Rezept für eine gute Ehe (Spiegelsonett)

Die Form des Spiegelsonetts habe ich entwickelt. Die Endreime werden an der Spiegelachse gespiegelt, und der Inhalt des zweiten Sonetts ist das Spiegelbild des ersten. Im folgenden Gedicht beschäftigt sich das erste Sonett mit den positiven Seiten der Ehe, das zweite spricht über die negativen – mit einer positiven Wendung.

 

Kochrezept für eine gute Ehe
Für Greta und Corvin

Rezepte für die gute Ehe sind ergebnisoffen,
denn das Leben läuft nicht, wie wir denken,
obwohl wir manchmal ganz bewusst uns lenken
dahin, wo wir Glück und Liebe uns erhoffen.

Vertrauen, Zuversicht und Fleiß sind offen-
sichtlich gut und hilfreich fürs Gelingen.
Das ist häufig so bei vielen guten Dingen.
Haltet dennoch eure Augen, Herzen offen.

Lasst den Andern ruhen in der Liebe,
hört auf leise Warn- und Locksignale
meidet wachsam auch die kleinen Hiebe.

Möge die Gesundheit stetig in euch sprießen,
segnen reiches, volles Leben miteinander,
dann könnt ihr zu zweit beglückt genießen.

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Unser Leben schicht uns Zeiten, die verdrießen
viele Stunden, Nächte, Holz- und Wander-
wege. Und die bittren Tränen fließen,

spülen Hoffnung weg wie Lebensdiebe;
uns´re Seele bebt in heftiger Gefühlsrandale;
in uns kämpfen Wut und and´re Triebe.

In diesen Tagen möcht´ ich für euch hoffen,
dass ihr wie ein leises unbewusstes Singen,
eine Lebensmelodie erkennt, die dringen
will in euch: Jetzt ist wieder eine Türe offen!

Wenn wir von dem Schicksal hart betroffen
uns´re Köpfe trostbedürftig, zweifelnd senken,
kann das Leben uns zu unerwartet Gutem lenken!
Darauf dürft auch ihr beruhigt und immer hoffen!

Copyright Dr. Dietrich Weller

 

Dieses Gedicht wurde im Almanach deutschsprachiger Schriftstellerärzte 2011 veröffentlicht und ist meiner Tochter und ihrem Ehemann zur Hochzeit gewidmet.

 

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Der Schuss

Diese Geschichte ist wirklich so geschehen, wie ich sie hier schildere. Das muss vorweg gesagt werden, denn sie ist medizinisch so unglaubhaft, dass auch jeder Nichtmediziner sofort sagen würde, sie sei schlecht erfunden. Ich kenne den Patienten, um den es geht, und seine Computertomografien recht gut, weil er einige Wochen mein Patient in der Rehabilitationsklinik war. Er und seine Frau haben mir erlaubt, die Handlung zu erzählen. Nur den Namen des Patienten und die beiden Städtenamen habe ich verändert, um die Identität der Personen zu schützen.

Herr Berger ist Diplombetriebswirt und lebt mit seiner Frau mit erstem Wohnsitz in Ulm. Sie sind seit fast 17 Jahren verheiratet und führen seit vielen Jahren eine Wochenendehe, da er von München aus für eine internationale Firma das Osteuropageschäft leitet und Frau Berger in Ulm eine Rechtsanwaltskanzlei führt. Das Ehepaar ist im Freundeskreis als glückliches und unterhaltsames Paar mit einer eigenen Partnersprache beliebt. München ist die Geburtsstadt von Herrn Berger, hier ist er aufgewachsen und pflegt einen großen Freundeskreis. Er lebt dort mit zweitem Wohnsitz in einer Wohnung im Haus seiner Mutter.

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Nachtgedanken

(Siehe auch „Wenn der Tod uns ohne Vorbereitung hetzt„)

Herr, der Tag war schwer!
Es ist ein Mensch bei uns gestorben,
dessen Tod wir nicht erwartet haben.
Sein Antlitz war gelöst und unverdorben,
er schien sich an dem Schlaf zu laben.

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Können wir Frieden schaffen?

Es ist unbestritten, dass alles in dieser Welt wenigstens zwei Seiten hat und es viele Zwischenstufen gibt: Tag und Nacht, Winter und Sommer, heiß und kalt, Liebe und Hass – und Frieden und Krieg.

