahmen einer „Weltformel“ zu erarbeiten.

 

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