Auf meiner Station ist ein Patient gestorben, der zwar herzkrank war und einen Schlaganfall hatte, aber er schien nicht akut lebensbedrohlich krank zu sein. Die Schwester hat ihn vor der Mittagsübergabe noch in gutem Zustand ansprechbar und adäquat reagierend gesehen und ein ganz normales Gespräch geführt. Ein halbe Stunde später fand sie ihn mit ganz entspanntem Gesicht scheinbar schlafend tot im Bett. Auch der Zimmernachbar hatte nichts bemerkt. Um den Schreck zu verarbeiten, schrieb ich das folgende Gedicht.
Wenn der Tod uns ohne Vorbereitung hetzt
und wir ein Antlitz voller Seelenruhe sehen,
fühlen wir erst schutzlos uns und sind entsetzt
und wollen dieses jähe Schicksal drehen.
Wenn wir aber eine Fügung über allem wissen,
die auch unser Leben prägt und lenkt,
wollen wir die mächt´ge Kraft nicht missen,
die für uns segensreich und sicher denkt.
So sollten wir die Zuversicht erbitten,
in Ruhe trostvoll unsern Weg zu gehen,
wenn wir auch bei klugen Dritten
keinen Steg und keinen Sinn ersehen.
Wir dürfen stets auf dunklem Weg vertrauen,
dass selbst Schreck und Zweifel nützen.
Wir können ganz getröstet darauf bauen,
dass uns SEINE Kräfte liebevoll beschützen.
Denn durch Nöte, Ängste, Leid und Sorgen
können wir die Lebensweisheit zugewinnen.
So dürfen wir mit Dank an jedem Morgen
vertrauensvoll den Tag bestärkt beginnen.
Dieses Gedicht habe ich im Almanach deutschsprachiger Schriftstellerärzte 2011 veröffentlicht.
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