Wir können auch etwas dafür tun, dass das Eine in das Andere übergeht: Wir können ein Licht in der Finsternis anzünden, das Eis zu Trinkwasser aufwärmen und Frieden schließen, wenn es gekracht hat. Aber so wie wir Energie zufügen oder wegnehmen, bleibt die Summe der Energie gleich. Wir schaffen nur eine Verschiebung. Das ist physikalisch richtig.

Jeder von uns hat Liebe und Feindseligkeit in sich. Je nach Wesen verschiebt sich die Darstellung nach außen, aber die Feindseligkeit fehlt dem Liebenden nie, und die Liebe ist auch dem Feindseligsten eigen, nur eben mehr oder weniger verdrängt. Wenn wir eine Münze nehmen, haben wir immer beide Seiten in der Hand, auch wenn wir im Moment nur eine betrachten.

Unsere Reaktion hängt davon ab, wie wir angesprochen werden. Und je nach dem, wie wir reagieren, bewirken wir eine entsprechende Reaktion im Anderen. Der Erfolgreiche ruft regelmäßig Neid hervor, denn die Kehrseite des Erfolgs heißt Neid. Und Frieden zieht Aggression auf sich wie das Licht die Motten.

Nichts ist für Fanatiker so schwer zu ertragen wie ein friedliebender Politiker, der seinen Frieden mit-teilen und verbreiten will. Deshalb sind charismatische Menschen in der Politik so gefährdet, wenn sie gesellschaftliche Veränderungen bewirken wollen. Die Liste der Ermordeten unter ihnen ist lang: Ich will nur einige der bekanntesten nennen: Jesus, Mahatma Ghandi, Martin Luther King, die Kennedy-Brüder, Izhak Rabin, Anwar el Sadat, Olof Palme und viele andere. Und deshalb ist auch Barrack Obama der bestbewachte Mensch auf dieser Welt. Hoffentlich bekommt er genügend Zeit, seine Ziele umzusetzen! Und dass Nelson Mandela bis heute überlebt hat, ist für mich ein Wunder.

Ich habe ein trauriges Bild und einen guten Gedanken erlebt. Vor vielen Jahren ging ich in Paris an einem Sommertag eine Ladenstraße entlang. Vor jedem Geschäft stand ein großer Betonkübel mit einem Baum darin. Alle Bäume waren verdorrt. Ein Kind sagte: „Es ist doch ganz einfach. Wenn jeder nur den Baum vor seinem Geschäft gießt, blühen alle Bäume!“

Wenden wir den Gedanken auf die Verbreitung von Frieden an: Selbst wenn jeder von uns es schaffen würde, immer friedlich zu sein –und das halte ich für eine sehr unwahrscheinliche Hypothese!-, was geschieht dann mit der Aggression? Wohin wird sie verdrängt? Ich denke, wir können sie gar nicht weit genug verdrängen, denn sie wohnt angeboren in uns. Wir nehmen sie wie alle Eigenschaften und Probleme mit, wohin wir auch gehen.

Klar ist: Bevor nicht jeder in sich Frieden hat, kann es auch außerhalb von uns keinen Frieden geben. Denn wir sind miteinander verbunden und reagieren aufeinander, selbst wenn wir das nicht wollen.

Deshalb meine Frage:

Können wir tatsächlich Frieden verbreiten, oder streben wir neurotisch einem Ziel hinterher, das wir definitionsgemäß und unserer Art entsprechend gar nicht erreichen können?

Copyright Dr. Dietrich Weller

Diesen Text habe ich im Almanach deutschsprachiger Schriftstellerärzte 2012 veröffentlicht.

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Schlaganfall mit 33- ein beeindruckender Weg zurück ins aktive Leben

Ich habe Herrn Dr. jur. Bruno Pfeifer vor 7 Jahren kennengelernt, als ich ihn in der Neurologischen Tagesklinik der Kliniken Schmieder Stuttgart bei seiner Reha begleitet habe. Seither stehen wir in Kontakt miteinander, und er hat mich immer wieder mit E-Mails, Fotos und Videoclips von seinen Erfolgen auf dem Laufenden gehalten. Als ich 2009 völlig verblüfft sah, welche Erfolge er beim Skifahren gemacht hatte, lud ich ihn ein, trotz seiner Aphasie in der Schlaganfall-Selbsthilfegruppe der Kliniken Schmieder Stuttgart-Gerlingen einen Vortrag zu halten. Das war ein hervorragender, überzeugender und viel Mut machender Multimedia-Vortrag über erfolgreiche Lebenskunst in extrem schwierigen Krankheitssituationen.

Danach hatte ich die Idee, mit ihm ein Buch über seine Geschichte zu schreiben. Da er wegen seiner Aphasie nicht mehr selbst flüssig schreiben und lesen kann, aber sehr gut versteht, schlug ich vor, dass ich seine Geschichte in Ich-Form erzähle.

Der Verleger schlug vor, eine barrierefreie DVD für den PC zu gestalten: Ein Buch, das man am PC lesen und hören kann und das neben Text auch Bilder, Videos und Hintergrundinformationen bietet. Dieses Buch ist unseres Wissens das erste Multimedia-Buch im deutschsprachigen Raum über einen Schlaganfall-Patienten.

Sein Freund, früherer Vorgesetzte und Marathon-Partner, sagte: „Jedem, der meint, er habe Probleme, empfehle ich, einen Abend mit dir zu verbringen. Du bist ein Lebenselixir! Wir alle können von dir lernen!“

Die medizinische Geschichte von Dr. jur. Bruno Pfeifer

Die persönliche Situation, in der Pfeifer den Schlaganfall erlitten hat, sollten Sie kennen. BP ist in Fellbach bei Stuttgart aufgewachsen. Da die Mutter Französin ist und der Vater Deutscher, war und ist Französisch bis heute die Familien-sprache, also auch die erste Sprache, mit der Pfeifer aufwuchs. Erst im Kindergarten kam Deutsch dazu. In der Schule stellte sich heraus, dass Pfeifer eine schwere Lese-Rechtschreibschwäche hatte. Deshalb erhielt er nur eine Empfehlung für die Hauptschule. Die Eltern ließen ihn testen und brachten ihn in die Realschule. Dort lernt er auch Englisch. Er machte so gute Fortschritte, dass er nach kurzer Zeit in das Gymnasium wechseln konnte. Als Französisch in der Schule die 2. Fremdsprache wurde, lernte er zu Hause mit seinem Vater Latein, so dass er schließlich in die Lateinklasse wechseln durfte. Im Abitur war er Klassenbester mit einem Durchschnitt von 1,3.

Während des Jurastudiums verbrachte er ein Semester in Mailand, lernte dort seine spätere Frau kennen, eine italienische Architektin, und sprach bald perfekt Italienisch. Er promovierte über italienisches Fernsehrecht und wurde nach erfolgreichem 2. Staatsexamen in eine renommierte Stuttgarter Kanzlei aufgenommen. Er sprach vor dem Schlaganfall fließend Deutsch, Französisch, Englisch und Italienisch. Pfeifer war ein begeisterter Sporttaucher, Skifahrer und Marathonläufer.

Am 17. Februar 2003  spürte er nach einer anstrengenden und sehr schönen Skiabfahrt in Lech / Vorarlberg beim Nach-Hause-Gehen leichten Schwindel und Kopfdruck. Später im Appartement bemerkte er nicht, wie beim Betten-Richten sein rechter Arm gefühllos in einer Bettlade eingeklemmt war, aus der das Bettzeug holen wollte. Auch die Sprache funktionierte nicht mehr richtig, nur noch einzelne Wörter konnte er sagen.

Der Patient wurde notfallmäßig in das Krankhaus nach Feldkirch gebracht. Dort kam er fast symptomfrei an, verschlechterte sich aber in wenigen Stunden dramatisch. Die Diagnose war klar: Eine Dissektion der Arteria carotis interna links hatte zu einem vollständigen Mediaterritorialinfarkt links geführt und damit zu einer sensomotorischen Hemiplegie rechts und einer globalen Aphasie.

Die Schädel-CTs zeigte ein malignes Hirnödem. Pfeifer bekam einen generalisierten Krampfanfall. Die Hemikraniektomie (Entfernung der halben Schädeldecke) wurde noch in der Nacht vorgenommen. In den folgenden Tagen wurden wegen Blutungen noch zwei Operationen nötig.

Am 27.02. wurde er nach Stuttgart ins Bürgerhospital verlegt und am 10. März zur Rehabilitation in die Kliniken Schmieder. Bei einem kurzen Aufenthalt im Katharinenhospital Stuttgart später wurde die linke Schädeldecke wieder neu gestaltet, anschließend zwang eine Hirnblutung zur erneuten Operation.

Zu diesem Zeitpunkt war seine Tochter gerade ein Jahr alt und seine Frau mit dem zweiten Kind hochschwanger. Am 10. Mai kam der Sohn zur Welt.

Nach der stationären Rehaphase begann die ambulante Reha im NRZ in Stuttgart. Dort war es der Ehrgeiz des Patienten, bald die 2 km Heimweg zu Fuß zu gehen. Anfangs braucht er dazu eine Stunde.

Die enormen Spannungen zu Hause waren vorprogrammiert. Ein sprachloser und schwer bewegungsbehinderter und belastbarkeitsgeminderter Mann und ein Frau, die zwei kleine Kinder zu versorgen hatte. Eine verbale Basis gab es nur angedeutet, ein konfliktorientiertes Gespräch war völlig unmöglich. Trotz Hilfe von beiden Familien kam es schließlich zur Trennung.

Pfeifers bester Freund sagte: „Da habe ich begriffen, dass du alles verloren hast, was einem Mann wertvoll ist: Die Frau, die Kinder, die Gesundheit und den Beruf.“

In der Physiotherapie musste Pfeifer lernen, beim Transfer in den Rollstuhl mitzuhelfen, Monate später konnte er am Hirtenstock gehen. Heute geht er ohne Hilfe. Der rechte Arm blieb überwiegend funktionslos und spastisch. Dazu kam erschwerend die Gefühllosigkeit in der rechten Körperseite.

In der Ergotherapie schaffte er den Alltag mit einer Hand zu bewältigen: essen, an- und ausziehen, sich auf der Toilette und in der Dusche selbst zu versorgen, In der Zwischenzeit ist er perfekt und flink am PC mit seiner linken Hand. Er fotografiert, filmt, schreibt inzwischen links und ist unabhängig bei seiner Alltagsbewältigung.

Besonders schwierig war die Bewältigung der Aphasie: Pfeifer musste die Buchstaben einzeln wieder begreifen, ihre Bedeutung und wie man ein Wort zusammensetzt. Das Vokabular war verschwunden. Ehrgeizig wie er ist, wollte er natürlich gleichzeitig alle seine Sprachen üben. Und jetzt klappte wie bei einer schweren Aphasie nicht einmal mehr ein zuverlässiges JA oder NEIN. Auch Zeichensprache funktioniert bei Aphasikern oft nicht. Pfeifer akzeptierte schließlich, Zweiwortsätze zu trainieren mit zwei Inhaltswörtern.

Die normale Grammatik war lange nicht mehr erreichbar für diesen sprachgewandten Mann, und er ärgerte sich oft über seine sprachliche Unbeholfenheit. Inzwischen kann er alles ausdrücken, auch wenn er manchmal nach Wörtern suchen muss, Schreibfehler macht und die Grammatik nicht stimmt. Aber das Wichtigste ist: Er vermittelt seine Botschaft! Und er bezaubert alle so mit seinem Charme, dass jeder Gesprächspartner ihm zuhört, bis er die Botschaft begriffen hat. Sein Sprachverständnis ist viel besser als der aktive Wortschatz. Und sein Hörverständnis ist viel besser als sein Lese-Sinnverständnis. Das liegt daran, dass die beiden Zentren im Gehirn unterschiedlich stark geschädigt sind.

Die epileptischen Anfälle komplizierten in den ersten Jahren den Verlauf erheblich. Erst viel später waren sie so gut behandelt, dass ein neurologischer Gutachter die Fahrtüchtigkeit in einem umgerüsteten Auto attestierte.

Wenige Wochen später fuhr Pfeifer allein in drei Tagen mit dem Auto nach Granada in Südspanien. Er verständigte sich mit Händen und Füßen und hatte eine herrliche Reise. Und er ist regelmäßig auch auf längeren Strecken z. B. in Frankreich unterwegs, wo er intensive Sprachtherapie mit Besuchen bei Ver-wandten und mit Fototouren durch Kathedralen und Kirchen verbindet.

Sehr schwer fiel ihm die Erkenntnis, nicht mehr als Rechtsanwalt arbeiten zu können. Heute ist er Rentner.

Trotz seiner Halbseitenlähmung und fehlenden Berührungsempfindung und Tiefensensibilität auf der ganzen rechten Körperseite hat er in einer französischen Behinderten-Skischule wieder gelernt, Ski zu fahren. Das halte ich für eine grandiose Leistung. Wie kann man gehen und gar Ski fahren, wenn man nicht einmal den Stand und die unterschiedlichen Druckgefühle der Fußsohle beim Abrollen und die Gewichtsverlagerung spürt? Für so differenzierte Bewegungsänderungen bei Bodenwellen und Kurven ist es unbedingt wichtig, dass die Berührungsempfindung und Tiefensensibilität und die dazu gehörenden Muskelreaktionen perfekt funktionieren.

Sein neuestes Ziel entstand am 17. 09.2010. PFeifer sah einen Film über Paul Wittgenstein im Fernsehen, nahm ihn auf, brachte ihn mir am nächsten Tag und sagte: „Jetzt lerne ich Klavier und spiele am 09. November bei der Buchvorstellung vor!“ – Was war passiert? – Paul Wittgenstein war ein berühmter Konzertpianist, der im 1. Weltkrieg durch eine Schussverletzung seinen rechten Arm verlor und als Pianist weiter konzertieren wollte. Er beauftragte alle damals berühmten Komponisten, für ihn Werke für die linke Hand zu komponieren.

Bei unserem nächsten Treffen ein paar Tage später spielte er mir eine Aufnahme vor, die er bei seinem ersten(!) Klavierversuch mit einer Bekannten am Klavier gemacht hatte. Sie hatte mit ihm die Filmmelodie aus „Love Story“ eingeübt. Er spielte die linke und sie die rechte Hand.

Pfeifer bat mich, mit ihm bei der Buchvorstellung zu spielen. Er hatte in den letzten sieben(!) Wochen fleißig geübt. Und so spielten wir zwei sehr berühmte kurze Musikstücke in einer Version für zwei linke Hände!

Pfeifer hatte bei der Bewältigung seines Schicksals die drei wichtigsten Bedingungen für Erfolg auf seiner Seite:

  • Er hatte in frühen Jahren schon erfahren, dass er selbst durch eigene Fähigkeiten in der Lage ist, problematische Situationen und Herausforderungen hervorragend zu meistern. Er kannte also seine für den Erfolg nötigen Ressourcen, als er aus dem Koma aufwachte, und er wusste, dass sie funktionieren.
  • Er wird von seiner engsten sozialen Umgebung in seinem Bestreben intensiv unterstützt.
  • Er konnte sich nach der Akutversorgung weitgehend aussuchen, bei wem er Therapie macht und trainieren will.
  • Dazu kam noch ein vierter sehr wichtiger Punkt, den er nicht beeinflussen konnte: Der Schlaganfall hat sein Antriebszentrum im Frontalhirn nicht beeinträchtigt. BP kann seinen Willen und seine Intelligenz normal einsetzen und steuern.

Ein Freund von Pfeifer, auch ein junger Schlaganfallpatient, Informatikstudent und Aphasiker sagte:

„Bruno hat eine brillante Krankheitsverarbeitungsstrategie. Er hat einfach akzeptiert, was mit ihm passiert ist, und jetzt versucht er, das Beste daraus zu machen. Dabei nützt er sein Behar-rungsvermögen und seinen absoluten Willen, sein Ziel zu erreichen. Er war ja immer schon ein strebsamer und aktiver Typ. Aber ich glaube, er hat erst nach dem Schlaganfall seinen geistigen Turbo gezündet. Das ist Lebensfreude pur.“

Pfeifer – Weller: Schlaganfall mit 33 – Mein Weg zurück ins aktive Leben. Multimedia-Buch für den PC, Verlagsgesellschaft Weinmann e.K.,

ISBN 978-3-921262-61-0 

 Copyright Dr. Dietrich Weller

Dieser Bericht ist eine Zusammenfassung des Multimediabuchs und wurde im Hamburger Ärzteblatt 10/2011 veröffentlicht

 

 

siehe auch

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Akute Psychose

Ich hock im zweiten Stock
in meinem schwarzen Zimmer
mit Gewimmer im Eck –
ganz still.
Ich will weg und schreien und speien vor Schreck,
denn er hat mein Versteck entdeckt!
Er und die Genossen haben unverdrossen
mit fahlen Strahlen
durch meine kahlen Wände behände
mit Hirn-Zerriss und Pitbull-Gebiss
meine Gedanken ins Wanken gebracht.

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Wenn der Tod uns ohne Vorbereitung hetzt

Auf meiner Station ist ein Patient gestorben, der zwar herzkrank war und einen Schlaganfall hatte, aber er schien nicht akut lebensbedrohlich krank zu sein. Die Schwester hat ihn vor der Mittagsübergabe noch in gutem Zustand ansprechbar und adäquat reagierend gesehen und ein ganz normales Gespräch geführt. Ein halbe Stunde später fand sie ihn mit ganz entspanntem Gesicht scheinbar schlafend tot im Bett. Auch der Zimmernachbar hatte nichts bemerkt. Um den Schreck zu verarbeiten, schrieb ich das folgende Gedicht.

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Das alte und das neue Jahr (Spiegelsonett)

Die Form des Spiegelsonetts habe ich entwickelt. Das dachte ich, bis ich entdeckte, dass es lang vor mir schon einigen anderen Menschen eingefallen war, nicht nur Endreime an einander anzupassen, sondern auch die Reime zu spiegeln.  Sie werden an der Spiegelachse gespiegelt, und inhaltlich ist das erste Sonett das Spiegelbild es zweiten Sonetts. Im folgenden Gedicht stehen  das alte Jahr 1009 und das neue Jahr 2012 einander gegenüber.

Das Jahr verflog viel rascher als wir dachten,
brachte Bürden, Wunder und Routine.
Wir erlebten, wie mit sorgenvoller Miene
Politiker den Klimaschutz zunichte machten.

Menschen manches Dankgebet erbrachten,
weil sie wie auf einer Einbahnschiene
in Gedanken an die Alltagsflugroutine
nicht an Landeglück im Hudson dachten.

Ein Jahr mit großem Schicksalsschwanken
endet, lässt uns nachdenklich zurück:
Was folgt weiter: Sorgen oder Glück?

Ob wir hoffend oder grübelnd wanken,
können wir in jedem Falle dankbar sagen:
zuverlässig werden wir erneut getragen.

——————————————–

Auch zur Jahreswende stehen Fragen
vor uns, die für alle un´sre Lebenslagen
prägen schicksalswirkende Gedanken.

Wir sollen das gewährte Zukunftsglück
nicht erstreben mit dem Blick zurück,
sondern ruhig, ohne Zögern, ohne Zanken

nach Erfüllung unsrer Tage trachten.
Dann kann die vergiftete Gedankenmine
nicht zerfetzen eine sorgenlose Miene,
mit der wir morgens noch erwachten.

Wir sollen nicht auf Illusionen achten,
sondern lieber strebsam wie die Biene
ganz geduldig auf der Lebensschiene
selbst die Lebensgnade wach beachten.

Copyright Dr. Dietrich Weller

Dieses Gedicht habe ich im Almanach deutschsprachiger Schriftstellerärzte 2011 veröffentlicht.

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Ein Kind – ein Wunder

Wenn ein Kind entsteht aus nur zwei Zellen,
gesund geboren wird wie in den meisten Fällen,
wenn es in den Elternarmen in den Schlummer sinkt
und selig an der Mutterbrust die Nahrung trinkt,
die zarten Wimpern, Fingernägel gut gedeihen,
und die Seele sich befreit mit lautem Schreien,
wenn die Windel schwerer wiegt,
der Schnuller auf dem Boden liegt,

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Lebenswege (Sonett)

Lebenswege sind an Schicksal stets gebunden,
auch wenn wir das Lästige vermeiden wollen.
Selbst wenn wir mit Angst und Seelengrollen
fliehen, werden wir vom Lernen nicht entbunden.

Der Weg, den wir beschließen, um ein Los zu meiden,
birgt ganz genau, was uns zum Wachstum bringt.
Wer mit dem Schicksal fliehend, hadernd ringt,
wird an dem Ungewollten länger, stärker leiden.

Wir müssen lernen, unsern Weg bewusst zu gehen,
und die Lehre rasch und gern zu akzeptieren.
Dann können wir die Lebensziele klarer sehen

und unsrem Herzen eine helle Botschaft senden,
die uns hilft, das Leben mit Erfolg zu zieren:
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden …

 

Copyright Dr. Dietrich Weller

29.05.2009

Dieses Gedicht habe ich beim BDSÄ-Kongress 2010 in Schwerin vorgetragen und im Almanach deutschsprachiger Schriftstellerärzte 2011 veröffentlicht.

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